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Einsteins „Wunderjahr“

Einsteins „Wunderjahr“

Einsteins „Wunderjahr“

DER 26-jährige Patentamtangestellte Albert Einstein veränderte 1905 mit vier wissenschaftlichen Abhandlungen die gängige Vorstellung vom Universum — vom winzigsten Baustein bis hin zu den gewaltigen Galaxien. Einige seiner Arbeiten bildeten außerdem den Grundstock vieler umwälzender Erfindungen der letzten hundert Jahre.

„In der modernen Physik gibt es wohl kaum eine bedeutende Lehrmeinung, die nicht ganz oder teilweise auf Einstein zurückgeht“, sagte der Nobelpreisträger Isidor Rabi. Was genau hat Einstein vor hundert Jahren entdeckt?

Geheimnisse des Lichts gelüftet

Mit seiner Abhandlung vom März 1905 lüftete Einstein einige Geheimnisse des Lichts. Wie man damals bereits wusste, bewegt sich Licht im Raum anscheinend ähnlich fort wie Wasserwellen auf einem Teich. Mit der Wellentheorie konnte man aber nicht erklären, warum schwaches blaues Licht in bestimmten Metallen Strom erzeugt, dieser Effekt jedoch bei hellem roten Licht nicht auftritt. Einsteins Abhandlung half, den „Photoeffekt“ zu erklären.

Er erklärte, Licht verhalte sich zuweilen wie einzelne Energiebündel, die man später Photonen nannte. Photonen können mit ausreichender Energie (Farbe) Elektronen aus Atomen bestimmter Metalle herausschlagen. (Dazu reicht die Energie von Photonen roten Lichts nicht aus.) Dadurch entsteht ein Elektronenstrom im Metall. Moderne Erfindungen, wie die Bildröhre einer Kamera, Solarzellen und Belichtungsmesser gehen auf Einsteins Erklärung des Photoeffekts zurück.

Hierfür erhielt Einstein den Physiknobelpreis für das Jahr 1921. Seine Abhandlung bildete die Grundlage einer neuen physikalischen Theorie — der Quantentheorie. Diese wiederum legte den Grundstein für die Atomphysik, die Elektronik, die Nanotechnologie und für viele weitere Entwicklungen.

Warum die Pollen zittern

Einstein befasste sich 1905 auch mit Atomen und Molekülen. In einer theoretischen Abhandlung erklärte er, was geschieht, wenn man winzige Pollen auf Wasser streut. Zwar beobachtete der Botaniker Robert Brown bereits 1827 durch ein Mikroskop, dass Pollenkörner im Wasser zittern. Er konnte sich diese Bewegung, die er „brownsche Bewegung“ nannte, aber nicht erklären.

Einstein erläuterte in seinem Artikel vom Mai 1905, dass die brownsche Bewegung durch Schwingungen von Wassermolekülen verursacht wird. Er berechnete nicht nur die Größe dieser Moleküle, sondern bestimmte auch theoretisch die speziellen Eigenschaften ihrer Atome. Andere Wissenschaftler forschten auf der Grundlage seiner Ergebnisse weiter und bestätigten die Existenz von Atomen. Ein Grundpfeiler der modernen Physik ist die Vorstellung, dass Materie aus Atomen besteht.

Zeit ist relativ

Im Juni 1905 veröffentlichte Einstein seine spezielle Relativitätstheorie. Sie widersprach Isaac Newton und anderen Wissenschaftlern, die davon überzeugt waren, Zeit sei eine feste universelle Größe. Die heute allgemein anerkannte Theorie Einsteins scheint dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen.

Betrachten wir ein Beispiel. Nehmen wir an, unsere Armbanduhr und die eines Bekannten zeigen exakt die gleiche Zeit an. Dann fliegt der Bekannte um die Erde, während wir zu Hause bleiben. Wenn er wieder zurückkommt, geht seine Uhr im Vergleich mit unserer etwas nach. Von unserem Standpunkt aus verging die Zeit für den Reisenden langsamer. Bei der Geschwindigkeit, die Menschen erreichen können, ist solch ein Unterschied natürlich äußerst gering. Doch bei annähernder Lichtgeschwindigkeit würde nicht nur die Zeit bedeutend langsamer vergehen, sondern es würden auch Gegenstände kleiner werden und deren Masse zunehmen. Nach Einsteins Theorie ist nicht die Zeit, sondern die Lichtgeschwindigkeit überall im Universum eine konstante Größe.

Eine Epoche machende Formel

Im September 1905 veröffentlichte Einstein eine mathematische Ergänzung zu seiner speziellen Relativitätstheorie. Sie enthielt die Formel, die man heute automatisch mit seiner Arbeit verbindet: E = mc2. Demnach ist die Energie, die bei der Atomspaltung frei wird, gleich der dabei verlorenen Masse multipliziert mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit.

Durch Wissenschaftler wie Einstein weiß man heute zwar viel über die Beschaffenheit des Universums. Man kann den heutigen Wissensstand aber immer noch mit den Worten Hiobs aus alter Zeit beschreiben. Als er über die Werke des Schöpfers sprach, gab er demütig zu: „Siehe! Dies sind die Säume seiner Wege, und welch Geflüster von einer Sache wird von ihm gehört!“ (Hiob 26:14).

[Diagramm/Bilder auf Seite 20]

(Siehe gedruckte Ausgabe)

Licht tritt sowohl als Welle als auch als Teilchen auf. Dieses Verständnis ermöglichte die Entwicklung von Solartaschenrechnern und von Lichtsensoren für Digitalkameras.

[Diagramm/Bilder auf Seite 21]

(Siehe gedruckte Ausgabe)

Brownsche Bewegung — das Zittern half dabei, Atome nachzuweisen

[Diagramm/Bilder auf Seite 21]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

E Energie

= ist

m Masse

c2 mal Lichtgeschwindigkeit im Quadrat

c2 ist c mal c (also 299 792 458 Meter in der Sekunde mal 299 792 458 Meter in der Sekunde)

Da es sich bei c2 um eine außerordentlich große Zahl handelt (89 875 517 873 681 764 m2/s2), steckt in einer kleinen Masse eine riesige Energiemenge. Bei der Spaltung eines Uranatoms entstehen schnell zwei kleinere Atome, wobei 0,1 Prozent der Masse verloren gehen. Diese winzige Masse wird in eine enorme Energiemenge umgewandelt.

Freigesetzte Energie

Die gesamte Energie, die in etwa einem halben Kilogramm Materie (450 Gramm) steckt, entspricht:

▪ 11 Milliarden Kilowattstunden

▪ so viel Energie, wie ein Auto benötigt, um 180 000-mal um die Erde zu fahren

▪ so viel Energie, wie der größte Öltanker benötigt, um 400-mal um die Erde zu fahren

▪ dem täglichen Strombedarf der Vereinigten Staaten

Umgekehrt ist eine gewaltige Energiemenge nötig, um ein einziges Atom zu erzeugen

[Bilder auf Seite 21]

Je schneller man sich fortbewegt, desto langsamer vergeht die Zeit

[Bild auf Seite 21]

Die Uhren in den Satelliten für das Global Positioning System (GPS) laufen nicht mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Uhren auf der Erde. Würde man die Auswirkung der Relativität nicht berücksichtigen, wären die Satellitensignale nicht verwertbar.

[Bildnachweis auf Seite 20]

Einstein: Photo by Topical Press Agency/Getty Images; Hintergrund: CERN photo, Geneva