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ondol — Ein Heizsystem besonderer Art

ondol — Ein Heizsystem besonderer Art

ondol — Ein Heizsystem besonderer Art

VON EINEM ERWACHET!-MITARBEITER IN DER REPUBLIK KOREA

ZITTERND stehen wir in der Kälte des koreanischen Winters, als uns eine lächelnde Hausbewohnerin hereinbittet. Von drinnen strömt uns eine behagliche Wärme entgegen, obwohl weder ein Heizgerät noch ein Heizkörper zu sehen ist. Wir lassen unsere Schuhe an der Tür und betreten den Fußboden, der sich warm anfühlt. Wir setzen uns auf den Boden, wärmen unsere eisigen Hände daran und spüren, wie die klammen Finger allmählich wieder auftauen.

In Korea findet man in fast jedem Haus eine Fußbodenheizung wie diese. Man nennt sie ondol. Wie funktioniert dieses außergewöhnliche Heizsystem und wie hat es den koreanischen Lebensstil beeinflusst? Bevor wir diesen Fragen nachgehen, wollen wir uns mit der Entwicklung der traditionellen ondol-Heizung beschäftigen.

Geschichte der Bodenheizung

Fußbodenheizungen gab es schon, bevor Jesus Christus auf die Erde kam. Nach Ausgrabungen und geschichtlichen Aufzeichnungen zu urteilen, waren die Römer wahrscheinlich die Ersten, die Fußbodenheizungen benutzten. * Auf der ganzen Halbinsel Korea war im 4. oder 5. Jahrhundert u. Z. eine Bodenheizung verbreitet, die schließlich als ondol bezeichnet wurde. Dieser Name leitet sich von chinesischen Schriftzeichen ab, die „warme Vertiefungen“ bedeuten. In einem chinesischen Geschichtsbericht wird auf diese Tatsache Bezug genommen, wenn es dort heißt: „Im Winter wärmten sich die Menschen [in Korea], indem sie lange Vertiefungen anlegten und sie mit Feuer beheizten.“

Wie ondol früher funktionierte

Früher diente eine Feuerstelle als Wärmequelle für die ondol-Heizung. Diese konnte sich in der Küche oder an der Außenwand des Wohnraums befinden. Hatte eine Küche zwei oder drei Feuerstellen, konnten ebenso viele angrenzende Räume geheizt werden. In alter Zeit standen in einer koreanischen Küche vielleicht ein oder zwei große eiserne Kessel auf der Feuerstelle. Das heißt, mit dem Feuer, das man zum Kochen des Reises oder der Suppe schürte, wurde gleichzeitig ein Nebenraum geheizt. Rationell, nicht?

Die Küche lag im Allgemeinen etwa einen Meter tiefer als der zu heizende Raum. Dieser Höhenunterschied bewirkte, dass Rauch und Heißluft gut unter dem Fußboden des höher liegenden Raumes hindurchziehen konnten. Wie, Rauch unter dem Fußboden? Ja, das ist gerade das Geheimnis von ondol!

Unter dem Fußboden eines Raumes verliefen horizontale Luftkanäle, in denen heiße Luft und Rauch von der Feuerstelle zum Schornstein strömten. Die heiße Luft zog durch diese Kanäle und erwärmte den Fußboden aus Lehm und Steinen. Aber so leicht, wie es sich anhört, war das gar nicht. Es galt nämlich, zwei entgegengesetzten Erfordernissen nachzukommen. Damit das Brennmaterial gut brannte, musste der Rauch zügig durch die Luftkanäle abziehen und ungehindert durch den Schornstein entweichen. Zu diesem Zweck eigneten sich am besten gerade, kurze Kanäle. Die Hitze des Feuers sollte aber auch den Fußboden erwärmen, und dazu mussten Heißluft und Rauch möglichst lange in den Kanälen verbleiben. Man erreichte das dadurch, dass der ganze Fußbodenbereich mit Kanälen unterlegt wurde und die heiße Luft somit nicht zu schnell aus dem Schornstein entwich. Traf man genau die ideale Abzugsgeschwindigkeit, konnte mit einem Feuer, das nur ein paar Stunden brannte, ein Raum die ganze Nacht hindurch warm gehalten werden.

In einem jahrhundertealten Raum soll es einmal eine ondol-Heizung gegeben haben, die eine unglaubliche Heizwirkung entfaltete. Durch die besondere Anordnung der Kanäle unter diesem Raum soll der Fußboden nach einem einzigen Heizen ganze 45 Tage heiß geblieben sein. Angeblich konnte man noch nach 100 Tagen einen Rest Wärme spüren. Leider wurde dieser Raum während des Koreakriegs in den frühen 1950er Jahren zerstört. 1982 wurde das Gebäude wiederhergestellt und man kann heute den Raum mit der ondol-Heizung besichtigen. Die jetzige Heizleistung ist allerdings nicht annähernd so gut wie die ursprüngliche. Aber immerhin bleibt der Boden nach einmaligem Heizen im Frühjahr und im Herbst 10 Tage und im Winter 3 Tage warm, sogar bei Temperaturen von unter −10 °C.

Ein weiteres Geheimnis der ondol-Heizung liegt in der Bauart des Fußbodens. Bevor der Fußboden gelegt wurde, grub man die Luftkanäle. Diese wurden mit flachen Steinen von 50 bis 75 Millimetern Dicke bedeckt. Da der Boden neben der Feuerstelle natürlich wärmer ist, benutzte man dort dickere Steine, um den Wärmeverlust zu begrenzen. Als Nächstes wurde Lehm auf den Steinen verteilt und der Boden wurde geglättet. Obenauf kamen abschließend mehrere Schichten aus gelbem Ölpapier.

In einem Raum, der mit einer herkömmlichen ondol-Heizung geheizt wurde, war der Teil des Raumes, der nicht unmittelbar bei der Feuerstelle lag, meist etwas kühler. Ältere Familienmitglieder, etwa die Großeltern oder die Eltern, sowie Gäste ließ man daher im wärmeren Bereich Platz nehmen, wodurch man ihnen Respekt erwies.

Die traditionelle ondol-Heizung in den Häusern im Nordteil der koreanischen Halbinsel unterschied sich etwas von der im Süden. Im Norden waren die Küche und der zu heizende Raum nicht durch eine Wand getrennt. Sowohl das Feuer als auch die Heißluft im Boden hielten beide Räume warm. In den Häusern im Süden trennte eine Wand die Küche und den Wohnraum, sodass die Personen im Wohnraum vom Rauch verschont blieben.

Zum Schüren des Feuers wurde in Korea früher Holz verwendet. Bevor die Heizung in Gang gebracht wurde, stapelte man neben der Feuerstelle trockenes Feuerholz auf. Mit Papier und Stroh wurde dann Feuer gemacht. Auch Holzkohle diente als Brennmaterial. Im 20. Jahrhundert begannen die Koreaner, mit Holzkohlenbriketts zu heizen. Die Wartung einer ondol-Heizung ist verständlicherweise sehr wichtig. Bekommt ein Luftkanal Risse, kann Kohlenmonoxid durch den Boden in den Wohnraum dringen und möglicherweise lebensgefährlich werden.

ondol heute

Heutzutage sieht man die traditionelle ondol-Heizung in Korea nur noch selten. Stattdessen findet in modernen Häusern — auch in mehrstöckigen Apartmenthäusern — eine neuere Form von ondol Verwendung, die Flächenstrahlheizung mit Warmwasserheizrohren. Statt mit Heißluft wird der Fußboden mit heißem Wasser geheizt. Interessanterweise waren es nicht die Koreaner, die dieses System entwickelten.

Als sich der berühmte amerikanische Architekt Frank Lloyd Wright Anfang des 20. Jahrhunderts wegen eines Hotelbaus in Japan aufhielt, lud ihn ein japanischer Adliger zu sich nach Hause ein. Dort fand Wright einen für Japan ganz untypischen Raum vor. Die obere Schicht des Fußbodens bestand aus gelbem Papier und war warm. Es war ein Raum mit einer koreanischen ondol-Heizung! Der vornehme Japaner hatte dieses Heizsystem in Korea kennen gelernt und es war ihm nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Zu Hause in Japan ließ er daher in seinem Haus einen Raum mit einer solchen Heizung ausstatten. „Die unbeschreibliche Behaglichkeit der Wärme von unten“ beeindruckte Wright. Für ihn war ondol ab sofort das ideale Heizsystem, und er begann, es bei der Planung von Neubauten zu berücksichtigen. Wright erfand eine Flächenheizung für Fußböden, bei der nicht mehr Heißluft durch Luftkanäle geleitet wurde, sondern heißes Wasser durch Rohre.

Die Flächenheizung passte gut zum damaligen Lebensstil der Koreaner. Einmal eingeführt, setzte sich das vereinfachte System schnell durch und heute ist es in fast allen koreanischen Wohnungen zu finden.

ondol und der Lebensstil

Das ondol-Heizsystem hat den koreanischen Lebensstil sehr beeinflusst. Für die Menschen in Korea ist es ganz natürlich, auf dem warmen Boden anstatt auf kalten Stühlen zu sitzen, denn der Boden ist viel wärmer als die Raumluft. Der Boden ist daher für Koreaner der Platz, wo sie essen, schlafen und sich allein oder mit anderen hinsetzen. Damit er schön warm bleibt, wird manchmal eine dicke Steppdecke (ibul) darauf ausgebreitet. Wenn die Familie dann von draußen kommt, stecken alle die kalten Füße unter die Decke und genießen gemeinsam die behagliche Wärme. Ja, sich so zu wärmen verbindet!

Die Verwestlichung des Lebensstils hat es mit sich gebracht, dass die Jüngeren lieber an Tischen und auf Stühlen sitzen und in Betten mit Bettgestell schlafen. Die meisten Koreaner bevorzugen indes den Fußboden, der durch das zirkulierende Wasser der ondol-Heizung mollig warm gehalten wird. Sollten wir einmal nach Korea kommen, werden sicher auch wir dieses Heizsystem besonderer Art genießen — ondol.

[Fußnote]

^ Abs. 6 Das Zentralheizungssystem der Römer wurde hypocaustum genannt. Es bestand aus einer unterirdischen Feuerstelle und Kanälen aus Ziegeln, durch die erhitzte Luft geleitet wurde.

[Diagramm/Bilder auf Seite 23]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Luftkanäle von oben betrachtet

1 Feuerstelle

2 Horizontale Luftkanäle

3 Schornstein

→ → 2 → →

→ → 2 → →

→ → 2 → →

● 1 → → 2 → → ● 3

→ → 2 → →

→ → 2 → →

→ → 2 → →

[Bilder]

Auf der Feuerstelle wurde gekocht und gleichzeitig wurde der angrenzende Raum geheizt

Die Heizkraft der „ondol“-Heizung hing von der guten Anordnung der Luftkanäle und des Schornsteins ab

[Bildnachweis]

Location: Korean Folk Village

[Bild auf Seite 24, 25]

In Räumen mit einer „ondol“-Heizung ist der wärmste Bereich den Älteren vorbehalten

[Bildnachweis]

Location: Korean Folk Village