Medizinisches Wunderwerk, ethisches Minenfeld
Medizinisches Wunderwerk, ethisches Minenfeld
„Die Debatte um Stammzellen hat Wissenschaftler und Laien veranlasst, über wichtige Fragen nachzudenken, wie etwa wer wir sind und was unser Menschsein ausmacht“ (NATIONALE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN, USA).
KAREN hat Typ-I-Diabetes. Ihre Bauchspeicheldrüse produziert kein Insulin mehr. Stellen wir uns vor, Karen könnte zum Arzt gehen und sich neue, speziell im Labor kultivierte Zellen transplantieren lassen, die die defekten Zellen der Bauchspeicheldrüse ersetzen. Sobald die neuen Zellen ihre Tätigkeit aufnähmen, könnte Karen die Insulinbehandlung schrittweise beenden und schließlich wäre sie wieder gesund.
Bis vor kurzem hätten Vorstellungen dieser Art noch als Science-Fiction gegolten, doch heute halten einige Forscher solche Behandlungsmethoden für möglich. Warum? Weil 1998 ein Verfahren entwickelt wurde, mit dem man so genannte humane Stammzellen in großer Zahl kultivieren kann. Diese Zellen können sich zu fast jeder der über 200 verschiedenen Zellarten des menschlichen Körpers entwickeln, einschließlich Zellen der Bauchspeicheldrüse. *
Laut einem Bericht der Nationalen Gesundheitsinstitute der USA „sind Stammzellen möglicherweise der Schlüssel zum Ersetzen von Zellen, die bei vielen schweren Krankheiten verloren gehen“. Dazu zählen „die Parkinsonkrankheit, Diabetes, chronische Herzkrankheiten, fortgeschrittene Nierenerkrankungen, Leberschäden und Krebs“, um nur einige zu nennen. Stammzellen können auch Blut bilden, und es heißt, sie könnten sogar Blutbanken überflüssig werden lassen. Tatsächlich verwenden Ärzte schon seit vielen Jahren Stammzellen zur Behandlung bestimmter Blutkrankheiten. Bisher wurde im Rahmen einer solchen Behandlung meist auch Knochenmark transplantiert, das reich ist an blutbildenden Stammzellen, aber heute entnimmt man die Stammzellen bevorzugt direkt aus dem Blut. Da mittels Stammzelltherapien neues, gesundes Gewebe gebildet werden soll, bezeichnet man sie allgemein auch als „regenerative Medizin“.
Bestimmte Aspekte dieses neuen Forschungszweigs sind allerdings heftig umstritten. Etliche Leute — unter ihnen auch Wissenschaftler — sind der Ansicht, vor allem die Verwendung humaner Stammzellen aus Embryos oder Feten missachte die Heiligkeit des Lebens. Dieses hochbrisante Thema gilt für manche gleichsam als ethisches und politisches Minenfeld.
Die Befürworter von Stammzelltherapien kündigen für alle möglichen Krankheiten außergewöhnliche Heilungschancen an. Daher wird sich der folgende Artikel etwas näher damit befassen, welche Arten von Stammzellen es gibt und wie sie gewonnen werden, sowie mit der Frage, warum das Thema so umstritten ist.
[Fußnote]
^ Verschiedene Laboratorien in den Vereinigten Staaten haben zwei unterschiedliche Arten menschlicher Stammzellen kultiviert: embryonale Stammzellen sowie primordiale Keimzellen.