Ein Elternteil, viele Herausforderungen
Ein Elternteil, viele Herausforderungen
„Gefühlsmäßig geht es in mir oft drunter und drüber. Ich sitze nächtelang im Bad und heule. Es ist schon irgendwie hart“ (JANET, ALLEIN ERZIEHENDE MUTTER VON DREI KINDERN).
ES GIBT viele Gründe, weshalb ein Elternteil plötzlich mit den Kindern allein dasteht. Eine Familie kann durch eine Naturkatastrophe, durch Krieg oder Krankheit den Vater beziehungsweise die Mutter verlieren.
In anderen Fällen haben Paare Kinder miteinander, heiraten aber nicht. So wird beispielsweise in Schweden fast die Hälfte aller Kinder außerehelich geboren. Des Weiteren sind Scheidungen dafür verantwortlich, dass Kinder ohne den Vater oder die Mutter aufwachsen. Wie Forschungsergebnisse zeigen, wird über die Hälfte der amerikanischen Kinder zumindest einen Teil ihrer Kindheit mit nur einem Elternteil verbringen.
Die Probleme verstehen
Eine ganz besondere Last liegt auf Müttern, die erst kurz verwitwet sind. Obwohl sie noch um ihren Mann trauern, müssen sie sich um den gesamten Haushalt kümmern. Bis sie mit dieser Situation zurechtkommen, können Monate, ja sogar Jahre vergehen, in denen sie zudem mit finanziellen Herausforderungen zu kämpfen haben und die Kinder trösten müssen. Da kann es einer verwitweten Mutter schon außerordentlich schwer fallen, allen Verpflichtungen nachzukommen. Und den Kindern fehlt die nötige elterliche Fürsorge womöglich gerade dann, wenn sie Zuwendung und Zuspruch besonders dringend brauchen.
Allein erziehende Mütter, die den Vater ihres Kindes nicht geheiratet haben, sind oft sehr jung und unerfahren. Vielleicht konnten sie nicht einmal einen Schulabschluss machen. Ohne ausreichende berufliche Qualifikation sind sie wahrscheinlich weniger bemittelt und bekommen nur schlecht bezahlte Arbeitsplätze. Wenn Eltern oder andere Verwandte nicht einspringen, müssen sich diese Mütter auch noch darum kümmern, dass ihr Kind tagsüber entsprechend versorgt und beaufsichtigt wird. Ferner steht eine unverheiratete Mutter vielleicht emotional unter Druck, etwa weil sie sich schämt oder einsam ist. Einige fürchten, mit Kind keinen passenden Ehepartner mehr zu finden. Kindern, die in solchen Verhältnissen aufwachsen, machen womöglich ungeklärte Fragen über ihre Vergangenheit zu schaffen oder das Bedürfnis, von dem anderen Elternteil akzeptiert zu werden.
In ähnlicher Weise stellen Scheidungen für Eltern eine enorme Belastung dar. Nach der Scheidung sind die Eltern vielleicht sehr aufgebracht. Auch kann es sein, dass sie sich minderwertig oder ganz und gar verstoßen vorkommen, weshalb sie außerstande sind, auf die Gefühle der Kinder einzugehen. Mütter, die zum ersten Mal eine Arbeitsstelle annehmen müssen, haben oft Mühe, daneben auch noch den Haushalt zu schaffen. Da kann schon das Gefühl aufkommen, weder genug Zeit noch genug Kraft für die besonderen Bedürfnisse der
Kinder zu haben, die nach der Scheidung der Eltern ja selbst erst mit den gewaltigen Veränderungen fertig werden müssen.Besondere Herausforderungen geschiedener Eltern
Allein erziehende Eltern wissen, dass jedes Kind seine ganz persönlichen Bedürfnisse hat und sich diese ständig verändern. Alleinerziehende, die geschieden sind, haben es unter Umständen extrem schwer, angemessene Gelegenheiten zu schaffen, ihre Kinder im Glauben anzuleiten.
Manchen geschiedenen Zeugen Jehovas wurde zum Beispiel das alleinige Sorgerecht für ihre Kinder nicht zugesprochen. Doch sie haben sich bemüht, ihre Umgangszeiten so zu legen, dass sie mit den Kindern auch eine christliche Zusammenkunft besuchen können. Durch so vereinbarte Besuchszeiten könnten die Kinder regelmäßig mit der Christenversammlung Kontakt haben, was Scheidungskindern sehr zugute kommt.
Haben geschiedene Elternteile wenig Gelegenheit, ihre Kinder regelmäßig zu sehen, dann müssen sie Wege finden, um ihnen zu zeigen, dass sie sie von Herzen lieben. Eine gute Erziehung verlangt ein Gespür für die wechselnden emotionalen Bedürfnisse des Kindes. Das ist besonders nötig, wenn das Kind im Jugendalter ist und sein Interesse an Geselligkeiten und Freunden wächst.
Gute Eltern kennen auch die Fähigkeiten, die Persönlichkeit und die Denkweise ihres Kindes (1. Mose 33:13). Wenn sie mit ihm zusammen sind und sich unterhalten, herrscht ein enges, vertrautes Verhältnis und jeder ist offen für den anderen. Das Kind nimmt am Leben des Erwachsenen Anteil und umgekehrt.
Vernünftig sein
Nach einer Scheidung ist es gut, wenn Kinder mit beiden Eltern regelmäßigen Kontakt pflegen. Angenommen, die Eltern haben nicht denselben Glauben; ein Elternteil ist Zeuge Jehovas, der andere nicht. Hier hilft regelmäßige, offene Kommunikation unnötige Konflikte zu vermeiden. „Steht in dem Ruf, vernünftig zu sein“, schrieb der Apostel Paulus (Philipper 4:5, Phillips). Kinder sollten respektieren lernen, dass beide Eltern das Recht haben, ihren Glauben auszuüben.
Der Elternteil, der kein Zeuge Jehovas ist, besteht vielleicht darauf, dass das Kind die Gottesdienste in seiner Kirche besucht. Was kann der andere, der ein Zeuge Jehova ist, dann tun? Auch er kann mit dem Kind über seine religiöse Überzeugung sprechen. Mit der Zeit kann das Kind dann selbst über seinen Glauben entscheiden wie der junge Timotheus, der wahrscheinlich von seiner Mutter und seiner Großmutter über biblische Grundsätze belehrt wurde (2. Timotheus 3:14, 15). Wenn es dem Kind unangenehm ist, die Gottesdienste einer anderen Glaubensgemeinschaft zu besuchen, könnte es sich mit dem biblischen Bericht über Naaman befassen. Nachdem dieser Mann die wahre Anbetung aufgenommen hatte, erfüllte er weiterhin seine Pflichten, indem er den König begleitete, der im Haus Rimmons anbetete. Dieser Bericht wird dem Kind wahrscheinlich die Gewissheit geben, dass Jehova es liebt und versteht, obwohl es bei religiösen Zeremonien anwesend ist, die ihm ungewohnt sind (2. Könige 5:17-19).
Gute Eltern sind auch in der Lage, das kindliche Denken zu formen und die Gefühle der Kinder zu verstehen (5. Mose 6:7). Es kann durchaus sein, dass Alleinerziehenden, die nie geheiratet haben, ihre frühere Lebensweise heute peinlich ist. Allerdings sollten sie immer daran denken, dass jedes Kind zwei leibliche Eltern hat. Kinder wollen etwas über beide Eltern wissen und müssen das Gefühl haben, geliebt zu werden anstatt nur ein peinlicher Ausrutscher zu sein. Der allein erziehende Elternteil kann dem Kind Liebe und Geborgenheit geben, indem er von dem anderen respektvoll spricht und die Fragen des Kindes dem Alter entsprechend und mit der nötigen Ausführlichkeit beantwortet.
Eltern sollten bedenken, dass die ersten Eindrücke, die ein Kind von Liebe, Autorität und Macht gewinnt, im Eltern-Kind-Verhältnis entstehen. Üben christliche Eltern ihre Autorität und Macht auf liebevolle Weise aus, können sie viel dazu beitragen, dass ihr Kind später ein liebevolles Verhältnis zu Jehova hat und die Vorkehrungen in der Versammlung respektiert (1. Mose 18:19).
Der wichtige Beitrag der Kinder
Kinder in Einelternfamilien müssen verstehen, dass auch ihre Unterstützung für das Familienglück entscheidend ist (Epheser 6:1-3). Ihr Gehorsam gegenüber der Autorität des allein erziehenden Elternteils zeigt, dass sie ihn lieben und seine zusätzlichen Bemühungen um ein sicheres und glückliches Zuhause anerkennen. Da Kommunikation keine Einbahnstraße ist, sollten Kinder, die von nur einem Elternteil erzogen werden, sein Streben nach guter Kommunikation in der Familie gern unterstützen (Sprüche 1:8; 4:1-4).
Solche Kinder müssen oft schon eher Verantwortung übernehmen als Kinder, die unter der Obhut beider Eltern aufwachsen. Mit geduldiger und liebevoller Unterweisung lernen Jungen und Mädchen schon in frühen Jahren, was sie für ihr späteres Leben brauchen, und das steigert ihr Selbstbewusstsein und ihr Selbstwertgefühl. Wahrscheinlich werden den Kindern auch Arbeiten im Haushalt übertragen; dadurch können sie zur Ordnung im Haus beitragen.
Das heißt allerdings nicht, dass allein erziehende Eltern das Ziel haben, aus ihren Kindern kleine, unabhängige Erwachsene zu machen, die keine Anleitung mehr von ihren Eltern brauchen. Auch ist es bestimmt äußerst unvernünftig, ein kleines Kind ganz allein zu lassen oder es unbeaufsichtigt zu lassen.
Allein erziehende Eltern denken oft irrtümlicherweise, sie müssten die dicken Freunde oder Kumpel ihrer Kinder sein. Ein enges Verhältnis ist schon wichtig, doch sollten Alleinerziehende im Sinn behalten, dass Kinder einen Vater beziehungsweise eine Mutter brauchen und noch nicht die emotionale Reife besitzen, um als Vertrauenspersonen von Erwachsenen herzuhalten oder diesen gleichgestellt zu werden. Für Kinder ist es wichtig, dass sich Eltern auch wie Eltern verhalten.
Wenn allein erziehende Eltern und ihre Kinder ein liebevolles Verhältnis zueinander haben und zusammenarbeiten, können sie gemeinsam eine glückliche Familie aufbauen. Da immer mehr Kinder mit nur einem Elternteil aufwachsen, sollte jeder wissen, welchen besonderen Herausforderungen allein erziehende Eltern und ihre Kinder gegenüberstehen, und bereitwillig liebevolle Ermunterung und Hilfe anbieten.
[Kasten/Bild auf Seite 9]
Auswirkungen auf die Kinder
Alleinerziehende können sich im Allgemeinen wahrscheinlich weniger mit jedem einzelnen ihrer Kinder beschäftigen, als es bei zwei Elternteilen der Fall ist. Mitunter leben sie mit einem Partner zusammen, mit dem sie nicht verheiratet sind. Ein Zusammenleben ohne Trauschein ist allerdings nicht so stabil wie eine Ehe. Kinder in solchen Familien wachsen häufiger mit wechselnden erwachsenen Bezugspersonen auf.
Wie Untersuchungen ergaben, „führen Kinder aus Einelternfamilien im Durchschnitt wahrscheinlich eher ein ungesünderes Leben als Kinder aus intakten Familien“. Bei genauerer Betrachtung der Untersuchungen zeigt sich allerdings, dass mangelndes Einkommen der „wichtigste ausschlaggebende Einzelfaktor für die Unterschiede zwischen Kindern aus verschiedenen Familienformen“ sein könnte. Aber deswegen müssen Kinder von Alleinerziehenden nicht zwangsläufig die Verlierer sein. Bei richtiger Anleitung und Schulung können sie mit nachteiligen Einflüssen fertig werden.