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Hier kommt ein „fliegender Teppich“

Hier kommt ein „fliegender Teppich“

Hier kommt ein „fliegender Teppich“

VON EINEM „ERWACHET!“-MITARBEITER IN FINNLAND

HÖRNCHEN findet man fast überall auf der Welt. Aber nur wenige sind so interessant wie das Gewöhnliche Gleithörnchen. * Man könnte es auch einen „fliegenden Teppich“ nennen. Kann dieses kleine Nagetier wirklich fliegen? Was für ein Geschöpf ist das Gleithörnchen denn? Und wieso sieht man es ausgesprochen selten?

Wie fliegen sie?

Zwar springen alle baumbewohnenden Hörnchen von Baum zu Baum, aber Gleithörnchen sind unschlagbar. Diese Nagetierchen hüpfen bis zu 80 (!) Meter weit. Doch wie bewerkstelligen sie das?

Gleithörnchen besitzen eine Flughaut, die jeden Flugzeugingenieur nur verblüffen kann. „Die Vorderseite wird durch einen Knorpelstab gestützt, der am Handgelenk ansetzt“, so das Buch The World of the Animals. „Die Flughaut sieht aus, als bestehe sie lediglich aus zwei Hautschichten, doch weist sie auch eine dünne Muskelschicht auf, die es dem Hörnchen ermöglicht, die Neigung der ‚Tragfläche‘ zu verändern und sich aerodynamisch anzupassen.“

Von einem „fliegenden Teppich“ zu sprechen ist gar nicht so abwegig, denn das Hörnchen ist beim Gleiten tatsächlich total flach, fast wie ein Teppich. Wenn es nicht gleitet, sieht es manchmal aus, als würde es einen grauen Pelzmantel tragen, der ihm einige Nummern zu groß ist.

Wie schafft das Hörnchen es, nirgendwo anzustoßen? Sein Schwanz funktioniert wie ein Ruder, das den Gleitflug steuert. Und kurz vor der Landung auf einem Baum öffnet das Hörnchen seinen „Bremsfallschirm“, sprich: es richtet sich fast senkrecht auf. Nur höchst selten kommt es vor, dass sich das Hörnchen verkalkuliert und auf dem Boden landet.

Dem kleinen pelzigen „Drachenflieger“ kommt natürlich auch zugute, dass er kaum etwas wiegt. Ein ausgewachsenes Gleithörnchen ist im Durchschnitt etwa 150 Gramm schwer und rund 20 Zentimeter lang, den Schwanz nicht mitgerechnet. Seine Ohren sind klein und weisen keine Haarbüschel auf, die den Gleitflug behindern könnten.

Ein Nachtflieger

Das Gleithörnchen hat einmalig große schwarze Knopfaugen. Im Gegensatz zu anderen Hörnchen ist es ein Nachttier. Daher muss es sehr gut sehen können, um seine Lieblingsspeise zu finden: Blätter und Kätzchen von Laubbäumen und Knospen von Nadelbäumen. Da der Winter weniger Nahrung bietet, sammelt das Gleithörnchen im Herbst kleine Kätzchenvorräte und versteckt sie zwischen Zweigen und in Baumhöhlen.

Im Frühling kann es schon mal passieren, dass ein Gleithörnchen vor lauter Spielen glatt vergisst, sein Mittagsschläfchen zu halten. Außerdem hat so ein Hörnchen um diese Jahreszeit natürlich auch noch etwas ganz anderes im Kopf: die Paarung! Nachdem das Männchen durch seine Flugvorführungen genügend Eindruck auf das Weibchen gemacht hat, wird es Zeit, darüber nachzudenken, ein Nest zu bauen. Dieses ist vielleicht in einem Vogelhäuschen oder in einem Baumloch. Normalerweise besitzt ein Gleithörnchen viele Nester. Manche werden als Futterversteck genutzt, andere als Zweitwohnung. Einige Gleithörnchen bauen ihr Nest sogar in einem Stall, aber im Gegensatz zu anderen Hörnchen würden sie nie im Leben in der Stadt wohnen wollen!

Im Spätfrühling oder Frühsommer wird das Weibchen dann Mutter von zwei, drei Sprösslingen. Diese zu füttern hält sie beschäftigt, sogar tagsüber. Bei der Geburt sind die Kleinen nur fingerspitzengroß. Aber noch vor Herbstende werden sie aus dem Nest geflogen sein!

Warum so selten zu sehen?

Warum bekommt man ein Gleithörnchen so selten zu Gesicht? Zum einen bewegen sich diese kleinen nachtaktiven Geschöpfe lautlos durch das Blätterdach und machen nicht auf sich aufmerksam. Zum anderen bevorzugen Gleithörnchen die nördlichen Mischwälder, die sich vom Ostseeraum über die russische Taiga bis hin zum Pazifik erstrecken.

Dank des riesigen Baumbestands der sibirischen Wälder dürfte wohl garantiert sein, dass das Gewöhnliche Gleithörnchen überleben wird. Allerdings gehen dieser Art — wie anderen Höhlenbrütern auch — viele geeignete Nistplätze durch Entwaldung verloren. In Finnland, dem westlichen Gebiet seines Lebensraums, ist das Gleithörnchen durch eine Verordnung der EU geschützt. Jemand braucht ein Gleithörnchen nur flüchtig im Blätterdach zu erspähen oder aber seinen Kotklecks zu entdecken — und schon kann ein Bauprojekt zurückgestellt oder abgesagt werden.

Den Gleithörnchen ist natürlich nicht bewusst, welche Folgen ihre Kleckse haben, und in ihrem Lebensrhythmus scheint sie gar nichts stören zu können. Kaum senkt sich die Dunkelheit über die Wälder des Nordens, schon gucken Tausende winzige Näschen aus Baumhöhlen hervor. Lange Barthaare zucken, dünne Zweige wippen — und wieder wirbeln „fliegende Teppiche“ durch die Luft.

[Fußnote]

^ Abs. 3 Bei diesem Gleithörnchen handelt es sich nur um eine von mehr als dreißig Arten. Viele Gleithörnchen, wie zum Beispiel das katzengroße Riesengleithörnchen, leben in den Wäldern Südostasiens. Die afrikanischen Dornschwanzhörnchen sehen den Gleithörnchen sehr ähnlich, werden in der Regel aber nicht zu ihnen gezählt. Ihr auffälligstes Merkmal ist der Schwanz, der nur an der Spitze und teilweise an der Unterseite behaart ist.

[Bilder auf Seite 23]

Kätzchen frisst das Gleithörnchen besonders gern

[Bild auf Seite 24]

Ein ganz junges Gewöhnliches Gleithörnchen

[Bildnachweis auf Seite 22]

Ilya Lyubechanskii/BCIUSA.COM

[Bildnachweis auf Seite 23]

Hörnchen: Benjam Pöntinen

[Bildnachweis auf Seite 24]

Hörnchen: Benjam Pöntinen