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Die Schönheitsfalle

Die Schönheitsfalle

Die Schönheitsfalle

NACH welchen Kriterien wird wahre Schönheit beurteilt? Der Volksmund sagt: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Und so wird die Wahrnehmung von Schönheit auch wirklich weithin als subjektiv eingestuft. Außerdem hat sich die landläufige Meinung, was schön ist, mit der Zeit sehr gewandelt und ist auch von Kulturkreis zu Kulturkreis sehr verschieden.

Jeffery Sobal, außerordentlicher Professor für Ernährungswissenschaften an der Cornell-Universität (USA), weist auf Folgendes hin: „Im 19. Jahrhundert brachte man in nahezu allen Gesellschaften Korpulenz mit einem höheren sozialen Status in Verbindung. Körperfülle wurde als Zeichen für Wohlstand und Gesundheit angesehen, wohingegen Magerkeit anzeigte, dass jemand zu arm war, um sich ausreichend Essen leisten zu können.“ Die Arbeiten vieler Künstler aus dieser Zeit spiegeln diesen Schönheitsbegriff wider, denn ihre (meist weiblichen) Modelle sind rundum rundlich — mit stämmigen Armen und Beinen, kräftigem Rücken und gut gepolsterten Hüften. Und viele dieser Arbeiten waren Porträts realer Personen, die als Inbegriff der Schönheit galten.

Diesen Schönheitsbegriff findet man auch heute noch, wobei zur Frage, was schön ist, freilich mehr gehört als die Figur. In einigen Kulturkreisen im Südpazifik zum Beispiel steht Körperfülle nach wie vor hoch im Kurs. An manchen Orten in Afrika werden voraussichtliche Bräute in regelrechten „Mastfarmen“ untergebracht, wo sie große Mengen an kalorienreichen Lebensmitteln vorgesetzt bekommen. Dahinter steckt der Gedanke, sie dadurch attraktiver zu machen. Der Besitzer eines Nachtklubs in Nigeria sagt: „Die Durchschnittsafrikanerin ist kräftig gebaut . . . Das ist es, was sie an Schönheit zu bieten hat. So will es unsere Kultur.“ Auch in vielen traditionellen lateinamerikanischen Kulturkreisen wird eine kräftige Figur als Zeichen von Wohlstand und Erfolg angesehen.

An vielen anderen Orten ist allerdings genau das Gegenteil der Fall. Wieso das? Durch Industrialisierung und expandierenden Handel kam es nach Ansicht einiger dazu, dass es ein breiter gefächertes und für mehr Menschen verfügbares Angebot an Nahrungsmitteln gab. Nun konnten es sich auch die „niederen“ Klassen leisten, das zu essen, was zuvor Privileg der Reichen gewesen war. Dadurch ebbte die Bewunderung für Körperfülle nach und nach ab. Manche Religionen wiederum verknüpfen Übergewicht mit Völlerei, was dem Dicksein ein gewisses Negativimage eingetragen hat. Und die von Wissenschaftlern entdeckten gesundheitlichen Risiken, die mit Fettleibigkeit verbunden sind, haben ebenfalls eine Rolle gespielt. Wegen dieser und anderer Faktoren hat sich der Schönheitsbegriff gewandelt und Dünnsein gilt nun schon seit einigen Jahrzehnten in einem großen Teil der Welt als das Ideal.

Die Medien tun viel, um diese Vorstellung zu fördern. Auf Reklametafeln oder in der Fernsehwerbung sieht man in der Regel Menschen mit schlankem, durchtrainiertem Körper. Ihr Aussehen soll vermitteln: Wer so aussieht, der ist erfolgreich und kann sich sicher fühlen. Das Gleiche trifft auf Kino- und Fernsehstars zu.

Wie wird man als ganz normaler Durchschnittsmensch, besonders auch als Teenager, davon beeinflusst? Eine neuere Abhandlung zum Thema Körperwahrnehmung lässt erkennen, dass „die Durchschnittsamerikanerin bis zum Schulabschluss über 22 000 Stunden ferngesehen hat“. In dieser Zeit ist sie nur zu oft mit Bildern bezaubernder Frauen bombardiert worden, die den „perfekten“ Körper besitzen. In der Abhandlung heißt es weiter: „Dadurch, dass Frauen immer wieder diese Bilder vor Augen haben, assoziieren sie dieses Körperideal mit Prestige, Glück, Liebe und Erfolg.“ Es überrascht daher kaum, dass im Rahmen einer Befragung junger Mädchen 47 Prozent meinten, abnehmen zu müssen, nachdem sie sich in einer Zeitschrift Fotomodelle angesehen hatten. Dabei waren nur 29 Prozent der Mädchen wirklich übergewichtig.

Auch die Modeindustrie beeinflusst stark das allgemeine Schönheitsempfinden. Jennifer, ein venezolanisches Fotomodell, das in Mexiko-Stadt arbeitet, sagt: „Dein Job ist es, gut auszusehen. Und das bedeutet heute, dünn zu sein.“ Ein französisches Fotomodell namens Vanessa sagt: „Der Punkt ist gar nicht einmal, dass die anderen von dir verlangen, dünn zu sein, aber du selbst erwartest es einfach von dir. Dünnsein ist ein weltweiter Trend.“ Bei einer Umfrage räumten 69 Prozent der jungen Mädchen ein, sich in ihrer Meinung, was einen schönen Körper ausmacht, von Models in Zeitschriften beeinflussen zu lassen.

Aber nicht nur Frauen sind empfänglich für die Idee von der so genannten Idealgestalt. Die mexikanische Zeitung El Universal schreibt: „Noch nie zuvor hat der Markt so viele Produkte für die Schönheitspflege des Mannes gesehen wie heute.“

Der „Idealkörper“ — nur im Idealfall?

Viele, die den „Idealkörper“ anstreben oder einfach nur so gut wie möglich aussehen wollen, gehen deshalb zum Schönheitschirurgen. Das Behandlungsspektrum wird immer breiter und schönheitschirurgische Eingriffe werden auch immer erschwinglicher. Wann und wie fing es mit der kosmetischen Chirurgie an?

Die ersten Gehversuche mit modernen Techniken der plastischen Chirurgie machte man gemäß der Encyclopædia Britannica in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, um kriegsverletzungsbedingte Entstellungen zu beheben. Seither sind diese Techniken wertvolle Hilfen, um schwere Schäden zu korrigieren, die durch Verbrennungen, traumatische Verletzungen und angeborene Missbildungen hervorgerufen werden. Doch wird plastische Chirurgie, wie die Britannica einräumt, oft „ausschließlich angewandt, um das Erscheinungsbild an und für sich gesunder Menschen zu verbessern“. So kann die Nase neu geformt werden, Gesicht und Hals können geliftet werden, Ohren lassen sich verkleinern, Fett kann von Bauch und Hüften entfernt werden und das Volumen bestimmter Körperteile lässt sich vergrößern. Selbst dem Bauchnabel kann ein „attraktiveres Aussehen“ verliehen werden.

Doch welchen Risiken setzen sich gesunde Personen aus, um ihr Aussehen zu verbessern? Wie Angel Papadopulos, Schriftführer der Mexikanischen Vereinigung für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie, erklärt, werden Schönheitsoperationen mitunter von Personen ausgeführt, die dafür nur unzureichend ausgebildet sind. Dadurch wird großer Schaden angerichtet. Es gibt auch Kliniken, die Patienten gefährliche Substanzen verabreichen, um ihre Figur in Form zu bringen. Anfang 2003 berichtete eine Zeitung von einem Skandal auf den Kanarischen Inseln, wo die Zustände in Schönheitssalons sehr zu wünschen übrig ließen. Hunderte von Frauen waren Opfer von nicht fachgerecht ausgeführten Operationen geworden. *

Auch Männer können in die Schönheitsfalle des „Idealkörpers“ geraten. Manche verbringen Stunden über Stunden im Fitnessstudio und verwenden fast ihre gesamte Freizeit dazu, ihren Körper aufzubauen und zu formen. „Auf lange Sicht“, so die Zeitschrift Milenio, „bewirkt der starke Drang nach Bewegung, dass soziale Aktivitäten nachlassen und sich die Bindungen zu anderen Menschen lockern.“ Der starke Drang, ein muskulöses Aussehen zu erreichen, veranlasst manche sogar dazu, Mittel einzunehmen, die dem Körper schaden können, wie zum Beispiel Steroide.

Manche junge Frauen sind so sehr auf ihr Aussehen fixiert, dass sie unter Essstörungen leiden wie Bulimie und Anorexia nervosa. Einige setzen auf Schlankheitsprodukte, die enorme Gewichtsverluste in kurzer Zeit versprechen, von seriösen Gesundheitsinstitutionen aber nicht empfohlen werden. Solche Schlankheitsmittel können ernsthaften Schaden anrichten.

Die Risiken, die sich daraus ergeben, zu sehr auf das Äußere fixiert zu sein, sind nicht nur körperlicher Natur. Dr. Katherine Phillips von der Brown-Universität (USA) sagt, dass übertriebene Sorgen wegen des Aussehens zu Dysmorphophobie führen können. Wer an diesem psychischen Leiden erkrankt, ist völlig auf seine eingebildeten körperlichen Fehlbildungen fixiert. Eine von fünfzig Personen soll darunter leiden. Betroffene „können sich ihre Hässlichkeit so stark einbilden, dass sie sich von ihren Freunden und Angehörigen völlig zurückziehen,“ sagt Dr. Phillips. „Sie können depressiv werden und zu Selbstmordgedanken tendieren.“ Sie führt als Beispiel ein hübsches Mädchen an, das eine ganz leichte Akne hatte, aber davon überzeugt war, ihr Gesicht sei voller Narben. Weil sie nicht mehr unter Menschen sein wollte, ging sie sogar nach der siebten Klasse von der Schule ab.

Ist das Aussehen es wirklich wert, dass man sein psychisches oder körperliches Wohlbefinden dafür opfert, um einem „Idealbild“ zu entsprechen? Gibt es eine Schönheit, die wichtiger und erstrebenswerter ist?

[Fußnote]

^ Abs. 13 Ob sich ein Christ einer Schönheitsoperation unterzieht, ist seine persönliche Entscheidung. Es gibt dabei allerdings Wichtiges zu beachten. Eine detailliertere Abhandlung ist im Erwachet! vom 22. August 2002 auf den Seiten 18—20 zu finden.

[Herausgestellter Text auf Seite 5]

69 Prozent der jungen Mädchen lassen sich in ihrer Meinung, was einen schönen Körper ausmacht, von Models in Zeitschriften beeinflussen

[Bild auf Seite 4]

Die Werbung beeinflusst enorm, was als Schönheitsideal gilt

[Bild auf Seite 6]

Einige haben sich durch übertriebene plastische Chirurgie selbst geschadet

[Bilder auf Seite 7]

Manche verlangen sich enorm viel ab, um das gewünschte Aussehen zu erreichen