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Ein Besuch auf dem größten Fischmarkt der Welt

Ein Besuch auf dem größten Fischmarkt der Welt

Ein Besuch auf dem größten Fischmarkt der Welt

VON EINEM ERWACHET!-MITARBEITER IN JAPAN

WIE wäre es mit einem Besuch auf einem lebhaften Markt? Ein wahrhaft faszinierender Markt, der Touristen aus aller Welt anzieht, ist der Tsukiji, ein Fischmarkt im Herzen von Tokio, nur einige Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt. Der Tsukiji rühmt sich, der größte Fischmarkt der Welt zu sein.

Die beste Zeit für einen Besuch ist der frühe Morgen. Der Rest von Tokio schläft noch, wenn auf Lkws der Fisch angeliefert wird und schlagartig Leben in den Markt kommt. Tag für Tag werden bis zu 2 000 Tonnen Meeresprodukte geliefert, die in aller Frühe entladen werden müssen, denn gegen 3 Uhr morgens kommen schon die ersten Einkäufer. In Windeseile stellen die Händler ihre Kisten mit Fisch auf und markieren jede Kiste mit einem Schild, auf dem die Warennummer, das Gewicht und der Fangort stehen. Die Einkäufer sind leicht zu erkennen. Sie tragen Gummistiefel und eine Mütze mit ihrer Lizenznummer. Im Gegensatz zu den gemächlich spazierenden Touristen hetzen die Einkäufer im Laufschritt durch die Gänge, um die Ware zu begutachten und festzulegen, wie viel sie dafür bieten werden. Manche sind mit einem Haken, einer Taschenlampe und einem Handtuch ausgerüstet. Das sind die Thunfischkäufer. Haken und Taschenlampe sind unentbehrlich, um die Qualität der riesigen Thunfische abschätzen zu können, und mit dem Handtuch wischen sie sich nach dem Betasten der Fische die Hände ab.

Um halb sechs bricht Chaos aus. Von allen Richtungen hört man Handglocken läuten, wenn die Auktionatoren die Käufer zum Bieten auffordern. Wohin man auch schaut, überall laufen Auktionen. Immerhin versteigern hier 7 Großhändler zur selben Zeit ihre Ware, manche sogar mit 2 oder mehr Versteigerern für mehrere Produkte gleichzeitig. Sie alle rufen in ihrem eigenen, unverwechselbaren Singsang die Warennummern aus, während die zugelassenen Einkäufer mit ganz bestimmten Handzeichen gegeneinander bieten. Das Bieten geht so schnell vor sich, dass der Preis einer Ware schon nach wenigen Sekunden feststeht. Einige Bieter steigern bei zwei Auktionen gleichzeitig mit. Pro Geschäft ist nur ein Bieter zugelassen, sodass die Einkäufer von einer Abteilung zur nächsten sprinten müssen, um den gewünschten Fisch zu bekommen. Die hektischsten Einkäufer von allen sind wahrscheinlich diejenigen, die viele verschiedene Fischsorten in großen Mengen ersteigern, um sie an mehrere Geschäfte weiterzuverkaufen.

Sobald der Preis feststeht, wollen die Käufer den Fisch so schnell wie möglich an seinen Bestimmungsort gebracht haben. Auf den schmalen Wegen wimmelt es von Kleintransportern und Trägern mit Handwagen, die den Fisch abtransportieren. Dem geschäftigen Treiben, der Hektik und dem Lärm entkommt hier niemand. Was dem Zuschauer wie eine riesige Massenpanik vorkommt, ist in Wirklichkeit bis ins Detail durchorganisiert. Innerhalb weniger Stunden sind über tausend Tonnen Fisch verkauft und abtransportiert. Ein Teil landet in kleineren Geschäften in einer anderen Ecke des Marktes, wo er noch am Morgen von Tausenden begierigen Kunden gekauft wird.

Wie man sich vorstellen kann, ist der Tsukiji gigantisch. Neben den 7 Großhändlern, die die Versteigerungen durchführen, sind hier noch mehr als 1 000 kleinere Händler registriert. Jahraus, jahrein bedienen sie täglich mindestens 40 000 Kunden, die den Markt besuchen.

Wer sind die Kunden? Manche sind Großeinkäufer, die für große Hotels, Restaurants, Kaufhäuser und Supermärkte einkaufen. Dann sind da die Betreiber von kleineren Lebensmittelläden und Fischgeschäften und, nicht zu vergessen, die Besitzer reizender, gut gehender Sushirestaurants. Sie alle wetteifern um die beste Ware. Pro Jahr kaufen sie schätzungsweise 600 000 Tonnen Meeresprodukte im Wert von fast 5 Milliarden Euro.

Streng genommen ist der Tsukiji nicht nur ein Fischmarkt, sondern ein Großmarkt, auf dem auch Obst und Gemüse verkauft wird. Er ist einer von 11 zentralen Großmärkten in Tokio, die von der Stadtverwaltung betrieben werden. Die Geschichte der Märkte als Umschlagplatz für Frischware lässt sich bis in das Jahr 1603 zurückverfolgen. 1877 übernahmen die Behörden die Verwaltung dieser Märkte, um für bessere Hygiene und Qualität zu sorgen. Durch das Erdbeben im Jahr 1923 wurden die Märkte von Tokio zerstört; später entstand dann der heutige Tsukiji-Markt, der 1935 in Betrieb genommen wurde.

Seit damals ist der Markt enorm gewachsen. Es dürfte kaum einen anderen Ort auf der Welt geben, an dem täglich derartige Mengen Fisch in solcher Vielfalt den Besitzer wechseln. Hier werden ungefähr 450 verschiedene Arten von Meerestieren aus aller Welt verkauft, beispielsweise Lachs, Kabeljau, Meerbrassen, Makrelen, Seezungen und Heringe sowie Seeigel, Seegurken und Schalentiere. Manche kleineren Stände auf dem Markt haben sich auf ein einziges Produkt spezialisiert, etwa auf Tintenfisch oder Shrimps.

Ein Fisch ist hier allerdings König — der Thunfisch. Er wird von weit her eingeflogen, beispielsweise aus dem Mittelmeerraum oder aus Nordamerika. Von der Größe und vom Preis her kommt ihm kein anderer Fisch gleich. Ein einziger großer Thunfisch kann mehrere Tausend Euro kosten. Hier werden täglich Hunderte frische oder tiefgefrorene Thunfische verkauft. Die Käufer zerlegen den Thunfisch in geeignete Portionen für die lokalen Händler. Die erlesenen fettigen Bauchstücke — toro genannt — gelten als Delikatesse, die auch gerne als Garnierung auf Sushi serviert wird.

Dass der größte Fischmarkt der Welt in Japan zu finden ist, dürfte kaum überraschen. Japan ist von drei Meeren und einem Ozean umgeben, und die Japaner haben Meeresfrüchte schon vor langer Zeit schätzen gelernt. Bei einem leckeren japanischen Mahl steht oft Fisch im Mittelpunkt. Der Durchschnittsjapaner verzehrt jährlich über 70 Kilogramm Fisch und andere Meeresfrüchte, die zum großen Teil vom Tsukiji-Markt kommen. Wäre ein Besuch in Tokio nicht eine gute Gelegenheit, sich den größten Fischmarkt der Welt einmal anzusehen? Immer mehr Touristen lassen sich dieses Schauspiel nicht entgehen.

[Bildnachweis auf Seite 16]

Fischplatte: Aus dem Buch L’Art Pour Tous, Encyclopedie de l’Art Industriel et Decoratif, Vol. 31, 1861-1906

[Bildnachweis auf Seite 17]

James L. Stanfield/NGS Image Collection

[Bildnachweis auf Seite 17]

© Jeff Rotman/www.JeffRotman.com

[Bildnachweis auf Seite 18]

Mit frdl. Gen.: Zentraler Großmarkt Tokio