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Das Geheimnis hinter den prickelnden Perlen

Das Geheimnis hinter den prickelnden Perlen

Das Geheimnis hinter den prickelnden Perlen

VON EINEM ERWACHET!-MITARBEITER IN FRANKREICH

RUND UM DIE WELT IST CHAMPAGNER gleichbedeutend mit festlicher Stimmung und Festlichkeiten. Die prickelnden Perlen dieses Getränks sind tatsächlich symbolhaft für viele Momente des Glücks.

Viele halten einen Mann namens Dom Pérignon für den Erfinder des Schaumweins. Auf jeden Fall hat er erheblich zu seiner Qualität beigetragen. Dieser Benediktiner war von 1668 bis zu seinem Tod im Jahr 1715 Kellermeister der Abtei Hautvillers (im Herzen der Champagne Frankreichs). Manche schreiben Dom Pérignon viele der Techniken zu, die heute noch bei der Herstellung des Champagners verwendet werden.

Die Briten begeisterte der perlende Wein zuerst. Doch im 18. Jahrhundert hatte der französische Hof dieses Luxusgetränk für sich entdeckt. Damit ein Wein wirklich die Bezeichnung „Champagner“ tragen darf, muss er allerdings in der französischen Champagne hergestellt worden sein. Sogar die Trauben müssen aus dieser Region stammen!

In der Champagne ist der Untergrund bis in 100 Meter Tiefe sehr kalksteinhaltig. * Darüber liegt eine dünne Schicht Alluvialboden. Diese Besonderheit gewährleistet eine konstante Feuchtigkeit im Boden. Nachts gibt der Boden die Wärme ab, die er während des Tages gespeichert hat. Die Wurzeln des Weinstocks graben sich außerdem rund 10 Meter tief ins Erdreich, sodass die Mineralien, die einem Wein das Tüpfelchen auf dem i verleihen, besser aufgenommen werden können.

Das Appellation-Champagne-Gebiet hat eine Fläche von ungefähr 35 000 Hektar. Zirka 28 000 Hektar davon nehmen die Weinberge ein. Der Wein wird auf dem oberen Teil der Hänge angebaut, damit der Frost nicht so großen Schaden anrichten kann, wie das beispielsweise 1985 der Fall war, als die Temperaturen auf minus 30 Grad Celsius fielen. Es werden drei Rebsorten angebaut: die roten Trauben des Pinot Meunier (Schwarzriesling) und des Pinot Noir (Spätburgunder) und die weißen Chardonnaytrauben. *

Der Stillwein

Die geernteten Trauben werden rasch in großen, flachen Weinkeltern gepresst, damit der Saft nicht durch die Schalen gefärbt wird. Bei der ersten Auspressung erhält man von vier Tonnen Trauben 2 000 Liter Cuvée, der nur für die besten Weine verwendet wird. Die beiden weiteren Auspressungen ergeben 400 Liter beziehungsweise 200 Liter eines Safts von minderer Qualität. Alles, was danach ausgepresst wird, ist nicht für den echten Champagner geeignet.

Die Hefe in dem in Eichenfässern oder Metallbottichen gelagerten Saft arbeitet etliche Wochen vor sich hin. Die Mikroorganismen stellen aus dem Zucker im Traubensaft Alkohol und Kohlendioxid als Abfallprodukt her. Die erste Gärung ist ähnlich wie bei jedem Wein. Bei diesem Vorgang entsteht der Stillwein (nicht schäumender Wein). Nun gilt es, diesen ausgezeichneten Wein in das perlende Edelgetränk zu verwandeln.

Man bestimmt den Zuckergehalt des Stillweins und reguliert ihn (auf ungefähr 25 Gramm pro Liter) durch Hinzufügen eines Likörs, bestehend aus Rohrzucker, der in älterem Wein aufgelöst wurde. Dann wird dieser Stillwein in Flaschen abgefüllt, die mit einem provisorischen Pfropfen versehen werden. Die Flaschen werden mehrere Monate lang bei 10 Grad Celsius horizontal im Keller gelagert. In dieser Zeit reagiert die Hefe mit dem Zucker und setzt langsam eine zweite Gärung in Gang. Erneut wandeln die Mikroorganismen Zucker in Kohlendioxid um. Doch diesmal kann es nicht entweichen wie bei den Bottichen. Stattdessen ist es in der Flasche gefangen und erhöht den Druck stetig bis auf zirka 6 Bar. Beim Entkorken werden ungefähr 5 bis 6 Liter Gas freigesetzt, was das berühmte Aufschäumen und die Millionen von perlenden Bläschen erklärt.

Die Flaschen müssen kräftig genug und gut zugepfropft sein, um dem Druck standzuhalten. Früher stellte das die Hersteller vor ein erhebliches Problem. Hugh Johnson schreibt in seinem Buch Hugh Johnsons Weingeschichte beispielsweise, dass es Ende des 19. Jahrhunderts, „wenigstens im Frühjahr, nicht ratsam [war], den Keller ohne Drahtmaske als Gesichtsschutz zu betreten“.

Doch zurück zu unserem Champagner. Er ist noch nicht ganz fertig. Damit er nicht trüb aussieht, muss der Bodensatz, bestehend aus toten Hefezellen und Mineralsalzen, entfernt werden. Traditionell geschieht dies durch das remuage oder Rütteln der Flaschen. Die Flaschen werden nach und nach auf den Kopf gestellt und tagtäglich von remueurs oder Rüttlern um eine Achtel- bis Vierteldrehung bewegt. Manche Rüttler können bis zu 10 000 Flaschen pro Stunde drehen. Bei gewöhnlichen Schaumweinen wird dies jedoch immer häufiger maschinell erledigt.

Die letzten Schritte zur Veredelung

Schließlich hat sich der Satz im Flaschenhals gesammelt. Er wird durch einen Vorgang, den man Degorgieren nennt, entfernt. Man hält die Flasche nach unten und taucht den Flaschenhals in eine Salzwasserlösung von minus 27 Grad Celsius. Danach wird die Flasche rasch geöffnet. Durch den Innendruck wird das gefrorene Sediment herausgeschleudert. Die Flasche wird nun mit neuem Likör wieder aufgefüllt. Der Zuckergehalt dieses Likörs bestimmt, ob der Champagner trocken, halbtrocken oder mild sein wird, je nach Geschmack des Kunden. Jetzt kann die Flasche endlich mit dem speziellen Korken versehen werden, der im Lauf der Zeit die charakteristische Pilzform annimmt, für die Champagnerkorken berühmt sind.

Dieser Korken muss wirklich festsitzen. Anfängliche Versuche mit Hanfgarn erwiesen sich als erfolglos, da es in den feuchten Kellern verrottete. Als Nächstes versuchte man es mit gewöhnlichem Draht, aber er rostete durch und schnitt in den Korken ein. Schließlich hatte man eine andere Idee: Man legte eine Metallkappe über den Korken und befestigte sie mit einer Umwicklung aus gedrehtem Draht. So sind in den letzten 150 Jahren Flaschen versiegelt worden. Jetzt fehlt nur noch das Schneiden der Folie und das Etikett, das die Flasche ziert.

Ein begehrtes Getränk

In vielen Weingegenden hat man sich bemüht, vergleichbare Schaumweine herzustellen. Doch selbst wenn dieselben Methoden verwendet werden, darf das Produkt nur Schaumwein genannt werden und nicht Champagner, denn die Bezeichnung ist geschützt. Als ein französischer Modeschöpfer vor kurzem ein Parfüm mit Namen „Champagne“ auf den Markt brachte, musste er vor Gericht. Das Gleiche passierte einem Engländer, der unter dem Namen „Elderflower Champagne“ (Holunderblütenchampagner) ein Getränk in champagnerähnlichen Flaschen vermarktete, das aus Holunderblüten gewonnen worden war.

Wie viele andere Industrien hat auch die Champagnerindustrie eine wirtschaftliche Krise erlebt. Nach Rekordzahlen im Jahr 1989 — mit 249 Millionen Flaschen — ging der Absatz steil nach unten, und es blieben große Restbestände übrig. Die Winzer produzieren heute weniger, der Qualität zuliebe.

Champagner kann im Dunkeln und bei konstanter Temperatur mehrere Jahre gelagert werden. Da er jedoch bereits beim Hersteller gereift ist, kann er auch gleich nach dem Kauf getrunken werden. Wie reicht man ihn? Er sollte auf 6 bis 9 Grad Celsius gekühlt (eine gute Methode ist, die Flasche in einen Kübel mit Eiswürfeln und Wasser zu stellen) in Flöten serviert werden, damit die aufsteigenden Perlen schön zur Geltung kommen.

Wem die Verkostung dieses edlen Tropfens vergönnt ist, sollte nicht vergessen, mit wie viel Sorgfalt der Champagner hergestellt wurde, und sich an den Millionen prickelnden Perlen erfreuen, deren Geheimnis wir versucht haben ein wenig zu lüften.

[Fußnoten]

^ Abs. 6 Der kalksteinhaltige Boden dort machte es auch leichter, die Kellerräume mit einer Gesamtlänge von 250 Kilometern auszuhauen, in denen die Temperatur konstant bei 10 Grad Celsius liegen muss. Die meisten Keller in der Gegend von Reims sind Überbleibsel alter römischer Steinbrüche.

^ Abs. 7 Bestimmte Champagner werden nur aus Chardonnaytrauben gewonnen, beispielsweise der berühmte Blanc de Blancs (was so viel bedeutet wie der Weiße unter den Weißen) von den Weinbergen der Côte des Blancs südlich der Stadt Épernay.

[Bilder auf Seite 15]

Chardonnay

Pinot Noir

Pinot Meunier

[Bildnachweis]

Photo DUBOIS-Collection C.I.V.C.

Photo collection C.I.V.C.

[Bilder auf Seite 15]

1 Die Trauben werden sorgfältig von Hand geerntet und dann in mechanischen Keltern gepresst

2 Mehrere Wochen lang arbeitet die Hefe in den Eichenfässern

3 Die Flaschen werden in Regalen gelagert, um dort das zweite Mal zu gären

4 Beim so genannten Degorgieren wird das Sediment aus der Flasche herausgeschleudert

[Bildnachweis]

Photo M. HETIER-Collection C.I.V.C.

Photo collection C.I.V.C.