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Babyboom durch Reproduktionsmedizin

Babyboom durch Reproduktionsmedizin

Babyboom durch Reproduktionsmedizin

Am 25. Juli 1978 kam in Oldham (Großbritannien) ein einzigartiges kleines Mädchen namens Louise Joy Brown zur Welt — das erste Retortenbaby der Geschichte.

NEUN Monate zuvor war Louise mithilfe der so genannten In-vitro-Fertilisation (IVF) im Labor gezeugt worden. Bei diesem Verfahren wurde der Mutter eine Eizelle entnommen und in einer Petrischale befruchtet. Zweieinhalb Tage später, nachdem sich die Eizelle in 8 mikroskopisch kleine Zellen geteilt hatte, wurde dieses winzige Klümpchen sich teilender Zellen in den Uterus der Mutter eingesetzt, wo es sich normal entwickeln konnte. Durch Louises Geburt wurde in der Behandlung von Unfruchtbarkeit ein völlig neues Kapitel aufgeschlagen.

Die IVF gilt als Wegbereiter der modernen Reproduktionsmedizin, die heute Fruchtbarkeitsbehandlungen aller Art einschließt, bei denen sowohl Eizellen als auch Spermien verwendet werden. Dazu einige Beispiele. 1984 brachte eine Frau in Kalifornien (USA) ein Kind zur Welt, das sich aus einer gespendeten Eizelle entwickelt hatte. Im selben Jahr wurde in Australien ein Kind geboren, das aus einem tiefgefrorenen Embryo entstanden war. 1994 bekam in Italien eine 62-Jährige ein Kind, das mithilfe gespendeter Eizellen und dem Samen ihres Mannes gezeugt worden war.

Die Entwicklung bis heute

Heute, etwa 25 Jahre nach der Geburt von Louise Joy Brown, verfügen Wissenschaftler über ein ganzes Arsenal an Medikamenten und Hightechverfahren, die die Behandlung von Unfruchtbarkeit gründlich verändert haben. (Siehe die Kästen „Einige Methoden der künstlichen Befruchtung“ und „Was sind die Risiken?“.) Dank dieser Erfolge hat die Zahl der künstlich gezeugten Kinder rasant zugenommen. Allein in den Vereinigten Staaten kamen 1999 über 30 000 Babys zur Welt, die künstlich gezeugt worden waren. In manchen skandinavischen Ländern werden 2 bis 3 Prozent aller Neugeborenen auf diese Weise gezeugt. Weltweit werden jährlich rund 100 000 Kinder geboren, die mittels In-vitro-Fertilisation gezeugt wurden. Seit 1978 wurden schätzungsweise eine Million solcher Kinder geboren.

Künstliche Befruchtungen werden vor allem in den Industrieländern durchgeführt. Jeder Behandlungszyklus kostet Tausende von Euro — Kosten, die von den Versicherungen und Krankenkassen normalerweise nicht übernommen werden. Gemäß der Zeitschrift Time „kann eine 45-jährige Frau für sieben IVF-Zyklen leicht 90 000 Euro Behandlungskosten bezahlen“. Dennoch macht die Reproduktionsmedizin den vielen unfruchtbaren Paaren Hoffnung, deren einzige Chance, Kinder zu haben, bisher die Adoption war. Mittlerweile gibt es für viele Ursachen weiblicher oder männlicher Unfruchtbarkeit Behandlungsmöglichkeiten. *

Warum so gefragt?

Ein Grund, warum künstliche Befruchtung heute so gefragt ist, ist der moderne Lebensstil. In einem Bericht der Amerikanischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin hieß es: „Das Durchschnittsalter, in dem Frauen Kinder bekommen, ist in den letzten drei Jahrzehnten angestiegen, da sich immer mehr Frauen einer akademischen Laufbahn und ihrer Karriere zuwenden und die Ehe auf später verschieben. Gleichzeitig erreichen viele Frauen, die in der Zeit des Babybooms (1946 bis 1964) geboren wurden, das Ende der Fruchtbarkeit, weshalb in dieser Altersgruppe immer mehr Frauen um eine Fruchtbarkeitsbehandlung ersuchen.“

Einige Frauen sind sich möglicherweise nicht bewusst, wie schnell ihre Fruchtbarkeit mit den Jahren nachlässt. Nach Angaben der US-Zentren für Gesundheitsüberwachung liegt die Chance einer 42-Jährigen, aus ihren eigenen Eizellen ein Kind zu bekommen, unter 10 Prozent. Deshalb werden bei älteren Frauen, die sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, oft gespendete Eizellen verwendet.

Ein neuerer Trend ist die so genannte Embryoadoption, bei der unfruchtbare Paare einen Embryo erwerben, der bei der Fruchtbarkeitsbehandlung eines anderen Paares übrig geblieben ist. Allein in den Vereinigten Staaten sollen schätzungsweise 200 000 tiefgefrorene Embryonen eingelagert sein. In einem CBS-Bericht hieß es vor kurzem: „In kleinem Rahmen wird die Embryonenspende schon seit Jahren in aller Stille praktiziert.“

Wie zu erwarten, sind auf dem Gebiet der künstlichen Befruchtung einige Fragen entstanden. Was ist vom ethisch-moralischen Standpunkt aus von solchen Schwangerschaften zu halten? Was sagt die Bibel zu diesem Thema? Mit diesen und weiteren Fragen befasst sich der folgende Artikel.

[Fußnote]

^ Abs. 7 Zu den Ursachen weiblicher Unfruchtbarkeit zählen unter anderem Erkrankungen der Eierstöcke, undurchlässige Eileiter oder Endometriose. Beim Mann liegt die Unfruchtbarkeit oft an den nicht oder zu wenig vorhandenen Spermien.

[Kasten/Bild auf Seite 4]

EINIGE METHODEN DER KÜNSTLICHEN BEFRUCHTUNG

KÜNSTLICHE INSEMINATION (AI). Ein Verfahren, bei dem auf einem anderen als dem natürlichen Weg Samen in die inneren Geschlechtsorgane der Frau eingebracht wird. Häufig wird erst die künstliche Insemination ausprobiert, bevor man zu einem der nachfolgend beschriebenen Verfahren greift.

INTRATUBARER GAMETENTRANSFER (GIFT). Bei diesem Verfahren entnimmt man den Eierstöcken mehrere Eizellen und vermischt sie mit Sperma. Anschließend werden die noch unbefruchteten Eizellen zusammen mit den Spermien in den Eileiter der Frau eingebracht. Dazu verwendet man ein Laparoskop (ein Gerät zur Untersuchung der Bauchhöhle), das durch kleine Schnitte in den Unterleib eingeführt wird.

INTRAZYTOPLASMATISCHE SPERMIENINJEKTION (ICSI) (siehe Vergrößerung links). Hierbei wird ein einzelnes Spermium direkt in eine Eizelle injiziert.

IN-VITRO-FERTILISATION (IVF). Bei der IVF werden den Eierstöcken der Frau Eizellen entnommen und außerhalb ihres Körpers befruchtet. Die so entstandenen Embryonen werden später durch den Gebärmutterhals in die Gebärmutter eingepflanzt.

INTRATUBARER ZYGOTENTRANSFER (ZIFT). Bei diesem Verfahren werden der Frau Eizellen entnommen und außerhalb ihres Körpers befruchtet. Eine erfolgreich befruchtete Eizelle wird durch einen kleinen Schnitt im Unterleib in den Eileiter eingesetzt.

[Nachweis]

Quelle: Reproduktionsmedizinische Information der US-Zentren für Gesundheitsüberwachung

Mit frdl. Gen.: University of Utah Andrology and IVF Laboratories

[Kasten/Bild auf Seite 5]

WAS SIND DIE RISIKEN?

MENSCHLICHES VERSAGEN. In amerikanischen, britischen und niederländischen Fruchtbarkeitskliniken wurden versehentlich die falschen Embryonen und Spermien verwendet. Ein Paar bekam Zwillinge anderer Hautfarbe und in einem Fall gebar eine Frau Zwillinge mit unterschiedlichen Hautfarben.

MEHRLINGSGEBURTEN. Wenn mehrere Embryonen in die Gebärmutter eingepflanzt werden, kann es zu einer Mehrlingsschwangerschaft kommen. Gemäß Studien steigt dabei das Risiko von Früh- und Fehlgeburten, niedrigem Geburtsgewicht und Behinderung.

GEBURTSFEHLER. Nach einer Studie haben durch In-vitro-Fertilisation gezeugte Kinder ein höheres Risiko von Fehlbildungen wie etwa Defekte des Herzens oder der Nieren, Gaumenspalte oder Hodenhochstand.

DIE GESUNDHEIT DER MUTTER. Hormonbehandlungen oder Mehrlingsschwangerschaften können Komplikationen verursachen, die das Gesundheitsrisiko der Mutter erhöhen.