Zurück zum Inhalt

Zum Inhaltsverzeichnis springen

Vom Drehbuch zum Film

Vom Drehbuch zum Film

Vom Drehbuch zum Film

SEIT einigen Jahrzehnten produziert Hollywood einen Blockbuster nach dem anderen. Und das mit weltweiter Wirkung, denn viele amerikanische Filme kommen schon Wochen oder gar Tage nach der US-Premiere auch im Ausland in die Kinos. Manche Filme laufen sogar weltweit am gleichen Tag an. „Der internationale Markt wächst und ist äußerst spannend“, sagt Dan Fellman, Direktor des Inlandvertriebs bei Warner Brothers Pictures, „deshalb betrachten wir unsere Filmproduktionen auch als eine globale Chance.“ Was in Hollywood geschieht, wirkt sich heute stärker auf die Unterhaltungsindustrie in aller Welt aus als je zuvor. *

Mit einem Film Geld zu verdienen ist allerdings nicht so einfach wie es vielleicht aussieht. Allein um die Produktions- und Werbekosten zu decken, müssen viele Filme mindestens 70 Millionen Euro einspielen. Ob sie jedoch ein Erfolg oder Misserfolg werden, hängt einzig und allein vom Publikum ab — und das ist unberechenbar. „Man weiß nie, was die Leute plötzlich begeistert oder was sie unbedingt sehen wollen“, sagte Professor David Cook, Filmwissenschaftler an der Emory-Universität. Wie versuchen Filmproduzenten ihre Erfolgschancen zu vergrößern? Um das besser zu verstehen, sollte man zuerst ein paar Grundbegriffe der Filmproduktion kennen. *

Preproduktion — die Grundlage

Die längste und mit die wichtigste Phase einer Filmproduktion ist oft die so genannte Preproduktion. Wie bei allen großen Projekten hängt auch beim Film viel von der Vorbereitung ab. Jeder in die Preproduktion gesteckte Euro soll später bei den Dreharbeiten ein Vielfaches an Ersparnis bringen.

Am Anfang der Produktion steht die Filmidee, eine fiktive oder auf wahren Begebenheiten basierende Handlung. Ein Autor verarbeitet die Idee zu einem Rohdrehbuch. Dieses Drehbuch kann noch mehrmals geändert werden, bevor die endgültige Fassung — das so genannte Shooting-Script — vorliegt. Das fertige Drehbuch enthält den Text und umreißt kurz die Handlung der jeweiligen Szene. Es beschreibt auch technische Details wie die Kameraführung und die Übergänge zwischen den einzelnen Szenen.

Bereits eine frühe Fassung des Drehbuchs wird einem Produzenten zum Kauf angeboten. * Welche Art Drehbücher einen Filmproduzenten wohl interessieren? Offenbar zielt der typische Sommerfilm auf Jugendliche und junge Erwachsene — „das Popcorn-Publikum“, wie ein Filmkritiker sie nennt. Daher entscheidet sich ein Produzent vielleicht für eine Handlung, die junge Leute anspricht.

Noch besser ist eine Handlung, die verschiedenen Altersgruppen etwas bietet. Beispielsweise wird ein Film über den Superhelden aus einem Comic garantiert kleinere Kinder ansprechen, die die Figur kennen. Und ihre Eltern werden sie zweifellos begleiten. Aber wie locken Filmemacher Jugendliche und junge Erwachsene in die Kinos? Vor allem „mit markigen Inhalten“, so Liza Mundy im Washington Post Magazine. Den Film mit derber Sprache, ungeschönten Gewaltszenen und einer gehörigen Portion Sex zu würzen trägt dazu bei, „sein Gewinnpotenzial zu erhöhen, weil dann keine Gruppe gelangweilt draußen vor dem Kino stehen bleibt“.

Hält ein Produzent ein Drehbuch für erfolgversprechend, kauft er es vielleicht und versucht dann, einen bekannten Regisseur und einen berühmten Schauspieler oder eine beliebte Schauspielerin unter Vertrag zu nehmen. Ein bekannter Regisseur und ein Topstar bringen später an der Kinokasse Umsatz. Außerdem können große Namen schon in diesem frühen Stadium Investoren anlocken, die benötigt werden, um den Film zu finanzieren.

Das Erstellen des so genannten Storyboards gehört ebenfalls zur Preproduktion. Ein Storyboard besteht aus Zeichnungen der zu filmenden Einzeleinstellungen, vor allem von Actionszenen. Das Storyboard dient dem Kameramann als Vorlage und spart bei den Filmaufnahmen viel Zeit. Nach den Worten des Regisseurs und Drehbuchautors Frank Darabont „gibt es nichts Schlimmeres, als am Set herumzustehen und den Drehtag mit der Suche nach der richtigen Kameraposition zu verschwenden“.

Während der Preproduktion gibt es noch viel mehr zu regeln. Zum Beispiel sind noch Fragen zu entscheiden wie: Wo soll gedreht werden? Sind Reisen nötig? Wie sollen die Kulissen für die Innenaufnahmen aussehen und gebaut werden? Braucht man Kostüme? Wer übernimmt die Beleuchtung, das Make-up, wer kümmert sich um die Frisuren? Was ist mit Ton, Spezialeffekten und Stunts? Das ist nur einiges von dem, was zu berücksichtigen ist, noch bevor die Dreharbeiten überhaupt beginnen. Wer den Nachspann einer teuren Kinoproduktion liest, wird feststellen, dass hinter den Kulissen oft Hunderte von Leuten aktiv sind. „Um einen Kinofilm zu drehen, braucht man eine Unmenge von Leuten“, erklärt ein Techniker, der bei den Dreharbeiten mehrerer Kinofilme mitgearbeitet hat.

Dreharbeiten — das Ganze auf Film bringen

Einen Film zu drehen kann zeitaufwendig, langwierig und teuer sein. Jede verschwendete Minute kann Tausende von Euro kosten. Manchmal müssen die Schauspieler, das Drehteam und die Ausrüstung an einen abgelegenen Winkel der Erde transportiert werden. Doch unabhängig davon, wo gedreht wird, verschlingt jeder einzelne Drehtag einen erheblichen Teil des Budgets.

Das Beleuchtungsteam, Friseure und Make-up-Künstler treffen mit als Erste am Drehort ein. Zu Beginn jedes Drehtages werden die Stars unter Umständen einige Stunden für die Kamera zurechtgemacht. Dann folgt ein langer Drehtag.

Der Regisseur überwacht sorgfältig die Aufnahme jeder einzelnen Szene. Selbst eine relativ einfache Szene zu drehen kann einen ganzen Tag dauern. Da die meisten Filmszenen mit nur einer Kamera aufgenommen werden, wird die Szene für jede Kameraperspektive wiederholt. Zudem muss jede Einstellung möglicherweise sogar mehrmals gedreht werden, ehe die Szene wirklich gut gespielt wurde oder bis ein technisches Problem behoben ist. So eine einzelne Szenenaufnahme bezeichnet man als Take. Größere Szenen können 50 oder mehr Takes erfordern. Später — in der Regel am Ende eines Drehtages — sieht sich der Regisseur alle Takes an und entscheidet, welche aufbewahrt werden. Insgesamt können die Dreharbeiten Wochen oder sogar Monate dauern.

Postproduktion — die Teile zusammenfügen

In der Postproduktion wird das Filmmaterial zu einem zusammenhängenden Film verarbeitet. Dazu synchronisiert man zunächst die Tonspur mit dem Film. Dann schneidet der Cutter aus dem unbearbeiteten Filmmaterial eine vorläufige Fassung des Films, den Rohschnitt.

In diesem Stadium werden auch akustische und optische Effekte eingearbeitet. Spezialeffekte sind einer der kompliziertesten Bereiche der Filmproduktion und werden häufig mithilfe von Computergrafiken produziert. Die teilweise spektakulären Resultate können sehr realistisch wirken.

Die Filmmusik, die in heutigen Produktionen eine immer größere Rolle spielt, wird ebenfalls in der Postproduktion hinzugefügt. „Die Filmindustrie verlangt heute mehr eigens komponierte Filmmusik als je zuvor — oft über eine Stunde und nicht nur 20 Minuten oder ein paar Takte für dramatische Szenen“, schreibt Edwin Black in der Zeitschrift Film Score Monthly.

Manchmal wird ein neuer Film einem Testpublikum vorgeführt. Dazu können Freunde und Kollegen des Regisseurs gehören, die mit der Produktion des Films nichts zu tun haben. Ihre Reaktion veranlasst den Regisseur gelegentlich, manche Szenen neu zu drehen oder ganz rauszunehmen. In einigen Fällen wurde der komplette Schluss eines Films geändert, weil der Originalschluss bei einer Testvorführung schlecht ankam.

Schließlich wird der fertige Film an die Kinos ausgeliefert. Erst jetzt stellt sich heraus, ob er ein Blockbuster oder ein Flop wird — oder irgendetwas dazwischen. Dabei steht nicht nur Geld auf dem Spiel. Eine Serie von Fehlschlägen kann die Arbeitsaussichten eines Schauspielers zunichte machen und den Ruf eines Regisseurs ruinieren. „Ich habe selbst erlebt, wie manche meiner Kollegen nach einigen Fehlschlägen das Handtuch warfen“, erzählt der Regisseur John Boorman über seine ersten Jahre als Filmemacher. „Wer seinen Auftraggebern kein Geld bringt, ist weg vom Fenster — das ist die harte Realität des Filmgeschäfts.“

Das Publikum vor den Kinoreklamen interessiert sich natürlich weniger dafür, ob Filmemacher ihren Job behalten oder nicht. Eher schon will ein Kinogänger wissen: Wird mir dieser Film gefallen? Lohnt es sich, dafür Geld auszugeben? Ist der Film vielleicht schockierend oder abstoßend? Ist er für meine Kinder geeignet? Wie findet man die Antwort auf solche Fragen, wenn man überlegt, welche Filme man ansehen soll?

[Fußnoten]

^ Abs. 2 Laut Anita Elberse, Professorin an der Harvard Business School, „spielen Filme mittlerweile zwar oft mehr Geld im Ausland ein als in den Vereinigten Staaten, doch der Erfolg eines Films beim amerikanischen Publikum beeinflusst erheblich, wie er sich im Ausland verkauft“.

^ Abs. 3 Wir stellen einen möglichen Produktionsablauf vor, der in Details natürlich von Film zu Film variieren kann.

^ Abs. 7 Statt eines Drehbuchs wird einem Produzenten manchmal auch ein Exposé angeboten, in dem die Handlung grob beschrieben wird. Falls ihn die Geschichte interessiert, kann er die Rechte daran kaufen und den Inhalt zu einem Drehbuch verarbeiten lassen.

[Herausgestellter Text auf Seite 6]

„Man weiß nie, was die Leute plötzlich begeistert oder was sie unbedingt sehen wollen“ (David Cook, Filmwissenschaftler)

[Kasten/Bilder auf Seite 6, 7]

MIT MARKETING ZUM BLOCKBUSTER

Der Film ist fertig und kann einem Millionenpublikum vorgestellt werden. Wird er Erfolg haben? Sehen wir uns einmal an, wie Filmproduzenten ihr Produkt vermarkten, damit es zu einem Kassenschlager wird.

IN ALLER MUNDE: Mit das wirksamste Mittel, Erwartung für einen Film zu wecken, ist die Art Mundpropaganda, die im Marketingjargon als „Buzz“ bezeichnet wird. Manchmal wird ein Film schon Monate vor der Premiere ins Gespräch gebracht, etwa dadurch, dass man einfach die Fortsetzung eines erfolgreichen Films ankündigt. Werden die Stars aus dem Vorgängerfilm wieder dabei sein? Wird die Fortsetzung besser (oder schlechter) sein als der Vorgänger?

Gelegentlich bringen umstrittene Elemente einen Film ins Gespräch — beispielsweise für einen normalen Kinofilm ungewöhnlich explizite Sexszenen. Ist die Szene wirklich so schlimm? Geht dieser Film zu weit? Während die gegensätzlichen Meinungen öffentlich diskutiert werden, freuen sich die Produzenten über die Gratiswerbung. Manchmal bewirkt die bewusst herbeigeredete Kontroverse vor allem gut besuchte Erstaufführungen.

MEDIEN: Eher traditionelle Werbeformen sind Plakate, Zeitungsanzeigen, Fernsehspots, Trailer vor dem Hauptfilm und Interviews, bei denen die Stars über ihren neuen Film sprechen. Heute wird die Werbetrommel für Kinofilme auch gern im Internet gerührt. „Hätte Dorothy [aus dem Film Der Zauberer von Oz] mit ihrer Maus geklickt statt mit ihren Absätzen, wäre sie auf lauter bunten Kino-Websites gelandet, wo man über die Stars plaudern, Trailer ansehen und Eintrittskarten kaufen kann“, schreibt der Filmkritiker Steve Persall.

MERCHANDISING: Bestimmte Produkte können schon im Vorfeld auf den Film aufmerksam machen. Zu einem Film über einen Comichelden gab es unter anderem die passenden Brotdosen und Becher sowie Schmuck, Kleidung, Schlüsselanhänger, Uhren, Lampen und ein Brettspiel. „In der Regel werden 40 Prozent der Merchandisingprodukte zu einem Film schon vor der Premiere verkauft“, schreibt Joe Sisto in einem Freizeitjournal der amerikanischen Anwaltsvereinigung.

VIDEOS: Ein Film, der im Kino noch keinen Gewinn brachte, kann die Verluste immer noch durch den Verkauf von Videos gutmachen. Laut Bruce Nash, der sich damit befasst, wie viel Geld mit Filmen eingespielt wird, kommen „40 bis 50 Prozent der Einnahmen aus dem Videogeschäft“.

ALTERSFREIGABEN: Filmproduzenten wissen mittlerweile die Altersfreigaben für ihre Zwecke zu nutzen. Einerseits könnte Material allein zu dem Zweck in einen Film eingebaut werden, ihn in eine höhere Altersklasse einstufen zu lassen, so als sei er eher etwas für Erwachsene. Andererseits könnte man aus einem Erwachsenenfilm gerade so viel herausschneiden, wie nötig ist, um ihn auch für Jugendliche vermarkten zu können. Wie Liza Mundy im Washington Post Magazine schreibt, „ist die Angabe ‚Unter 13 möglichst nur in Begleitung Erwachsener‘ . . . zu einer Werbeaussage geworden. Die Filmstudios setzen diese Altersfreigabe bewusst ein, um Jugendlichen — und Kindern, die gerne schon als Jugendliche zählen möchten — zu signalisieren, dass der Film coole Szenen enthält.“ Die Altersfreigaben bewirken eine Art „Generationskonflikt“, so L. Mundy. „Sie warnen die Eltern und gleichzeitig locken sie die Kinder.“

[Bilder auf Seite 8, 9]

WIE FILME GEMACHT WERDEN

DREHBUCH

STORYBOARD (AUSSCHNITT)

KOSTÜME

MAKE-UP

DREHARBEITEN AM SET

FILMEN VON SPEZIALEFFEKTEN

MUSIKAUFNAHMEN

ABMISCHEN DER TONSPUR

COMPUTERANIMATION

BEARBEITEN