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Schon mal die Beere probiert, die springt wie ein Ball?

Schon mal die Beere probiert, die springt wie ein Ball?

Schon mal die Beere probiert, die springt wie ein Ball?

Von einem Erwachet-Mitarbeiter in Kanada

DER Farmer verteilt Schwefel auf seinem Land, damit der Boden saurer wird. Im Herbst flutet er die Felder, wenn die Frucht herangereift ist. Nach der Ernte lässt er sie absichtlich fallen, um zu sehen, ob sie springt.

Ja, ist er denn nicht recht bei Verstand? Ganz im Gegenteil. Was er da macht, sieht zwar so aus, als würde er damit großen Schaden anrichten, aber in Wirklichkeit stellt er dadurch sicher, dass sein Produkt die höchstmögliche Güte hat. Der Farmer baut nämlich Cranberrys an (Vaccinium macrocarpon, auch als Großfrüchtige Moosbeere bekannt). Diese robusten Beeren sehen wir uns jetzt einmal etwas näher an.

Beeren aus dem Moor

Als die ersten Europäer an der Nordostküste Amerikas eintrafen, boten ihnen die Einheimischen rote Beeren als Handelsware an, die erfrischend herb schmeckten. Die Pequot-Indianer lebten damals in der Gegend, die heute unter dem Namen Cape Cod bekannt ist; sie nannten diese Frucht i-bimi, die „bittere Frucht“. Die Pilgerväter nannten die Frucht craneberry, möglicherweise weil der Stiel und die Blüten der Pflanze dem Hals und Kopf eines Kranichs (englisch: crane) ähnlich sehen. Außerdem wurden die Beeren besonders gern von den Kranichschwärmen gefressen, was ebenfalls ein Grund für den Namen sein könnte. Jedenfalls wurde aus craneberry schon bald verkürzt cranberry.

Die Indianer sammelten die Cranberrys in tief liegenden Torfmooren. Die feuchte, verrottende Vegetation in diesen Mooren machte den Boden ungewöhnlich sauer und damit für das Wachstum der meisten Pflanzen unbrauchbar. Aber Cranberrys benötigen gerade diese Art von Boden. Und die am Boden kriechenden erdbeerähnlichen Ranken gediehen von Kanada, hoch im Norden, bis Virginia, tief im Süden.

Im Jahr 1680 berichtete Mahlon Stacy, ein Siedler in New Jersey, seinem Bruder in England über die Beeren. Er schrieb: „Cranberrys können bis zur nächsten Fruchternte aufbewahrt werden. Sie sind ungefähr so groß und so rot wie Kirschen. Aus ihnen wird eine exzellente Soße bereitet, die man zu Wild, Truthahn und anderem Geflügel isst. Und als Törtchenfüllung kommen weder Stachelbeeren noch Kirschen an sie heran. Wir lassen uns die Beeren in großen Mengen von den Indianern heranschaffen.“

Nahrungsmittel, Medizin und Konservierungsmittel — alles in einem

Die amerikanischen Ureinwohner machten sich die natürlichen Konservierungseigenschaften der Cranberry zunutze. Aus einer Masse aus getrocknetem, zerstampftem Fleisch oder Fisch, vermischt mit Cranberrys, bereiteten sie ein Nahrungsmittel, das sie Pemmikan nannten. Die geformten Pastetchen wurden in der Sonne getrocknet. Während der langen Wintermonate waren diese Pastetchen ein idealer Eiweiß- und Vitaminlieferant. Die Beeren sind überaus reich an Pektin und deshalb so lange haltbar. Sie enthalten außerdem viel Vitamin C. Daher wurden in längst vergangenen Zeiten, in denen Seeleute stets anfällig für Skorbut waren, die Cranberrys gleich fässerweise mit auf große Fahrt genommen.

Als Medizin wussten die Indianer die Beeren ebenfalls zu nutzen. Sie vermischten sie mit Maismehl und machten damit Umschläge, um bei Wunden einer Blutvergiftung vorzubeugen. Wie aus jüngeren medizinischen Studien hervorgeht, kann man manchen Harnwegsinfektionen durch das Trinken von Cranberrysaft vorbeugen. Der Saft verhindert, dass sich die entzündungsauslösenden Bakterien im Harntrakt festsetzen.

Warum springen sie wie ein Ball?

Halbiert man eine reife Beere, sieht man, dass sie vier Luftkammern hat. Diese haben für die kommerzielle Nutzung einen doppelten Nutzen. Zum einen braucht man die Beeren nicht mit der Hand zu pflücken, sondern der Züchter kann die Felder fluten, die Ranken maschinell schütteln — sodass die reifen Beeren abfallen — und darauf vertrauen, dass die kleinen Luftkammern die Beeren an der Wasseroberfläche treiben lassen. * Danach werden die Beeren einfach abgeschöpft und sortiert.

Der zweite Vorteil der Luftkammern wurde Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt. Die Legende sagt, dass ein Züchter auf einer Treppe aus Versehen einen Eimer voller Beeren fallen ließ. Zu seinem Erstaunen merkte er, dass die besten Beeren die ganze Treppe hinunterhüpften, die weichen oder angefaulten Früchte dagegen auf den Stufen liegen blieben. Die intakten Luftkammern in den Beeren bester Güte ließen sie springen wie ein Ball. Die minderwertigen Früchte glichen einem Ball, aus dem die Luft raus ist.

Im Jahr 1881 kamen die ersten Maschinen auf den Markt, mit denen man die Springeigenschaft der Beere ausnutzte. Heute gehen die Sortieranlagen noch genau nach dem gleichen Prinzip vor, sprich: einwandfreie Früchte werden dazu gebracht, über eine Barriere zu springen. Früchte, die das schaffen, werden als ganze Früchte verkauft. Weiche Früchte fallen durch die Maschine und werden zu Saft oder Gelee verarbeitet.

Über 250 Millionen Kilogramm Cranberrys werden in einem einzigen Jahr im Nordosten und Nordwesten der Vereinigten Staaten sowie in Kanada in speziell präparierten Mooren angebaut. Wer diese leicht säuerliche Frucht bisher noch nicht probiert hat, könnte das ja nun nachholen. Die Beere strotzt geradezu vor Vitaminen und Mineralien und enthält viele Antioxidantien, die vor Herzkrankheiten und Krebs schützen können. Wer weiß, vielleicht werden unsere Schritte dann direkt noch ein wenig schwungvoller.

[Fußnote]

^ Abs. 13 Durch das Fluten der Cranberryfelder zur Erntezeit haben manche irrtümlich gedacht, die Beeren würden unter Wasser wachsen.

[Kasten auf Seite 17]

Cranberrys nur in Nordamerika?

In den Vereinigten Staaten feiert man das Erntedankfest (Thanksgiving Day) am vierten Donnerstag im November und in Kanada am zweiten Montag im Oktober. An diesem Tag gehören Cranberrys zum traditionellen Essen dazu. Zum allerersten Thanksgiving Day im Jahr 1621, so die Legende, sollen Indianer die Beeren mitgebracht haben. Ausgerichtet wurde das Fest von dem Gouverneur von Plymouth, William Bradford, und drei Tage lang tafelte man und vergnügte man sich. Da die Cranberry so traditionsreich ist und zu den wenigen nordamerikanischen Beerenarten gehört, die kommerziell angebaut werden, denken viele, dass es sie nur in Amerika gibt.

Doch Kleinfrüchtige Moosbeeren (Vaccinium oxycoccos) wachsen auch in Asien und in Nord- und Mitteleuropa. Es wird also nicht nur die amerikanische Küche durch die Beeren bereichert. In der Encyclopædia Britannica heißt es: „Cranberrysoße und -gelee werden inzwischen als typisch amerikanisch angesehen, doch auch die Skandinavier halten ihre Preiselbeere hoch in Ehren (Vaccinium vitis-idaea). Sie ähnelt der Cranberry [Vaccinium macrocarpon] sehr, ist aber noch würziger im Geschmack.“

[Bild auf Seite 15]

Cranberryblüte

[Bildnachweis]

Mit frdl. Gen.: Charles Armstrong, Cranberry Professional, Univ. of Maine Cooperative Extension, USA

[Bild auf Seite 16, 17]

Cranberryernte in einem gefluteten Moor

[Bildnachweis]

Keith Weller/ Agricultural Research Service, USDA

[Bilder auf Seite 17]

Weiße Cranberrys werden geerntet

[Bildnachweis]

Kleine Bilder: Mit frdl. Gen.: Ocean Spray Cranberries, Inc.