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Wenn es am Mittag dunkel wird

Wenn es am Mittag dunkel wird

Wenn es am Mittag dunkel wird

VON ERWACHET!-MITARBEITERN IN ANGOLA UND SAMBIA

„WAS? Am Mittag soll es dunkel werden? Das gibt’s nicht!“, sagen wir vielleicht. Doch, das gibt es, es kommt sogar alle zehn Jahre mehrmals vor — bei jeder totalen Sonnenfinsternis. Wie kommt es eigentlich zu einer Sonnenfinsternis, und warum ist sie für uns ein so beeindruckender Anblick? Um diese Fragen zu beantworten, muss man erst etwas über den Mond wissen.

Sind wir damit vertraut, wie sich das Aussehen des Mondes verändert, während er die Erde umkreist? Wenn sich Sonne und Mond genau gegenüberstehen, dann sehen wir den Vollmond; er geht im Osten auf, wenn die Sonne im Westen untergeht. Mit jedem Tag geht der Mond nachts später auf und wandert allmählich am Himmel der aufgehenden Sonne entgegen. Der erleuchtete Teil des Mondes wird immer schmaler, und schließlich ist nur noch eine Sichel zu sehen. Wenn Sonne und Mond den ganzen Tag zusammen am Himmel stehen, verschwindet auch diese Sichel noch. Der Mond ist jetzt praktisch unsichtbar, denn seine dunkle Seite ist der Erde zugewandt. Wir haben Neumond. Anschließend kehrt sich dieser Vorgang um; der Mond entfernt sich von der Sonne und wird langsam wieder zum Vollmond. Dieser Zyklus wiederholt sich ungefähr alle 28 Tage.

Bei einer Sonnenfinsternis spielt der Neumond eine Schlüsselrolle. Normalerweise zieht er bei Tageslicht einfach an der Sonne vorüber, ohne dass wir es merken, weil die Umlaufbahnen nicht auf derselben Ebene liegen. Gelegentlich stehen jedoch Sonne, Mond und Erde genau auf einer Geraden, sodass der Mondschatten quer über die Erdoberfläche wandert und dort eine Sonnenfinsternis verursacht.

Sonnenfinsternisse sind die Folge einer einzigartigen Konstellation von Sonne, Mond und Erde. Die Sonne ist riesig groß. Sie hat ungefähr den 400fachen Durchmesser des Mondes. Bemerkenswerterweise ist die Entfernung von der Erde bis zur Sonne rund 400-mal weiter als bis zum Mond. Infolgedessen erscheinen uns Sonne und Mond von der Erde aus nahezu gleich groß. Mitunter kann es also vorkommen, dass der Mond die Sonne vollständig verdeckt.

Bei einer solchen totalen Sonnenfinsternis müssen nicht nur Sonne, Mond und Erde genau auf einer Linie liegen, sondern der Mond muss sich gleichzeitig auf dem erdnahen Teil seiner Umlaufbahn bewegen. * Wenn das zutrifft, dann taucht die Spitze des kegelförmigen Mondschattens einen schmalen Streifen auf der Erdoberfläche in Finsternis.

Bei der totalen Sonnenfinsternis am 21. Juni 2001 sollte der Schatten voraussichtlich ganze 200 Kilometer breit sein. Seine Bahn sollte bei Sonnenaufgang vor der Ostküste Südamerikas beginnen und sich dann über den Südatlantik ziehen, wo die maximale Dauer von fast fünf Minuten erreicht werden würde. Anschließend sollte der Schatten durch Angola, Sambia, Simbabwe und Mosambik weiterziehen und bei Sonnenuntergang vor der Ostküste Madagaskars seinen Lauf beenden. Wir wollen sehen, wie sich Beobachtern in Angola und Sambia dieses Schauspiel am Himmel präsentierte.

Vorbereitungen für den großen Moment

Mit hohen Erwartungen strömten Wissenschaftler, Hobbyastronomen und viele andere nach Afrika, um die erste totale Sonnenfinsternis im neuen Millennium mitzuerleben. Da Lusaka (Sambia) als einzige Hauptstadt im Kernschatten liegen würde, machten sich viele Beobachter auf den Weg dorthin.

Wohl nie zuvor hatte Sambia mit einer solchen Touristenattraktion aufwarten können. In den paar Tagen vor der Sonnenfinsternis überschwemmten Tausende von Schaulustigen die Stadt Lusaka. Schon Monate vorher hatte man mit den Vorbereitungen für das Ereignis begonnen. Hotels, Herbergen, Campingplätze und Privatwohnungen waren mit Massen von Besuchern voll belegt.

Zu den öffentlichen Aussichtspunkten gehörte der Flughafen von Lusaka, wo Besucher morgens landen, dann den großen Moment miterleben und abends wieder zurückfliegen konnten. Wochenlang im Voraus kündigten Radio- und Fernsehsender das bevorstehende Schauspiel an und warnten wiederholt davor, wie gefährlich es sei, mit bloßem Auge in die Sonne zu schauen. Spezielle Sonnenbrillen fanden reißenden Absatz und waren in vielen Geschäften ausverkauft.

Der erste Ort, an dem der Schatten den afrikanischen Kontinent berühren würde, war jedoch die angolanische Küstenstadt Sumbe. Hier würde sich die Sonne für Beobachter auf dem Festland am längsten total verfinstern — viereinhalb Minuten lang.

In Angolas Hauptstadt Luanda und in anderen größeren Städten wurde die Sonnenfinsternis schon Monate vorher auf Plakaten angekündigt, und es wurde vor den Gefahren gewarnt. Der Mondschatten würde mitten durch das Land wandern, und so wäre in ganz Angola zumindest eine deutliche partielle Sonnenfinsternis zu sehen. In Luanda würden 96 Prozent der Sonnenscheibe verdeckt sein. In Zusammenarbeit mit Privatfirmen importierte die Regierung Millionen spezieller Sonnenbrillen. Viele wurden kostenlos an Bedürftige abgegeben.

Am turbulentesten ging es während der Sonnenfinsternis in Angola in der Stadt Sumbe zu, die in einer schmalen, wunderschönen Küstenebene zwischen dem Südatlantik und dem zentralen Hochland von Angola liegt. Sumbe und sein Umland ist von den schlimmsten Auseinandersetzungen, die Angola verwüsteten, verschont geblieben. Folglich findet der Besucher eine intakte Stadt mit ungefähr 25 000 herzlichen, freundlichen und kontaktfreudigen Einwohnern vor. Um all die Besucher unterzubringen und zu versorgen, wurden zusätzliche Touristeneinrichtungen geschaffen, und die örtliche Stromversorgung wurde verbessert. Für Wissenschaftler, Minister und Entwicklungshelfer aus Angola und anderen Ländern veranstaltete man eigens einen Workshop zum Thema Sonnenfinsternis. Am Strand wurde eine große Bühne aufgebaut, auf der ein Unterhaltungsprogramm präsentiert werden sollte, wie es Sumbe noch nie erlebt hatte.

Der große Tag ist da

Angola hatte als Beobachtungsort unter anderem den Vorteil, dass es dort im Juni sehr trocken ist. Man stelle sich die Enttäuschung vor, als am Tag vor der Finsternis am Himmel über Sumbe Wolken aufzogen! Den ganzen Abend und die Nacht hindurch bis zum nächsten Vormittag hing eine dichte Wolkendecke über der Stadt. Wären damit alle Hoffnungen, die Sonnenfinsternis zu sehen, völlig dahin? Am Vormittag verzog sich die Bewölkung allmählich und gegen Mittag war der Himmel blau und wolkenlos. Was für eine Erleichterung! Auch in Sambia kamen Bedenken auf, als sich im Licht der Morgendämmerung ein verhangener Himmel zeigte. Doch auch hier klarte es gerade rechtzeitig wieder auf. Lassen wir einige Augenzeugen berichten, was sich im Einzelnen abspielte.

Angola: „Wir hatten uns eine erhöhte Stelle mit Blick aufs Meer ausgesucht, um die Sonnenfinsternis zu beobachten. Als die Stunde näher rückte, versammelten sich Scharen von Menschen am Strand vor der Stadt und in den Bereichen, die eigens für Beobachter vorgesehen waren. Am Mittag, als die Sonnenfinsternis unmittelbar bevorstand, setzten viele ihre Schutzbrille auf und schauten zum Himmel, um zu sehen, wie der Mond die Sonnenscheibe ‚anknabbern‘ würde. Kurz nach 12 Uhr war es so weit. Durch das Fernglas oder das Fernrohr waren dunkle Stellen auf der Sonnenoberfläche zu erkennen — die Sonnenflecken. Man sah sie einen nach dem anderen im Schatten verschwinden. Während sich der Mond weiter vor die Sonne schob, wurde es merklich kühler, und das Licht nahm eine unheimliche Farbe an. Schließlich verschwand auch noch der letzte Rest der Sonnensichel hinter dem wandernden Mondschatten, und es wurde dunkel.“

Sambia: „Makeni (Lusaka), wo sich das sambische Zweigbüro der Zeugen Jehovas befindet, war ein nahezu idealer Ort, um die totale Sonnenfinsternis zu beobachten. Um 15.07 Uhr begann der Mond die Sonne zu verfinstern. Schattenstreifen huschten um das Mauerwerk der Häuser; es sah aus, als würde sich das Licht kräuseln. Der Wind legte sich, die Vögel verstummten. Die Tierwelt machte sich für die Nachtruhe bereit. Um 15.09 Uhr, einige Sekunden vor der Totalität, waren von der verschwindenden Sonnenscheibe nur noch einige wenige glitzernde Lichtpunkte da, dann nur noch ein einziger. Diese Erscheinungen werden Perlschnur beziehungsweise Diamantring genannt. * Als Nächstes konnte man die Chromosphäre rosarot aufleuchten sehen, dann trat die Totalität ein und die Dunkelheit!“

Angola: „Beim Anblick des hell strahlenden Diamantrings schrien die Leute auf und hielten den Atem an. Um 13.48 Uhr Ortszeit setzte die Totalität ein. Unterschiedliche Reaktionen folgten. Die einen machten eifrig Fotos. Von anderen kam es wie aus einem Mund: ‚Achtung! Schau! Jetzt!‘ Wieder andere pfiffen oder riefen vor Erstaunen, als es am Mittag plötzlich dunkel wurde. Von der Millionen Grad heißen Sonnenatmosphäre sah man Strahlen ausgehen, die die Korona bildeten. Rund um den dunklen Umriss des Mondes konnten wir Bogen flammenden Gases erkennen. Plötzlich — als hätte man an der Uhr gedreht — war die Totalität vorbei, und an der anderen Seite des Schattens blitzte ein Sonnenstrahl auf.

Als die Sonnenscheibe wieder hervorguckte und langsam ihr vertrautes Rund annahm, tauchten auch die Sonnenflecken aus dem Dunkel auf — einer nach dem anderen, genau so, wie sie der Mond vorher verschlungen hatte.“

Sambia: „Die totale Sonnenfinsternis dauerte hier 3 Minuten und 14 Sekunden, lange genug, um das beeindruckende Ereignis auf sich wirken zu lassen. Es war dunkel, doch der Horizont glühte wie in der Dämmerung. Der Himmel war noch blau, enthüllte aber schon Planeten, die sonst bei Sonnenlicht unsichtbar sind — Jupiter und Saturn zum Beispiel waren klar erkennbare Lichtpunkte. Der spektakulärste Anblick während der Sonnenfinsternis war wahrscheinlich die Sonnenkorona. Sie umstrahlte in glühendem Weißrosa die schwarze Mondscheibe. Faszinierte Beobachter beschrieben es mit den Worten: ‚Einfach wundervoll, herrlich!‘ Langsam wanderte die Mondscheibe zur Seite und gab immer mehr von der Sonnenoberfläche frei, sodass die Sonnenstrahlen die Erde ungehindert überfluten konnten. Um 16.28 Uhr war die Sonnenfinsternis vorbei!“

Aus der Sonnenfinsternis lernen

Als alles vorüber war, brachten viele zum Ausdruck, wie sehr dieses Erlebnis sie innerlich aufgewühlt hatte. Eine Frau in Angola sagte, sie sei den Tränen nahe gewesen. Jemand anders dachte darüber nach, was für ein schönes Geschenk Gott den Menschen doch gemacht hat. Wieder ein anderer bemerkte, es könne nur ein liebevoller Schöpfer sein, der ein solches Schauspiel inszeniert, damit die Menschen die unglaubliche Schönheit der Energiequelle der Erde schätzen könnten.

In Afrika haben offensichtlich viele Menschen große Achtung vor dem Schöpfer und der Bibel. Als sich Jehovas Zeugen in Sumbe mit anderen über die Sonnenfinsternis unterhielten und ihnen erzählten, dass diese nur eines der wunderbaren Werke Jehovas, unseres Schöpfers, sei, gingen die Bewohner mit großem Interesse auf das Thema ein. Viele nahmen begeistert eine neuere Ausgabe der Zeitschrift Der Wachtturm entgegen, in der von den erwähnten wunderbaren Werken die Rede war.

Durch dieses Himmelsphänomen konnten Millionen Menschen ihre Probleme wenigstens ein paar Minuten lang vergessen und sich auf etwas wirklich Erhebendes und Ehrfurchtgebietendes konzentrieren. Nachdem sie an der Sonne herrliche Abläufe gesehen hatten, die dem Auge sonst verborgen bleiben, dachten manche über die unsichtbare, aber noch weit wunderbarere Herrlichkeit des Schöpfers all dieser Dinge nach, über Jehova Gott.

[Fußnoten]

^ Abs. 7 Da die Umlaufbahnen des Mondes und der Erde elliptisch sind, scheint die Größe der Sonne und des Mondes je nach Position auf der Umlaufbahn leicht zu variieren. Wenn der Mond auf seiner Umlaufbahn am weitesten von der Erde entfernt ist, reicht sein Kernschatten nicht ganz bis auf die Erdoberfläche. In diesem Fall erleben Beobachter im Bereich des Schattens eine ringförmige Sonnenfinsternis, bei der die Sonne als strahlender Ring um einen dunklen Schatten sichtbar ist.

^ Abs. 19 Der Effekt des Perlschnurphänomens entsteht, wenn das Sonnenlicht kurz vor der Totalität durch die Mondtäler scheint. Das Wort „Diamantring“ beschreibt das Aussehen der Sonne kurz vor der Totalität. Dann ist nur noch ein winziger Teil der Sonne sichtbar, der aussieht wie ein strahlender Ring, der an einer Stelle besonders hell funkelt — wie ein Diamantring.

[Diagramm auf Seite 21]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

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Sonne → Mond ⇨ Schatten ⇨ Erde

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[Bildnachweis]

© 1998 Visual Language

[Bilder auf Seite 23]

Perlschnur

Totalität

Diamantring

[Bildnachweis]

Mit frdl. Gen.: Juan Carlos Casado, www.skylook.net

[Bild auf Seite 23]

Beobachter der Sonnenfinsternis in Lusaka (Sambia)