Zurück zum Inhalt

Zum Inhaltsverzeichnis springen

Wein, Holz und das Küferhandwerk

Wein, Holz und das Küferhandwerk

Wein, Holz und das Küferhandwerk

SCHOKOLADE, Muskatnuss, Vanille oder nasser Hund — mit so einfallsreichen Begriffen beschreiben Winzer den Geschmack ihrer Weine. Wodurch entstehen überhaupt derart komplexe Aromen? Rebsorte, Bodenbeschaffenheit und Wetter tragen alle ihren Teil dazu bei. Doch seit dem ersten Jahrhundert u. Z. haben Winzer den über 400 Inhaltsstoffen, die Aroma und Bukett eines Weines ausmachen, eine weitere, kräftige Komponente hinzugefügt. Es handelt sich um Holz — allerdings nicht um irgendeines, sondern um das besondere Holz der Weißeiche.

Wie kamen Wein und Holz überhaupt in Kontakt? Und warum wird für den Ausbau hochwertiger Weine ausgerechnet Weißeichenholz verwendet?

Holz anstelle von Haut und Ton

Wie man Wein erzeugt, fanden die Menschen schon sehr früh in der überlieferten Geschichte heraus (1. Mose 9:20, 21). Man füllte Traubensaft in Gefäße aus Ton oder in Schläuche aus Tierhäuten und ließ ihn darin vergären. Bis in die Zeit Christi waren das die üblichen Behältnisse, um Wein zu lagern und zu transportieren (Matthäus 9:17). Dann aber kam allmählich eine andere Lager- und Transportmethode auf.

Der Historiker Plinius der Ältere aus dem ersten Jahrhundert u. Z. berichtet, dass Handwerker in Gallien (heute Frankreich) eine Methode erfanden, Holzstücke so zu formen und miteinander zu verbinden, dass ein Fass entstand. Holzfassbauer, auch Küfer oder Böttcher genannt, gaben die nötigen Kenntnisse für die Herstellung dieser nützlichen Gefäße von Generation zu Generation weiter. Außer wasserdichten Fässern für Flüssigkeiten wie Wein und Öl machten sie auch Fässer, die ideal für den Transport von Trockengütern wie Mehl oder Nägel waren. Zu einer Zeit, da man zur Beförderung von Gütern auf die Muskelkraft von Mensch oder Tier angewiesen war, erwies sich die Erfindung des Fasses als großer Fortschritt. Warum?

Ein technischer Quantensprung

Dank seiner gewölbten Form ist das Fass nicht nur sehr stabil, sondern es lässt sich auch rollen. Um eine schwer beladene viereckige Kiste zu befördern, brauchte man mehrere Männer oder ein Lasttier. Aber in einem Fass konnte die gleiche Menge Güter von nur einem Mann bewegt werden. Fässer waren also nicht so zerbrechlich wie Tongefäße und ließen sich leichter transportieren als Kisten, und deshalb blühte der Handel mit allen möglichen Produkten im Lauf der Jahrhunderte immer mehr auf.

Mittlerweile haben Behälter aus Stahl, Kunststoff und Pappe weitgehend die Rolle jener alten Gefäße übernommen. Trotzdem hat das Küferhandwerk nicht nur überlebt, sondern ist immer noch stark gefragt. Allein in Kalifornien beschäftigt die Branche der Fassherstellung rund 12 000 Menschen und erwirtschaftet jährlich einen Umsatz von 211 Millionen Dollar. In einer einzigen Küferei im Napa Valley, einem renommierten Weinanbaugebiet in Kalifornien, werden jährlich über 100 000 Fässer hergestellt. Wie entsteht denn ein Fass?

Vom Wald bis zum Feuer des Küfers

Das Holz für die hochwertigsten Fässer wächst in den Eichenwäldern Frankreichs. Ihrem Holzreichtum und der hervorragenden Holzqualität ist es zuzuschreiben, dass in diesem Land etwa 45 Prozent aller Weinfässer hergestellt werden. Gefällt werden Eichen, die ein- bis zweihundert Jahre alt sind. Im Sägewerk zugeschnitten, werden die Stämme anschließend sorgfältig in Faserrichtung gespalten. Die dabei entstehenden Bretter nennt man Dauben. Fehlerhaft gespaltene Dauben würden später beim Biegen brechen oder nach Füllen des Fasses zum Durchschlagen neigen (Wein könnte durchsickern). Das gespaltene Holz wird zum Trocknen unter freiem Himmel aufgeschichtet, wo Sonne, Wind und Regen ganz allmählich die bittere Gerbsäure aus dem Holz auslaugen, gleichzeitig aber die anderen Aromastoffe der Eiche verstärken. Erst nach einer Lufttrocknung von ein bis vier Jahren kann ein Küfer die Dauben verarbeiten.

Ein Besuch in einer Küferei kann wie eine Reise in die Vergangenheit anmuten. Die von Eichenduft erfüllte Luft hallt wider vom Lärm der Sägen, Hobel und Hämmer. Nach einer althergebrachten Technik verleiht der Küfer den Dauben die gewünschte Passform. In der Mitte sind sie etwas breiter als an den beiden Enden. Die Längskanten werden in einem exakten Winkel angeschrägt, damit die Dauben aneinander gereiht einen Kreis bilden. Anschließend treibt der Küfer mit dem Hammer stabile Reifen aus Bandeisen über das eine Ende des Kreises, worauf das halbfertige Fass ein wenig an einen Glockenrock erinnert.

Nun wird ein Feuer angefacht und der Rumpf des schweren Gefäßes darübergehalten, damit sich das Holz erwärmt. Die Seitenwandungen benetzt man innen mit Wasser, und durch den entstehenden Dampf werden die Dauben biegsamer. Dann führt der Küfer einen Fasszug oder eine Seilwinde um die auseinander stehenden Daubenenden und zieht sie fest zusammen, sodass die typische Fassform entsteht. Jetzt kann er auch dieses Ende vorläufig bereifen (die endgültige Bereifung erfolgt später). Aber noch ist das Fass an beiden Enden offen.

Das Fass wird „getoastet“

An der Innenseite der beiden Rumpfenden des zusammengebauten Fasses hobelt der Küfer eine Kerbe aus, in die später die beiden kreisförmigen Böden eingelegt werden, die das Fass verschließen. Sie bestehen aus Eichenholzlamellen, in deren Fugen dünne Schilfstreifen eingefügt werden, die aufquellen und das Fass abdichten, falls sich das Holz ungleichmäßig ausdehnt oder zusammenzieht.

Bevor die Böden eingebunden werden, kann der Küfer das Fass noch einmal über offenes Feuer stellen und „toasten“, das heißt das Holz von der Innenseite ausbrennen. Wie intensiv die Röstung ausfällt (leicht, mittel oder stark), bestimmt der Winzer, der das Fass bestellt hat. Durch diesen Fasseinbrand werden später die Holzaromen stärker an den gelagerten Wein abgegeben. Auch die Böden können separat geflämmt werden. Anschließend bindet der Küfer die Böden in das Fass und bohrt ein Spundloch zum Befüllen und Entleeren. Zu guter Letzt hobelt und schleift er das Fass außen sauber ab und liefert es dann an den Winzer.

„Das Gewürzregal des Kellermeisters“

„Eichenholz eignet sich ideal zum Ausbau unserer Weine“, sagt Bob, Kellermeister eines Weinguts in Kalifornien. Bei einer Führung durch seinen Betrieb erklärt er auch, warum: „Nur Eichenholz hat die nötige Festigkeit für stabile Fässer und kann gleichzeitig die Weinaromatik verbessern.“ Er zeigt auf die Reihen von Fässern und erläutert: „Das Holzfass funktioniert wie eine Lunge, während der Wein darin reift. Langsam durch die Fasswand eindringender Sauerstoff oxidiert den Wein, stabilisiert seine Farbe und lässt ihn weicher werden. Gleichzeitig verdunstet Alkohol und Wasser durch das Holz. Das so genannte Depot — feinste Hefeteilchen — setzt sich am Fassboden ab, und im Eichenholz enthaltene Zucker und Tannine treten langsam in den Wein aus, was ihm die charakteristische Note verleiht. Je nach Charakter des Weins lässt man ihn 18 Monate oder noch länger im Fass reifen, bevor er auf Flaschen gezogen wird.“

Weiter erklärt Bob: „Die Lebenserwartung von Weinfässern ist begrenzt. Einige unserer hochwertigsten Weine bauen wir ausschließlich in neuen Eichenfässern aus, weil schon nach dem ersten Gebrauch die meisten Aromen aus dem Holz herausgelöst worden sind. Man kann die Fässer zwar mehrmals verwenden, aber irgendwann besteht die Gefahr, dass sie anfangen, unliebsame Geschmacksstoffe an den Wein abzugeben.“

Warum ist die Herkunft des verwendeten Eichenholzes so wichtig? Bob sagt: „Eine im französischen Limousin gewachsene Weißeiche verleiht dem Wein ganz andere Geschmacksnoten als in Missouri, USA, gewachsenes Holz der gleichen Baumart.“ Warum der Unterschied? „Bodenbeschaffenheit, Klima und Alter des Waldes sind einige von vielen Faktoren. Es macht auch viel aus, ob das Holz luft- oder ofengetrocknet worden ist. Für die besten Weinfässer wird nur unter freiem Himmel getrocknetes Eichenholz verwendet. Die meisten unserer Fässer sind entweder aus amerikanischem oder französischem Eichenholz oder aus einer Kombination von beidem gefertigt. Aber auch in China und in Osteuropa wächst Eichenholz, das sich für die Fassherstellung eignet.“

Zum Abschluss der Führung sagt Bob: „Alle diese Optionen — welches Eichenholz man verwendet, wie es getoastet wird und wie lange man den Wein im Fass reifen lässt — bilden gewissermaßen das Gewürzregal des Kellermeisters, mit dem er das Aroma des Endprodukts beeinflussen kann. Wenn Sie also das nächste Mal ein Glas guten Rotwein genießen, dann denken Sie nicht nur daran, wie viel Zeit und Mühe seine Erzeugung gekostet haben mag, sondern auch daran, mit wie viel Sachverstand das Fass gebaut worden ist, dem er viel von seinem Charakter verdankt.“

[Kasten/Bild auf Seite 26]

Eichenfass oder Eichenpulver?

Außer Rotweinen lässt man auch einige Weißweine wie zum Beispiel Chardonnay in Eichenholzfässern reifen. Aber nicht jeder Wein, der eine Holznote hat, stammt aus einem Eichenfass. In manchen Ländern gibt es Kellermeister, die den Wein aromatisieren, indem sie Eichenholzlatten in Stahltanks einfügen oder dem in Stahltanks oder Betonbehältern gelagerten Wein Eichenholzspäne oder -pulver zusetzen.

[Bild auf Seite 24]

Nur Eichenholz von bester Qualität eignet sich für Weinfässer

[Bild auf Seite 24]

Hydraulische Spaltmaschine

[Bild auf Seite 24]

Der Stamm muss in Faserrichtung gespalten werden, damit die Dauben dicht halten

[Bild auf Seite 25]

Daubenholz vor der Weiterverarbeitung

[Bild auf Seite 25]

Nach Erhitzen des Fasses über offenem Feuer werden die Dauben mit Bandeisen bereift

[Bildnachweis]

Seguin-Moreau, France

[Bild auf Seite 25]

In Eichenholzfässern ausgebaut, verbessert Wein sein Aroma

[Bild auf Seite 26]

Küfer in Paris Anfang des 20. Jahrhunderts

[Bildnachweis]

© Cliché Bibliothèque nationale de France, Paris

[Bild auf Seite 27]

In Holzfässern gereifter Wein wird probiert (um 1900)

[Bildnachweis]

© Cliché Bibliothèque nationale de France, Paris

[Bildnachweis auf Seite 24]

© Sandro Vannini/CORBIS