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Der Erste Mai — ein besonderer Tag?

Der Erste Mai — ein besonderer Tag?

Der Erste Mai — ein besonderer Tag?

VON EINEM ERWACHET!-MITARBEITER IN GROSSBRITANNIEN

Was verbindet man mit dem Ersten Mai? Paraden und Demonstrationen auf den Straßen? Tanz um den Maibaum? Oder ist es nichts weiter als ein arbeitsfreier Tag?

SO UNTERSCHIEDLICH dieser Tag in den verschiedensten Teilen der Welt heute auch begangen wird — es gibt einen gemeinsamen Kern. Das verrät ein kurzer Blick auf seine Geschichte.

Ursprung

Im alten Rom fiel der erste Mai in die Zeit der Floralien, eines Festes zu Ehren der Göttin Flora, Patronin der Blumen und des Frühlings. Dabei wurde gesungen und getanzt und es gab farbenprächtige Umzüge mit viel Blumenschmuck. Römische Prostituierte feierten die Floralien mit besonderer Hingabe, betrachteten sie doch Flora als ihre Schutzgöttin.

Wenn die Römer ein Land eroberten, verbreiteten sie dort auch ihr Brauchtum. In den von Kelten bewohnten Gegenden stellten sie jedoch fest, dass der erste Mai bereits gefeiert wurde: und zwar als Beltanefest *. Am Vorabend (dem Tagesanfang bei den Kelten) wurden alle brennenden Feuer gelöscht, und bei Sonnenaufgang zündeten die Menschen dann auf Hügeln oder unter heiligen Bäumen Freudenfeuer an, um den Sommer und die Erneuerung des Lebens willkommen zu heißen. Auch führte man die Rinder auf die Weiden und erflehte den Segen der Götter für sie. Binnen kurzem verschmolzen die Floralien mit Beltane zum Maifest.

Für die deutschsprachigen und skandinavischen Völker wurde Walpurgis das Pendant zu Beltane. Die Feiern begannen in der Walpurgisnacht mit dem Anzünden von Freudenfeuern, die Hexen und böse Geister vertreiben sollten. Andere europäische Völker entwickelten eigene Mairiten, von denen viele bis heute überdauert haben.

Die Kirchen der Christenheit konnten gegen diese heidnischen Feiern wenig ausrichten. Die englische Zeitung The Guardian schreibt: „Der Maifeiertag — oder Beltane — war der freizügigste Tag im Jahreskalender. Es war das einzige Fest, das die Kirche und andere Obrigkeiten nie so richtig in den Griff bekamen.“

Maibrauchtum

Bis zum Mittelalter waren zu diesem mittlerweile beliebtesten Feiertag Englands neue Bräuche hinzugekommen. Männer und Frauen verbrachten die Nacht in den heimischen Wäldern und sammelten Blumen und frisch ausgetriebene Zweige, um bei Sonnenaufgang „den Mai willkommen zu heißen“. * Wie der Puritaner Philip Stubbes in seinem Traktat The Anatomy of Abuses (Die Analyse von Missbräuchen) schreibt, war Unsittlichkeit an der Tagesordnung. Die Feiernden errichteten in der Dorfmitte einen Maibaum als Festmittelpunkt für tagelange Tänze und Spiele. Stubbes bezeichnet ihn als „diesen widerlichen Götzen“. Man kürte eine Maikönigin und oft auch einen Maikönig als Schirmherren der Feierlichkeiten. In anderen europäischen Gegenden gehörten Maibaum und Maikönigin ebenfalls zum Brauchtum.

Was hatte es mit all solchen Bräuchen auf sich? Die Encyclopædia Britannica erklärt: „Ursprünglich sollten derlei Riten eine fruchtbare Ernte sichern und darüber hinaus die Fruchtbarkeit von Rindern und Menschen. In den meisten Fällen verlor sich diese Bedeutung aber, und die Bräuche überdauerten einfach nur im Rahmen volkstümlicher Festlichkeiten.“

Auf und Ab

Die protestantischen Reformatoren verurteilten diese Feiern als heidnisch und wollten sie ausmerzen. Im kalvinistischen Schottland wurden Maifeiern 1555 verboten. 1644 untersagte dann ein puritanisch geprägtes englisches Parlament das Aufstellen von Maibäumen. Zur Zeit der Republik, in der England keinen König hatte, wurde gegen die „lasterhaften Praktiken“ der Maifeiern vorgegangen. Doch mit der 1660 wieder eingeführten Monarchie kamen auch die Maibäume wieder auf.

Im 18. und frühen 19. Jahrhundert verloren die Maifeierlichkeiten allmählich an Beliebtheit. Später allerdings wurden sie auf sittsamerem Niveau wieder belebt. Etliche heute als traditionell geltende Maibräuche stammen aus dieser späteren Zeit, beispielsweise dass Kinder um einen Maibaum tanzen und dabei bunte Bänder um ihn flechten. Volkskundler, die die eigentlichen Ursprünge von Maifeierlichkeiten erforschen, stoßen aber auf viele heidnische Wurzeln.

Auswanderer aus Europa nahmen ihr Maibrauchtum mit in die neue Heimat, und mancherorts feiern ihre Nachkommen noch heute nach den überlieferten Bräuchen. Doch in vielen Ländern wird der Erste Mai oder der darauf folgende Montag jetzt nur noch als Tag der Arbeit begangen.

Maifeiertag wird zum Tag der Arbeit

Die heute üblichen Paraden und Demonstrationen am Ersten Mai kamen in Nordamerika auf. Warum dort? Mit der industriellen Revolution wurden neue Maschinen eingeführt, die rund um die Uhr betrieben werden konnten. Deshalb wollten viele Fabrikbesitzer die Beschäftigten täglich außer sonntags bis zu 16 Stunden arbeiten lassen. Um die Verhältnisse der Arbeitnehmer zu verbessern, verlangten die Gewerkschaften in den Vereinigten Staaten und Kanada, ab 1. Mai 1886 einen Achtstundentag einzuführen. Die meisten Arbeitgeber lehnten das ab. Daraufhin traten an diesem ersten Mai Tausende in den Streik.

Nach den Haymarket-Unruhen in Chicago (Illinois) hatte die Arbeiterbewegung in den USA ihre ersten Märtyrer, worauf sich Arbeiter in England, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Russland und Spanien solidarisch erklärten. * 1889 beschloss ein in Paris tagender Kongress sozialistischer Parteien aus aller Welt, den 1. Mai 1890 zu einem Tag internationaler Demonstrationen für die Einführung des Acht-Stunden-Arbeitstages zu erklären. Seither hat es sich eingebürgert, an diesem Tag des Jahres für bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren.

In den Republiken der früheren Sowjetunion wurde der Erste Mai traditionell mit Militärparaden und Umzügen begangen, bei denen technologische Errungenschaften zur Schau gestellt wurden. Heute wird der Erste Mai in vielen Ländern als Tag der Arbeit begangen (in den Vereinigten Staaten und in Kanada ist das allerdings der erste Montag im September).

Parallelen zwischen früher und heute

Der erste Mai war von jeher ein Tag des Volkes. Arbeiter nahmen sich frei, auch ohne Erlaubnis des Arbeitgebers. Das Sozialgefüge wurde auf den Kopf gestellt. Für diesen Tag kamen König und Königin aus dem gemeinen Volk, und die herrschende Klasse wurde oft dem Spott preisgegeben. Da lag es nur nahe, dass der erste Mai von der Arbeiterbewegung übernommen wurde. Im 20. Jahrhundert wurde der Tag dann fester Bestandteil des sozialistischen Kalenders.

Wie der Maifeiertag im Altertum ist auch der Tag der Arbeit von Umzügen durch die Straßen geprägt. In den letzten Jahren waren die Maifeierlichkeiten jedoch zunehmend von Gewalt geprägt. Am 1. Mai 2000 zum Beispiel, als weltweit gegen den globalen Kapitalismus demonstriert wurde, kam es zu Ausschreitungen mit Verletzten und schwerer Sachbeschädigung.

Wer die nötigen Veränderungen bewirken wird

Ist es realistisch, von Menschen zu erwarten, sie könnten die weltweit nötigen Umwälzungen herbeiführen, um das Leben aller rechtschaffenen Personen zu verbessern? Eigentlich nicht. Ein alter Bibelspruch hat sich immer wieder bewahrheitet: „Es steht nicht bei dem Mann, der da wandelt, auch nur seinen Schritt zu richten“ (Jeremia 10:23).

Damit weltweit Frieden einkehrt, braucht es eine höhere, den Menschen überlegene Macht. Diese Macht geht von Jehova Gott, dem Schöpfer der Erde aus. In seinem Wort, der Bibel, wird über ihn gesagt: „Du öffnest deine Hand und sättigst das Begehren alles Lebenden“ (Psalm 145:16). Gott hat Großartiges versprochen, und es lohnt sich, das näher kennen zu lernen!

Entsprechend dem Vaterunser, das Jesus Christus, der Sohn Gottes, seine Jünger beten lehrte, wird Gottes Königreich wirklich kommen und Gottes Wille wird mit Sicherheit auf der Erde geschehen. Über den von Gott eingesetzten Herrscher, Jesus Christus, sagt die Bibel: „Er wird den Armen befreien, der um Hilfe ruft, auch den Niedergedrückten und jeden, der keinen Helfer hat. Es wird ihm leid sein um den Geringen und den Armen, und die Seelen der Armen wird er retten. Von Bedrückung und von Gewalttat wird er ihre Seele erlösen“ (Psalm 72:12-14).

[Fußnoten]

^ Abs. 7 Beltane ist die gebräuchlichste deutsche Form des keltischen Wortes.

^ Abs. 11 Vor Einführung des gregorianischen Kalenders vor gut 400 Jahren begann der Monat Mai elf Tage später als heute, weshalb das Wetter oft schon wärmer war und die Bäume schon weiter ausgetrieben hatten.

^ Abs. 19 Diese Unruhen brachen einen Tag nach Zusammenstößen zwischen Streikenden und Streikbrechern aus, bei denen mehrere Arbeiter ums Leben gekommen waren.

[Bild auf Seite 12]

Für das 16. Jahrhundert typischer Maibaum, wie er jedes Jahr vor einer Londoner Kirche aufgestellt wurde

[Bildnachweis]

Aus dem Buch Observations on Popular Antiquities

[Bild auf Seite 14]

Antikapitalistische Demonstration am 1. Mai 2000 in London

[Bildnachweis]

© Philip Wolmuth/Panos Pictures