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Zeppeline — Atemberaubende Giganten der Lüfte

Zeppeline — Atemberaubende Giganten der Lüfte

Zeppeline — Atemberaubende Giganten der Lüfte

„MEIN Vater war mit Leib und Seele Funker an Bord eines Zeppelins!“ Das erzählte Ingeborg Waldorf in einem Interview mit Erwachet!. Tatsächlich war man im frühen 20. Jahrhundert allseits voller Bewunderung für diese gigantischen Luftschiffe. Ganz gleich, wo sie auftauchten, erregten sie großes Aufsehen.

Das frühe 20. Jahrhundert war die große Zeit der Luftschiffe. Durch spektakuläre Leistungen, zunichte gemacht durch ebenso spektakuläre Katastrophen, standen sie im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Mit dem Absturz des Hindenburg 1937 in Lakehurst (New Jersey, USA) ging die Ära der Luftschiffe abrupt zu Ende — eine Ära, deren Geschichte gleichwohl fasziniert.

Vom Heißluftballon zum Luftschiff

Jahrhundertelang haben Erfinder versucht, Menschen das Fliegen zu ermöglichen. Die Beobachtung, dass Rauch in der Luft aufsteigt, brachte im 18. Jahrhundert das französische Brüderpaar Michel Joseph und Étienne Jacques de Montgolfier auf den Gedanken, man könne dies vielleicht nutzen, um Menschen das Fliegen zu ermöglichen. Daher konstruierten sie eine riesige, mit Papier gefütterte Hülle aus Leinwand und hielten diese über ein qualmendes Feuer. Schaulustige, die sich im Juni 1783 zu dem Experiment versammelt hatten, trauten ihren Augen nicht, als sich die Hülle in die Luft erhob — der erste Aufstieg eines Heißluftballons. Fünf Monate später folgte der erste bemannte freie Flug mit einem Ballon der Brüder Montgolfier.

Ballons hatten allerdings den Nachteil, dass sie mit dem Wind dahintrieben und nicht in eine bestimmte Richtung gelenkt werden konnten. Was fehlte, war ein Vortrieb, der den Ballon lenkbar machte. Dem Franzosen Henri Giffard gelang es als Erstem, Auftrieb und Vortrieb zu kombinieren; er lenkte 1852 ein Luftschiff, das von einer Dampfmaschine angetrieben wurde. Statt heißer Luft verwendete Giffard für den Auftrieb Wasserstoff, der leichter ist als Luft. Da Giffards Gefährt lenkbar war, nannte man es dirigible, abgeleitet von dem lateinischen Wort dirigere, lenken.

Gut ein Jahrzehnt später befand sich ein deutscher Offizier als Beobachter des Bürgerkriegs in Nordamerika, wo beide Seiten Ballons zum Ausspähen feindlicher Stellungen verwendeten. Seine erste Ballonfahrt hoch über dem Mississippi hinterließ bei dem Offizier einen tiefen Eindruck, und im Lauf der Zeit wurde sein Name zum Synonym für Luftschiffe: Ferdinand Graf von Zeppelin.

Graf Zeppelins riesige Luftschiffe

Den Entwurf eines auf einer Aluminiumkonstruktion basierenden Luftschiffs soll Graf Zeppelin nach einigen Quellen von einem Erfinder namens David Schwarz übernommen haben. Zeppelin war fasziniert von dem Konzept eines Luftfahrzeugs, das groß genug sein würde, zahlreiche Passagiere oder schwere Nutzlasten zu transportieren. Einzigartig an den von ihm gebauten Luftschiffen waren die riesigen Ausmaße und die zigarrenähnliche Form. Die Zeppeline bestanden aus einem Innengerüst aus Leichtmetall, überzogen mit einem Textilgewebe. * In oder unter dem Gerüst war eine Gondel angebracht, in der sich die Besatzung aufhielt. Passagiere wurden entweder in der Gondel oder im Rumpf des Luftschiffes untergebracht. Den Auftrieb erzeugte Wasserstoff, mit dem die Gaszellen im Innern des Gerüsts befüllt waren. Unter dem Gerüst befestigte Motoren trieben das Luftschiff an. Seiner Experimente mit Luftfahrzeugen wegen galt Zeppelin bei seinen Zeitgenossen als „verrückter Graf“. Aber er sollte sich durchsetzen.

Nachdem Graf Zeppelin aus dem Militärdienst ausgeschieden war, konzentrierte er sich ganz darauf, Luftschiffe zu entwerfen und zu bauen. Im Juli 1900 fand unweit von Friedrichshafen die Jungfernfahrt seines ersten Zeppelins statt. Tausende von Zuschauern beobachteten vom Bodenseeufer aus, wie das 128 Meter lange zylinderförmige Gefährt 18 Minuten lang über dem Wasser schwebend dahinfuhr. Im Lauf der Zeit wurde die Luftschiffbau Zeppelin G.m.b.H. gegründet und ein Luftschiff nach dem anderen gebaut. Zeppelin war nicht mehr der „verrückte Graf“; er war zur Weltberühmtheit geworden. Der Kaiser sagte über ihn, er sei „der größte Deutsche des Jahrhunderts“.

Erster Passagierflugdienst der Welt

Graf Zeppelin sah in seinen riesigen Luftschiffen ein Mittel, eine Art deutsche Luftherrschaft zu etablieren. Im Ersten Weltkrieg setzten die deutschen Streitkräfte Zeppeline zur Aufklärung hinter feindlichen Linien und sogar zum Abwurf von Bomben ein. Tatsächlich ging der verheerendste Luftangriff jenes Krieges von einem über London fliegenden Zeppelin aus.

Gleichwohl erkannten manche, die sich für die zivile Luftfahrt begeisterten, welche Möglichkeiten der Zeppelin für einen Passagierflugdienst eröffnete. Daher wurde 1909 die Deutsche Luftschiffahrts-Aktien-Gesellschaft gegründet — der erste Passagierflugdienst der Welt. Im Lauf der Jahre wurde dieser Dienst auch über die Grenzen Europas hinaus ausgedehnt. Die Zeppeline Graf Zeppelin und Hindenburg verkehrten zwischen Deutschland und Rio de Janeiro sowie Lakehurst (New Jersey, USA).

Bald wurden auch die Vereinigten Staaten von der Luftschiffbegeisterung erfasst. Als 1928 der Graf Zeppelin nach seiner ersten trotz einer Beschädigung geglückten Atlantiküberquerung von Friedrichshafen zur Ostküste der USA über das Weiße Haus hinwegschwebte, eilte Präsident Coolidge ins Freie, um den vorbeiziehenden Giganten zu bestaunen. In New York kannte der Jubel keine Grenzen; die Stadt bescherte der Mannschaft eine begeisterte Konfettiparade.

Eine Fahrt an Bord des Hindenburg

In einem Luftschiff zu reisen, war etwas ganz anderes als ein Flug in einem heutigen Jetliner. Stellen wir uns vor, wir besteigen den Hindenburg — dreimal so lang wie ein Jumbojet und so hoch wie ein dreizehnstöckiges Gebäude. Uns wird kein Sitzplatz zugewiesen, sondern eine Kabine mit einem Bett und einem Waschbecken. Beim Start brauchen wir keinen Gurt anzulegen. Wir können je nach Belieben in unserer Kabine bleiben, uns im Gesellschaftsraum aufhalten oder auf der Promenade aus den Fenstern schauen, die sich sogar öffnen lassen. Alle diese Einrichtungen für die Passagiere befanden sich im Rumpf des riesigen Luftschiffes.

Wie in dem Buch Luftschiff Hindenburg und die große Zeit der Zeppeline ausgeführt wird, konnten die fünfzig Passagiere ihre Mahlzeiten im Speisesaal an weiß gedeckten Tischen einnehmen, die mit geschmackvollem Silber und feinem Porzellan dekoriert waren. In der mit einem Elektroherd, Back- und Grillherd, einer Eismaschine und einem Kühlschrank ausgestatteten Küche wurden während einer Atlantiküberquerung durchschnittlich 440 Pfund frisches Fleisch und Geflügel, 800 Eier und 220 Pfund Butter verarbeitet. Im Gesellschaftsraum, wo eine Stewardess die Gäste betreute, stand sogar ein kleiner Flügel.

Der Hindenburg war nicht auf Geschwindigkeit ausgelegt, sondern auf Komfort. Er reiste mit durchschnittlich 130 Kilometern pro Stunde meist in einer Höhe von 200 Metern und benötigte für seine schnellste Atlantiküberquerung 1936 knapp 43 Stunden. In aller Regel glitt der Zeppelin ruhig dahin. Einmal bestieg in Lakehurst eine Passagierin das Luftschiff, die so müde war, dass sie sich sofort in ihre Kabine begab und zu Bett ging. Später rief sie einen Steward und wollte wissen, wann das Luftschiff denn nun endlich starte. Der verblüffte Steward entgegnete, man sei bereits über zwei Stunden in der Luft. „Das glaube ich Ihnen nicht“, erwiderte die Dame leicht verärgert. Sie war nicht eher überzeugt, bis sie in den Salon gegangen und durch ein Fenster die tief unter ihr liegende Küste von Neuengland gesehen hatte.

Das berühmteste Luftschiff aller Zeiten

Die Geschichte der Starrluftschifffahrt erreichte ihren Höhepunkt 1929 mit der Weltumrundung des Grafen Zeppelin. Mit offiziellem Start- und Zielpunkt Lakehurst umrundete das Luftschiff in 21 Tagen die Erde von Westen nach Osten. Es legte Zwischenlandungen in Friedrichshafen ein, in Tokio (wo sich eine Viertelmillion Menschen zu seinem Empfang eingefunden haben soll) und — nachdem es über San Francisco die amerikanische Westküste erreicht hatte — in Los Angeles. Zwei Jahre später schrieb der Graf Zeppelin erneut Geschichte, als er die Arktis überflog und dort mit einem russischen Eisbrecher zusammentraf. In dem Buch Luftschiff Hindenburg und die große Zeit der Zeppeline heißt es dazu: „Inzwischen umgab den Grafen eine geradezu mystische Aura. Wo immer das Luftschiff auftauchte, wurde es als Sensation empfangen. Man kann wohl mit Fug und Recht sagen, dass dieser Zeppelin das berühmteste Luftverkehrsmittel gewesen ist, das je existierte — einschließlich der heutigen Concorde.“

Auch andere Nationen sahen eine große Zukunft für Starrluftschiffe anbrechen. Großbritannien plante eine ganze Flotte der silbrigen Riesen, die durch regelmäßige Fahrten nach Indien und Australien die weit voneinander entfernt liegenden Gebiete des Britischen Reiches miteinander verbinden sollten. In den USA war der Shenandoah das erste Starrluftschiff, das mit Helium als Traggas anstelle des leicht entzündlichen Wasserstoffs gefüllt wurde. Der Akron und der Macon konnten Flugzeuge, die im Bauch der Luftschiffe mitgeführt wurden, in der Luft starten lassen und wieder aufnehmen. Dank der eingesetzten Funkpeiltechnik avancierte der Macon zum ersten voll einsatzfähigen Flugzeugträger der Welt.

Aufsehen erregende Katastrophen

„Mein Vater war immer begeistert vom Fahren mit dem Zeppelin“, erzählte Ingeborg Waldorf, die eingangs erwähnt wurde. „Was ihm allerdings nicht so gefallen hat, war das damit verbundene Risiko.“ Ihr Vater gehörte während des Ersten Weltkriegs zu einer Luftschiffbesatzung, aber auch in Friedenszeiten war die Fahrt mit einem Zeppelin — trotz aller ruhmreichen Leistungen — alles andere als ungefährlich. Weshalb?

Zu den gefährlichsten Gegnern eines Zeppelins zählte das Wetter. Von den ersten 24 Luftschiffen, die Graf Zeppelin und seine Firma bauten, gingen 8 durch die Elemente verloren. Das amerikanische Luftschiff Shenandoah wurde 1925 durch heftige Winde während einer Fahrt entzweigerissen. Und zwei weitere, ebenfalls durch widrige Wetterverhältnisse verursachte Abstürze — des Akron 1933 und des Macon knapp zwei Jahre später — läuteten schließlich das Ende des amerikanischen Kapitels in der Geschichte der großen Starrluftschiffe ein.

In Großbritannien setzte man alle Hoffnungen auf das Luftschiff R 101. Auf seiner ersten Fahrt von England nach Indien 1930 kam es gerade einmal bis nach Frankreich, wo es bei schlechtem Wetter abstürzte. Ein Autor schrieb dazu: „Seit der Titanic-Katastrophe von 1912 hatte kein Unglück die britische Öffentlichkeit derart erschüttert.“ Die Glanzzeit britischer Starrluftschiffe war damit beendet.

Dessen ungeachtet herrschte in der deutschen Zeppelin-Gesellschaft nach wie vor große Zuversicht. Doch dann ereignete sich die Katastrophe, die die Welt erschütterte. Im Mai 1937 fuhr der Hindenburg von Frankfurt nach New Jersey und befand sich auf der Anfahrt zur Landung auf der Marine-Luftschiffbasis Lakehurst. Plötzlich tauchte auf der Außenhülle am Heck eine winzige pilzförmige Flamme auf. In kürzester Zeit verwandelte der Wasserstoff in den Gaszellen das Luftschiff in ein flammendes Inferno, was 36 Menschen das Leben kostete.

Erstmals in der Geschichte waren bei einer derartigen Katastrophe Kameramänner zugegen und konnten den genauen Ablauf dokumentieren. In aller Welt zeigte die Wochenschau den Filmausschnitt über die 34 Sekunden von der ersten Flamme bis zum Aufprall des Giganten auf der Erde, unterlegt mit dem Stammeln des Reporters, dem vor Entsetzen fast die Stimme versagte: „Es brennt, wird von Flammen umtost ... Oh, die Menschheit und all die Passagiere!“ So endete die Ära der Luftschiffriesen, die gut 30 Jahre gedauert hatte, gleichsam in 34 Sekunden.

Eine neue Zeppelingeneration

Die Faszination für Zeppeline ging in Friedrichshafen nie verloren. Besucher des Zeppelinmuseums werden auf eine Zeitreise in die Vergangenheit mitgenommen und können eine originalgetreue Teilrekonstruktion des Hindenburg begehen. Ein Museumsführer, der 1936 bei der Olympiade in Berlin das echte Luftschiff Hindenburg sah, berichtete im Interview mit Erwachet!: „Man kann nicht beschreiben, was man empfand, wenn man einen Zeppelin sah. Es war einfach überwältigend!“

Mittlerweile soll eine neue Generation von Zeppelinen im Entstehen begriffen sein, ausgestattet mit moderner Technik. Wesentlich kleiner als ihre riesigen Vorgänger, sind die neuen Zeppeline für „exklusiven, sanften und umweltfreundlichen Tourismus“ gedacht. Ob sie ebenso berühmt werden wie die einstigen Giganten der Lüfte, bleibt abzuwarten.

[Fußnote]

^ Abs. 9 Bei der als Zeppelin bekannt gewordenen Luftschiffart handelt es sich um Starrluftschiffe — so bezeichnet wegen ihres starren, formbeständigen Innengerüsts. Unstarre Luftschiffe oder Prallluftschiffe, auch Blimps genannt, haben kein Innengerüst, sondern erhalten ihre Form durch den Überdruck des Traggases auf den ballonähnlichen Tragkörper. Halbstarre Luftschiffe, die dritte Bauart, gleichen den unstarren Luftschiffen, besitzen aber zusätzlich einen Kielträger unter dem Tragkörper. Von Ballons unterscheidet alle drei Luftschiffarten der Motor, der sie steuerfähig macht.

[Bild auf Seite 10]

Ferdinand Graf von Zeppelin

[Bildnachweis]

Fotos auf Seite 10: Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

[Bilder auf Seite 11]

Boeing 747

Hindenburg

Titanic

[Bilder auf Seite 12, 13]

Von links: Der „Graf Zeppelin“ über Philadelphia; die Führergondel; der Gesellschaftsraum

[Bildnachweis]

Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

[Bilder auf Seite 14]

Die „Hindenburg“-Katastrophe 1937 in Lakehurst trug auf dramatische Weise zum Ende der Ära riesiger Luftschiffe bei

[Bildnachweis]

Fotos: Brown Brothers