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Ein Horchposten tief im Süden

Ein Horchposten tief im Süden

Ein Horchposten tief im Süden

VON EINEM ERWACHET!-MITARBEITER IN AUSTRALIEN

EIN kaum hörbares Geräusch lässt ein Känguru ganz unvermittelt den Kopf heben und mit aufgerichteten Ohren nach dessen Herkunft lauschen. Das Geräusch kommt von einer Anordnung sich langsam auf Schienen bewegender Radioteleskopantennen. Kurz darauf halten Antennen und Tier gleichzeitig an und verharren bewegungslos in der Stille der ländlichen Szenerie — ein merkwürdiges Stillleben aus Natur und Technik.

Szenen wie diese sind in der Nähe der australischen Kleinstadt Narrabri keine Seltenheit. Dort, im Landesinneren von Neusüdwales, befinden sich sechs Radioteleskope, die zur Australia Telescope National Facility (ATNF) gehören. Die Anlage besteht aus fünf beweglichen Parabolantennen und einer fest stehenden und lässt sich mit einem einzelnen, unweit der Kleinstadt Parkes stehenden 64-Meter-Teleskop und einer weiteren Antenne von 22 Metern Durchmesser bei Coonabarabran zusammenschalten. Werden diese Anlagen synchron benutzt, entsteht praktisch eine riesige Parabolantenne. Und selbst diese Anordnung lässt sich noch erweitern, wenn man die Teleskope in Tidbinbilla bei Canberra und in Hobart auf Tasmanien hinzuschaltet.

Jene eindrucksvollen Instrumente observieren den südlichen Sternenhimmel und erforschen aufmerksam seine Geheimnisse. Wozu treibt man einen solchen Aufwand? In einer Broschüre der ATNF heißt es: „Ein wenig Neugierde kann zu großartigen Entdeckungen führen.“

Den Geheimnissen des Weltraums auf der Spur

Das Parkes-Teleskop wurde im Oktober 1961 von Lord De L’Isle, dem damaligen Generalgouverneur Australiens, eröffnet. Voller Begeisterung sagte er vorher: „Dieses Instrument wird die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt auf sich ziehen, und man kann gar nicht hoch genug einschätzen, wie wichtig es dafür sein wird, den Geheimnissen des Weltraums auf die Spur zu kommen.“

Die Zuversicht des Generalgouverneurs war berechtigt. Für die Radioastronomie — ein verhältnismäßig neuer Wissenschaftszweig — war die Eröffnung dieser Anlage ein bedeutendes Ereignis. In dem Buch Beyond Southern Skies heißt es dazu: „Die offizielle Eröffnung des Parkes-Teleskops . . . war für die Wissenschaft in Australien ein besonderer Tag. Schon zehn Jahre zuvor war die Idee geboren worden, für den Entwurf brauchte man vier Jahre und für den Bau zwei weitere Jahre.“

Dr. David McConnell, Leiter des Narrabri Center, erklärte im Interview mit Erwachet!, die ATNF sei die größte derartige Anlage in der südlichen Hemisphäre, und fügte hinzu: „Hierher kommen Radioastronomen aus vielen Teilen der Welt, um die ATNF für wissenschaftliche Studien zu nutzen und das Universum zu erforschen. Dank ihrer einzigartigen Lage bietet die ATNF ausgezeichnete Bedingungen dafür, den südlichen Sternenhimmel derart zu studieren.“

Der Blick ins Unsichtbare

Radioteleskope erfassen im Unterschied zu optischen Teleskopen Daten im Frequenzbereich von Radiowellen. Diese Daten werden interpretiert, analysiert und dann in Bilder umgewandelt. Das ist alles andere als einfach, denn Radiosignale sind extrem schwach.

Beispielsweise würde die Energie aller Radiosignale, die das Parkes-Teleskop in den vergangenen 40 Jahren empfangen hat, in elektrischen Strom umgewandelt, laut Rick Twardy, dem wissenschaftlichen Leiter der ATNF in Parkes, eine 100-Watt-Glühbirne nur eine hundertmillionstel Sekunde lang zum Leuchten bringen. Die gesammelten Daten werden in einen so genannten Korrelator eingespeist, einen Hochleistungsrechner, der die von den Antennen empfangenen Signale miteinander verrechnet. Wie David McConnell erklärte, steht der Anlage in Narrabri ein Korrelator zur Verfügung, der eine Rechenleistung von sechs Milliarden Instruktionen pro Sekunde erreicht. Die errechneten Daten werden weiter ausgewertet und dann an die ATNF-Zentrale in Sydney weitergeleitet, wo sie zu Radiobildern zusammengestellt werden. Zusammen mit den Daten, die durch optische Teleskope gewonnen werden, ermöglichen es diese Bilder, so manchen eindrucksvollen Wundern des Universums auf die Spur zu kommen.

Für bestimmte Forschungsprojekte können die Radioteleskope allerdings auch einzeln eingesetzt werden. Sehr schwache Radiosignale zum Beispiel, wie sie von Pulsaren ausgehen, lassen sich besser mit einer einzelnen großen Parabolantenne wie dem Parkes-Teleskop erfassen und verarbeiten. Dieses Teleskop war deshalb maßgeblich an der Entdeckung von über der Hälfte aller bislang bekannten Pulsare beteiligt. Es diente auch dazu, die Bilder der ersten Schritte von Menschen auf dem Mond zu übermitteln, und trug entscheidend zur Rettung von Apollo 13 bei. Die Entdeckung der Einsteinringe sowie der Überreste einer Supernova sind nur zwei Beispiele für zahlreiche weitere Forschungserfolge, zu denen das Parkes-Teleskop einen Beitrag leistete. (Siehe unten stehenden Kasten.)

Ist da draußen noch jemand?

Hauptaufgabe der ATNF ist zwar die Erforschung des Weltalls, um dessen Rätseln auf die Spur zu kommen, aber eine kleine Gruppe Wissenschaftler nutzt die ATNF zudem dafür, Antworten auf die Frage zu bekommen: Gibt es noch weitere Zivilisationen im Universum? Dieser Forschungszweig wird auch als Exobiologie bezeichnet, eine Bezeichnung, die sich von den griechischen Wörtern exo (außen) und bios (Leben) ableitet.

Wie werden Radioteleskope eingesetzt, um Antworten auf diese schwierige Frage zu erhalten? Manche Exobiologen glauben, wenn es noch weitere Zivilisationen im Universum gäbe, seien diese wahrscheinlich viel älter als die unsrige, sodass sie sich mit Radiosignalen auskennen würden und sie dazu verwendeten, mit der Erde Kontakt aufzunehmen. Einige Wissenschaftler sind durchaus zuversichtlich, dass außerirdische Zivilisationen, die der unsrigen ähneln, irgendwann entdeckt werden.

Viele sind da allerdings weniger optimistisch. Wie selbst manche Exobiologen einräumen, hat sich herausgestellt, dass die bislang empfangenen Radiosignale, die auf Leben im Universum schließen lassen, von nur einer Zivilisation stammen: unserer eigenen! Dr. Ian Morison, leitender Astronom am Radioobservatorium Jodrell Bank in Großbritannien, erklärte: „Vor 20 Jahren dachten wir, es könne bis zu eine Million weiterer Zivilisationen in der Milchstraße geben. Mittlerweile komme ich immer mehr zu der Überzeugung, dass die Menschheit recht außergewöhnlich ist.“

So außergewöhnlich die menschliche Zivilisation auch sein mag, stellt sie doch Astronomen vor zahlreiche Probleme und behindert sogar deren Bemühungen, dem Weltall Informationen zu entlocken. Weil wir so viele Störsignale erzeugen, wird es immer schwieriger, ins Universum hineinzuhorchen.

Ruhe bitte! Ich versuche zuzuhören!

Die von Menschen verursachten, stärkeren Radiowellen überlagern die von Himmelskörpern ausgehenden natürlichen Radiowellen so stark, dass die „Nebengeräusche“ im Radiowellenbereich laut einem Bericht der Science News mittlerweile geradezu „ohrenbetäubend“ sind. Diese störenden Wellen gehen von Computern aus, von Mikrowellenherden, Mobiltelefonen, Fernseh- und Rundfunksendern, militärischen Radaranlagen, vom Funkverkehr in der Flugsicherung und von Satellitenüberwachungssystemen. All solche Signale menschlichen Ursprungs müssen herausgefiltert werden, will man diejenigen identifizieren, die von weit entfernten Galaxien stammen.

Um solche Überlagerungen weitestgehend zu vermeiden, wählt man für Radioteleskope in Australien wie überall auf der Welt abgelegene Standorte. Aber so abgelegen wie nötig kann ein Standort heute kaum noch sein. Wie in einem Artikel der Science News beklagt wurde, „fürchten Radioastronomen, dass ihnen bald kein ruhiges Fleckchen für ihre Forschungen mehr bleibt. . . . Vielleicht können sie eines Tages ihre Teleskope an einem entlegenen Ort aufstellen, wo es höchstwahrscheinlich immer ruhig bleiben wird: auf der Rückseite des Mondes.“

Doch trotz aller Schwierigkeiten enthüllt die Forschung mit der ATNF Einzelheiten, die wir mit bloßem Auge nie zu sehen bekämen und die erkennen lassen, wie überaus eindrucksvoll das Universum ist. Sollte uns das nicht alle veranlassen, darüber nachzudenken, welch eine wunderbare Wohnstätte unsere Erde in diesem ehrfurchtgebietenden Universum darstellt, und uns mit tiefer Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer des Himmels und der Erde erfüllen?

[Kasten/Bilder auf Seite 16, 17]

WORAUS SETZT SICH DAS UNIVERSUM ZUSAMMEN?

Galaxien

Unmengen von Sternsystemen, die durch Gravitation zusammengehalten werden

[Bild]

Radiobild des Galaxienhaufens M81

[Bildnachweis]

Image courtesy of NRAO/AUI/NSF

Quasare

Sternähnliche, vermutlich fernste und hellste Objekte im Universum

[Bild]

Radiobild eines sechs Milliarden Lichtjahre entfernten Quasars. Als Energiequelle wird ein übermassereiches schwarzes Loch angenommen

[Bildnachweis]

Copyright Australia Telescope, CSIRO

Pulsare

Quellen kosmischer Strahlung, die mit großer Regelmäßigkeit Impulse von Radiowellen abgeben und allgemein für sehr schnell rotierende Neutronensterne gehalten werden

[Bild]

Auf dieser Abbildung im optischen Spektralbereich ist als schwach leuchtendes Gebilde im Zentrum des Krebsnebels ein Pulsar zu sehen

[Bildnachweis]

Hale Observatory/NASA

Novae

Sterne, deren Leuchtkraft plötzlich um das Vieltausendfache zunimmt, dann aber langsam wieder bis zur Ausgangshelligkeit abklingt

Supernovae

Novae, die die millionenfache Leuchtkraft unserer Sonne erreichen

[Bild]

Überreste einer Supernova: Radiobild in Rot, Röntgenbild in Blau und optische Aufnahme in Grün

[Bildnachweis]

X-ray (NASA/CXC/SAO)/optical (NASA/HST)/radio (ACTA)

Einsteinringe

Kann sich eine Galaxie hinter einer anderen verbergen? Nicht, wenn sie vom Beobachter aus gesehen auf genau der gleichen Linie liegt. Die vordere Galaxie wirkt wie eine gigantische Gravitationslinse und beugt die von der dahinter liegenden Galaxie stammende Licht- oder Radiostrahlung, sodass der Eindruck von Lichtringen entsteht.

[Bildnachweis]

HST/MERLIN/VLBI National Facility

[Diagramm auf Seite 17]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Wie Röntgenbilder einen Einblick in das Innere des Körpers erlauben, gewähren Radiobilder einen Einblick in das „Innenleben“ des Universums

RADIO

MIKROWELLE

INFRAROT

OPTISCH

ULTRAVIOLETT

RÖNTGEN

GAMMASTRAHLUNG

[Bildnachweis]

Steven Stankiewicz

[Bild auf Seite 15]

Oben: Fünf der sechs Antennen unweit von Narrabri

[Bildnachweis]

S. Duff © CSIRO, Australia Telescope National Facility

[Bild auf Seite 15]

Das 64-Meter-Teleskop bei Parkes

[Bildnachweis]

Photo Copyright: John Sarkissian

[Bildnachweis auf Seite 15]

J. Masterson © CSIRO, Australia Telescope National Facility