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Die Massai — Ein einzigartiges und farbenfrohes Volk

Die Massai — Ein einzigartiges und farbenfrohes Volk

Die Massai — Ein einzigartiges und farbenfrohes Volk

VON EINEM ERWACHET!-MITARBEITER IN KENIA

DER Gesang eines kleinen Massai-Jungen hallt durch das Tal. Seine helle Stimme wird von der schweren, dunstigen Luft der Morgendämmerung weit fortgetragen. Je höher die Morgensonne steigt, desto eindringlicher singt er, geradeso wie ein Singvogel, der sich beim Auftauchen der ersten Sonnenstrahlen tüchtig ins Zeug legt und tiriliert.

Ich lausche dem Gesang und die aufgehende Sonne lässt mich nun auch den Massai-Hirtenjungen erkennen, der zwischen den Rindern seines Vaters steht. In ein längliches rotes Tuch gehüllt, das seinen Körper zum Teil bedeckt, steht er, auf den Schaft seines Speeres gelehnt, wie ein Storch auf einem Bein und singt für seine zufrieden wirkende Herde. Über die Massai, dieses einzigartige Volk, möchte ich gern etwas mehr erzählen.

Willkommen im Massai-Land!

Die Massai, ein farbenfrohes Hirtenvolk, bewohnen die weiten, offenen Ebenen des Rift Valley oder Ostafrikanischen Grabensystems. Sie leben in Kenia und Tansania noch nahezu genauso wie ihre Vorfahren vor Hunderten von Jahren — Relikte einer längst vergangenen Zeit. Ihr Leben richtet sich ganz und gar nach dem Auf- und Untergehen der Sonne und dem ewigen Rhythmus der wechselnden Jahreszeiten, ansonsten spielt Zeit in ihrem Leben keine große Rolle.

Die Stärke der Massai liegt unter anderem darin, in der unwirtlichen Umgebung und rauhen Landschaft des Rift Valley existieren zu können. Auf der Suche nach grünen Weiden und nach Wasserstellen für ihr Vieh legen sie mit großen, behänden Schritten weite Entfernungen zurück. Ihre Herden hüten sie inmitten von Gnu-, Zebra- und Giraffenherden sowie anderen Steppentieren, mit denen sie den heimatlichen Boden bewohnen.

Rinder — ihr Ein und Alles

Die Massai glauben, jegliches Vieh der Erde gehöre ihnen. Dieser Glaube beruht auf der Legende, dass Gott am Anfang drei Söhne hatte und jedem ein Geschenk machte. Der erste Sohn erhielt einen Bogen zum Jagen, der zweite eine Hacke zur Landbestellung und der dritte einen Stock zum Viehhüten. Der letzte Sohn sei dann der Stammvater der Massai geworden. Wenngleich auch andere Stämme Rinder halten, betrachten die Massai diese Tiere im Grunde als ihr Eigentum.

In der Gemeinschaft der Massai richtet sich der Status und die Bedeutung eines Mannes nach der Größe der Herde und nach seiner Kinderschar. Wer weniger als 50 Stück Vieh besitzt, gilt als arm. Ein Massai hofft letztlich immer, mit der Hilfe seiner vielen Kinder und Frauen eine große Herde von bis zu 1 000 Tieren zusammenzubringen.

Eine Massai-Familie ist mit ihren Rindern emotional verbunden. Man kennt jedes Tier ganz genau: seine unverwechselbare Stimme, sein ihm eigenes Temperament. Die Rinder werden oft mit einem Brandmal versehen sowie mit langen Wellenlinien und komplizierten Mustern, die das Tier verschönern sollen. In Liedern wird voller Zuneigung die Schönheit bestimmter Tiere der Herde besungen. Bullen mit großen, geschwungenen Hörnern stehen besonders hoch im Kurs. Um ein Kälbchen wird viel Aufhebens gemacht und es wird so zärtlich umhegt, als wäre es ein neugeborenes Kind.

Der Bau der Massai-Hütten ist traditionell Sache der Frauen. Äste werden mit Gras zusammengeflochten und das Ganze wird dann mit Kuhdung verputzt und abgedichtet. Die länglichen, abgerundeten Hütten bilden einen großen Kral zum Schutz der Rinder, die nachts darin lagern. Umgeben ist die Rundlingssiedlung mit einem stachligen Dornenverhau, der Mensch und Vieh vor umherstreifenden Hyänen, Leoparden oder Löwen schützt.

Gesunde, kräftige Herden sind die Existenzgrundlage der Massai. Die Milch wird getrunken und weiterverarbeitet, der Kuhdung zum Verputzen und Abdichten der Hütten benutzt. Nur selten schlachten die Massai ein Rind zu Nahrungszwecken — zum Schlachten hält man in der Regel ein paar Schafe und Ziegen. Wird ein Rind jedoch getötet, dann findet jeder Teil des Tieres Verwendung. Aus Hörnern werden Behältnisse gemacht; Hufe und Knochen werden zu kunstvollen Gegenständen gestaltet. Häute werden haltbar gemacht und zu Schuhen, Kleidung, Bettdecken und Riemen verarbeitet.

Farbenfroh und einzigartig

Die Massai sind gut aussehende Menschen: schlank, groß gewachsen und gut gebaut. Ihre Kleidung ist herrlich bunt. Tücher, in lebhafte Rot- und Blautöne eingefärbt, werden lose um den geschmeidigen Körper gelegt. Die Frauen schmücken sich gern mit schönen, perlenverzierten breiten Halsringen, die wie ein großer runder Kragen wirken, und mit bunten Stirnbändern. Arme und Fesseln sind häufig mit eng anliegenden, dicken Reifen aus Kupferspiralen versehen. Männer und Frauen strecken oft ihre Ohrläppchen, indem sie schwere Ohrringe oder perlenverzierten Schmuck daran hängen. Der Körper wird gern mit rotem Ocker kunstvoll bemalt, einem fein pulverisierten Mineral, das man mit Kuhfett mischt.

Eines Abends beobachte ich im Feuerschein, wie man sich zum Tanz versammelt. Die Massai bilden einen Kreis und bewegen sich rhythmisch. Während sie immer intensiver tanzen, hüpfen die schweren Perlenhalsringe der Mädchen im Takt auf ihren Schultern. Dann ist ein Massai-Krieger nach dem anderen an der Reihe, in die Mitte des Kreises zu treten und verschiedene spektakuläre, hohe Luftsprünge zu vollbringen. Der Tanz kann bis spät in die Nacht andauern, bis jedermann erschöpft ist.

Das Familienleben der Massai

An einem heißen Tag sitze ich mit einigen Massai-Frauen im Schatten einer Akazie und sehe zu, wie sie kunstvoll Perlen auf haltbar gemachte Lederhäute nähen. Sie plaudern und lachen und nehmen kaum das Gezwitscher der Webervögel über ihnen wahr, die ihre Nester mit trockenen Grasfasern verweben. Tagsüber sind die Frauen damit beschäftigt, Wasser und Feuerholz zu holen, die Hütten auszubessern und sich um die Kleinen zu kümmern.

Wenn sich das Land aus der Umklammerung der untergehenden Sonne löst, machen sich die Hirten mit ihren Rindern allmählich auf den Heimweg. Die Herde trottet heimwärts und die Hufe der Tiere wirbeln eine rote Staubwolke auf. Sie wird erleuchtet durch die waagrecht einfallenden Strahlen des verblassenden bernsteinfarbenen Sonnenlichts. Wenn die Frauen die Staubwolke in der Ferne sehen, lassen sie sofort ihre Arbeit liegen und bereiten alles für die Ankunft der Herde vor.

Sind die Rinder dann im Kral in Sicherheit, laufen die Männer zwischen ihren Tieren umher, tätscheln die Hörner der Bullen und bewundern deren Schönheit. Ein kleiner Junge lässt sich einen dünnen Strahl warmer Milch direkt vom Kuheuter in den Mund laufen und wird sofort von seiner Mutter ausgeschimpft. Mädchen wieseln durch das überfüllte Labyrinth aus Hörnern und Hufen; sie melken die Tiere immer wieder sicher und geschickt und füllen die länglichen Kürbisflaschen bis zum Überlaufen mit Milch.

Am Abend ist die Luft kühl und wir sitzen alle dicht gedrängt um das Feuer, das jegliches Frösteln vertreibt. Es riecht nach Rauch, nach geröstetem Fleisch und extrem nach Kuh, denn die Herde ist ja ganz in der Nähe. Ein älterer Mann erzählt im Sitzen Geschichten von früher und von den vergangenen Heldentaten der Massai-Krieger. Er legt nur dann eine Pause ein, wenn in der Ferne ein Löwe brüllt. Danach macht er unbeeindruckt weiter und schmückt seine Geschichte so richtig schön aus — sehr zur Freude seiner Zuhörer. Schließlich verschwindet einer nach dem anderen in der Dunkelheit seiner gewölbten Erdhütte, um schlafen zu gehen. Die Nacht ist ruhig. Außer dem Atmen der schlafenden Rinder ist nichts zu hören, denn die Dunkelheit und Abgeschiedenheit der offenen Steppe verschluckt jeden Laut.

Die Kindheit der Massai

Bei Sonnenaufgang ist das Dorf schon auf den Beinen. Kleine Kinder mit nichts weiter am Leib als Perlengürtel und Perlenhalsketten spielen in der kühlen Morgenluft. Ihr Lachen ist Musik in den Ohren der Massai und beruhigt sie, denn sie lieben ihre Kinder von Herzen, und ihre Zukunft, ja sogar das nackte Überleben liegt in den Händen der Nachkommen.

Kindererziehung ist Gemeinschaftsarbeit — jede ältere Person in der Gemeinschaft darf ein ungehorsames Kind zurechtweisen und bestrafen. Kindern wird Respekt vor Älteren beigebracht, und sie fügen sich schnell in das Familienleben der Massai ein. Kleine Kinder leben völlig unbeschwert. Wenn sie älter werden, weist man die Mädchen in die Haushaltsangelegenheiten ein und die Jungen lernen, wie man sich um das Vieh kümmert und es schützt. Eltern geben ihr Wissen über Volksmedizin an ihre Kinder weiter und lehren sie die Rituale und Traditionen der Massai, die jeden Lebensbereich berühren.

Der Eintritt ins Erwachsenenalter

Jugendliche werden nach und nach mit den Bräuchen und Zeremonien vertraut gemacht, die ihren Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenalter kennzeichnen. Dazu gehören Rituale in Verbindung mit Krankheiten, Unglück, Heirat und Tod. Die Massai glauben, dass sie verflucht werden, wenn sie diese Zeremonien nicht vollziehen.

Massai-Eltern arrangieren die Heirat ihrer Tochter womöglich schon, wenn sie noch ein Kleinkind ist. Sie wird einem Mann versprochen, der genügend Rinder besitzt, um den vom Vater festgelegten Brautpreis zu bezahlen. Oft ist dieser Mann viel älter als sie und sie wird ihren Platz neben den anderen Frauen seines Haushalts einnehmen.

Jungen, die in der Massai-Gemeinschaft aufwachsen, schließen sich anderen jungen Männern ihres Jahrgangs ganz eng an. Das besondere Verhältnis, das die Gleichaltrigen zueinander haben, kann ein Leben lang bestehen. Gemeinsam werden sie ihre Wandlung von unerfahrenen Jungen zu Kriegern erleben. Als Krieger übernehmen sie die Verantwortung, die Heimstätte zu bewachen, der Gemeinschaft die Wasserquellen zu erhalten und das Vieh vor wilden Tieren und Dieben zu schützen. Massai-Krieger sind für ihren Mut und ihre Tapferkeit bekannt und es ist typisch für sie, dass man sie nie ohne ihren spitzen Speer sieht.

Wenn die Krieger rund 30 Jahre alt sind, wird der letzte Schritt in ihrem Übergang zum Erwachsenen vollzogen. In einer spannungsgeladenen Zeremonie werden sie in den Erwachsenenstand aufgenommen; nun ist es ihnen erlaubt, zu heiraten. In diesem respektierten Stand konzentrieren sie sich darauf, eine Braut zu nehmen und die Rinderherde zu vergrößern; auch erwartet man von ihnen, dass sie Rat geben und Streit schlichten.

Ihre Zukunft?

Die einzigartigen Bräuche und die Kultur der Massai schwinden heute schnell dahin. In manchen Gegenden können sie nicht mehr frei mit ihren Rindern umherziehen und neues Weideland suchen. Weite Landstreifen, die traditionell ihr Heimatland waren, werden in Naturreservate umgewandelt oder zu Wohngebieten und landwirtschaftlich genutzten Gebieten umfunktioniert, um die wachsende Bevölkerung unterzubringen. Dürre und wirtschaftliche Not zwingt viele Massai dazu, ihre geliebten Rinder zu verkaufen, um zu überleben. Wenn sie in große Städte ziehen, stoßen sie auf die gleichen Probleme, die die übrige moderne Welt um sie herum plagen.

Jehovas Zeugen besuchen auch die Massai-Gemeinschaften Ostafrikas. Über 6 000 Exemplare der Broschüre Für immer auf der Erde leben! sind in der Sprache der Massai gedruckt worden. So wird ihnen geholfen, den Unterschied zwischen unbegründetem Aberglauben und der biblischen Wahrheit zu erkennen. Es rührt wirklich das Herz, dass der Schöpfer, Jehova Gott, diesem einzigartigen und farbenfrohen Volk die Gelegenheit gibt, zu den vielen „Nationen und Stämmen und Völkern und Zungen“ zu gehören, die die Vernichtung des gegenwärtigen unruhevollen Systems der Dinge überleben werden (Offenbarung 7:9).

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Traditionelle Massai-Hütte

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Massai versammeln sich zum Tanz

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Zwei Massai — Zeugen Jehovas