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Mein Glaube hält mich aufrecht — Leben mit ALS

Mein Glaube hält mich aufrecht — Leben mit ALS

Mein Glaube hält mich aufrecht — Leben mit ALS

ERZÄHLT VON JASON STUART

„Es tut mir Leid, Herr Stuart. Sie haben amyotrophe Lateralsklerose. Man nennt es auch ALS oder Lou-Gehrig-Krankheit.“ * Dann hörte ich die niederschmetternde Prognose des Arztes: Bald würde ich mich nicht mehr bewegen und auch nicht mehr sprechen können und schließlich würde ich an der Krankheit sterben. Ich wollte wissen, wie viel Zeit mir noch bleibt. „Möglicherweise drei bis fünf Jahre“, erwiderte er. Ich war gerade einmal 20 Jahre alt. Trotz der erschütternden Nachricht hatte ich das Gefühl, für vieles dankbar sein zu können. Gern möchte ich erklären, warum.

ICH wurde am 2. März 1978 in Redwood City (Kalifornien, USA) als drittes von vier Kindern geboren. Weil meine Eltern, Jim und Kathy Stuart, Gott sehr liebten, prägten sie auch mir und meinen Geschwistern — Matthew, Jenifer und Johnathan — hohe Achtung vor geistigen Werten ein.

Solange ich zurückdenken kann, hatten in unserer Familie der Haus-zu-Haus-Dienst, das Bibelstudium und der Besuch der christlichen Zusammenkünfte einen festen Platz. Diese religiöse Erziehung half mir, einen starken Glauben an Jehova Gott zu entwickeln. Ich konnte nicht ahnen, wie sehr mein Glaube noch auf die Probe gestellt werden würde.

Ein Kindheitstraum wird wahr

Im Jahr 1985 nahm Vater uns alle mit auf eine Reise nach New York, damit wir das Bethel in Brooklyn, die Weltzentrale der Zeugen Jehovas, kennen lernten. Ich war zwar erst sieben Jahre alt, spürte aber, dass das Bethel etwas Besonderes war. Jeder schien an seiner Arbeit Freude zu finden. Ich dachte: „Wenn ich einmal groß bin, gehe ich ins Bethel und helfe mit, Bibeln für Jehova zu machen.“

Am 18. Oktober 1992 ließ ich mich zum Zeichen meiner Hingabe an Jehova taufen. Einige Jahre später — ich war damals 17 — fuhr ich wieder mit Vater ins Bethel. Jetzt, wo ich etwas älter war, verstand ich die Bedeutung der Arbeit, die dort geleistet wird, viel besser. Zu Hause angekommen, war ich entschlossener denn je, auf mein Ziel — den Betheldienst — hinzuarbeiten.

Im September 1996 wurde ich allgemeiner Pionier oder Vollzeitverkündiger. Um mein Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren, konzentrierte ich mich voll und ganz auf meinen geistigen Fortschritt. Ich las täglich noch mehr in der Bibel und intensivierte mein persönliches Studium. Abends hörte ich mir biblische Vorträge auf Kassette an. In einigen dieser Vorträge berichteten Christen, wie sie angesichts des Todes mit unerschütterlichem Glauben an das Paradies und die Auferstehung ausharren konnten (Lukas 23:43; Offenbarung 21:3, 4). Mit der Zeit kannte ich alle Vorträge auswendig. Natürlich konnte ich damals nicht wissen, wie wertvoll diese glaubensstärkenden Berichte bald für mich sein würden.

Am 11. Juli 1998 kam ein Brief aus Brooklyn. Eine Einladung fürs Bethel! Einen Monat später war ich in meinem Bethelzimmer. Ich sollte in der Buchbinderei mithelfen. Dort werden Bücher hergestellt, die dann in viele Versammlungen versandt werden. Mein Kindheitstraum hatte sich erfüllt. Ich war im Bethel und half mit, „Bibeln für Jehova zu machen“!

Die Krankheit macht sich bemerkbar

Ungefähr einen Monat vor meiner Abreise ins Bethel merkte ich, dass ich meinen rechten Zeigefinger nicht richtig ausstrecken konnte. Zur selben Zeit stellte ich fest, dass mich die Arbeit als Schwimmbeckenreiniger schnell ermüdete. Ich dachte, ich müsste mich mehr anstrengen. Immerhin hatte ich vorher körperlich noch schwerere Arbeiten problemlos geschafft.

Wenige Wochen nach meiner Ankunft im Bethel verschlimmerten sich die Symptome. Ich konnte nicht mithalten, wenn die anderen jungen Bethelmitarbeiter voller Energie die Treppen hinauf- und hinuntersprangen. Bei meiner Arbeit in der Buchbinderei musste ich unter anderem Bündel von Druckbogen hochheben. Ich war schnell erschöpft und stellte fest, dass sich meine rechte Hand verkrümmte. Außerdem machte sich in meinem Daumen Muskelschwund bemerkbar und kurze Zeit später konnte ich ihn überhaupt nicht mehr bewegen.

Mitte Oktober, gerade zwei Monate nach meiner Ankunft im Bethel, diagnostizierte der Arzt meine Beschwerden als ALS. Beim Verlassen der Arztpraxis erinnerte ich mich sofort an die biblischen Vorträge, die ich mir eingeprägt hatte. Jehovas Geist muss mich sehr gestärkt haben, denn der Gedanke ans Sterben erschreckte mich nicht. Ich wartete draußen einfach auf meine Rückfahrgelegenheit ins Bethel. Ich bat Jehova, meinen Angehörigen beizustehen, wenn ich ihnen die Nachricht mitteilen würde.

Wie ich eingangs erwähnte, konnte ich trotz allem für vieles dankbar sein. Mein Kindheitstraum — der Betheldienst — war in Erfüllung gegangen. An jenem Abend ging ich über die Brooklyn Bridge und dankte Jehova, dass er mir geholfen hatte, dieses Ziel zu erreichen. Und ich flehte ihn an, mir beizustehen, diese schreckliche Prognose zu verarbeiten.

Viele Freunde riefen an, um mir Hilfe anzubieten und mir Mut zu machen. Ich bemühte mich, fröhlich und positiv zu wirken. Doch dann, eine Woche nach der Diagnose, sagte meine Mutter am Telefon, es sei zwar lobenswert, dass ich so tapfer sei, aber es wäre völlig in Ordnung, den Tränen freien Lauf zu lassen. Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, heulte ich los. Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich alle meine Träume aufgeben müsste.

Meine Eltern wollten mich unbedingt nach Hause holen. Daher standen sie eines Morgens ganz überraschend vor meiner Tür. Es war Ende Oktober. In den nächsten Tagen führte ich sie durchs Bethel. Ich stellte ihnen meine Freunde und langjährige Bethelmitarbeiter vor. Diese Tage, an denen ich meine Eltern an meinen Erlebnissen im Bethel teilhaben lassen konnte, zählen zu meinen schönsten Erinnerungen.

Dankbar für das, was ich habe

Jehova hat mich weiter sehr gesegnet. Im September 1999 hielt ich meinen ersten öffentlichen Vortrag. Danach wurde ich eingeladen, auch in anderen Versammlungen Vorträge zu halten. Aber dann war das nicht mehr möglich, weil meine Aussprache immer undeutlicher wurde.

Ein anderer Segen ist die unerschütterliche Liebe meiner Familie und meiner Glaubensbrüder und -schwestern und dass sie mich unterstützen, wo es nur geht. Als meine Beine schwächer wurden, konnte ich mich, wenn ich in den Predigtdienst ging, auf meine Begleiter stützen. Einige aus der Versammlung kamen sogar zu uns nach Hause, um etwas für mich zu tun.

Eine der größten Segnungen ist meine Frau Amanda. Nach meiner Rückkehr aus dem Bethel wurden Amanda und ich Freunde. Ihre geistige Reife beeindruckte mich. Ich erzählte ihr alles über ALS und was der Arzt gesagt hatte. Wir verbrachten viel Zeit im Predigtdienst miteinander, bevor wir ernsthaft an die Ehe dachten. Am 5. August 2000 heirateten wir.

Amanda schildert nun ihre Sicht: „Ich fühlte mich zu Jason hingezogen, weil er Gott so sehr liebte und so einen Eifer für den Glauben hatte. Jung und Alt fühlten sich gleichermaßen von ihm angezogen. Ich bin von Natur aus ruhig und zurückhaltend, er hingegen war sehr lebhaft und kontaktfreudig. Wir haben beide einen Sinn für Humor und deshalb gab es immer viel zu lachen. Ich fühlte mich in seiner Nähe so wohl, als hätten wir uns schon immer gekannt. Jason war wichtig, dass ich mir über seine Krankheit und das, was auf uns zukommen würde, völlig im Klaren war. Und ich dachte mir, wir sollten uns einfach über jeden gemeinsamen Tag freuen. In diesem System gibt es ohnehin für nichts eine Garantie. ‚Zeit und unvorhergesehenes Geschehen‘ kann jeden treffen, auch die Gesunden“ (Prediger 9:11).

Kommunikationswege

Als ich immer schlechter zu verstehen war, diente mir Amanda als Dolmetscher. Irgendwann konnte ich überhaupt nicht mehr sprechen, und so dachten wir uns eine spezielle Kommunikationsmethode aus. Amanda sagte das Alphabet auf, und wenn sie zu einem bestimmten Buchstaben kam, zwinkerte ich mit den Augen. Sie merkte sich den Buchstaben und so ging es weiter zum nächsten. Auf diese Weise konnte ich ganze Sätze bilden. Wir beide haben es mit dieser Methode zu einer beachtlichen Geschicklichkeit gebracht.

Dank der modernen Technik habe ich inzwischen einen Laptop zum Kommunizieren. Ich schreibe das, was ich sagen möchte, auf und die Computerstimme spricht die Wörter aus. Da ich meine Hände nicht mehr gebrauchen kann, ist ein Infrarotsensor auf mein Gesicht gerichtet, der jede Bewegung wahrnimmt. In einer Ecke des Bildschirms erscheint ein Kasten mit den Buchstaben des Alphabets. Mit einer Bewegung meiner Wange markiere ich nacheinander Buchstaben und schreibe so Wörter.

Mit diesem Computer kann ich Zeugnisbriefe an interessierte Personen schreiben, die meine Frau im Predigtdienst antrifft. Meine Computerstimme ermöglicht es mir, vorbereitete Darbietungen an den Türen vorzutragen und Bibelstudien zu leiten. Dadurch ist es mir möglich, weiter allgemeiner Pionier zu sein. Seit kurzem kann ich in unserer Versammlung, wo ich als Dienstamtgehilfe eingesetzt bin, auch wieder Vorträge halten und andere ähnliche Aufgaben wahrnehmen.

Den Humor bewahren

Wir haben schon so manche schmerzlichen Momente erlebt. Mit der Zeit wurden meine Beine schwächer, was dazu führte, dass ich häufig stürzte. Mehr als einmal fiel ich nach hinten und schlug mir den Hinterkopf auf. Meine Muskeln wurden hart und ich fiel um wie ein Baum. Die Leute erschraken und kamen angelaufen, um mir zu helfen. Ich machte dann meistens eine scherzhafte Bemerkung, um die Situation zu entspannen. Ich habe mich immer bemüht, meinen Humor zu bewahren. Was blieb mir auch anderes übrig! Natürlich hätte ich mich darüber aufregen können, dass mein Leben immer komplizierter wurde, aber was hätte das gebracht?

Eines Abends — Amanda und ich waren mit Freunden ausgegangen — fiel ich plötzlich auf den Hinterkopf. Ich weiß noch, wie sich drei besorgte Gesichter über mich beugten und einer meiner Freunde fragte, ob alles in Ordnung sei.

„Ja“, sagte ich, „aber ich sehe Sterne.“

„Im Ernst?“, erkundigte er sich.

„Ja wirklich, schau!“, erwiderte ich und zeigte zum Himmel. „Sie sind wunderschön.“ Alle mussten herzlich lachen.

Mit den täglichen Belastungen zurechtkommen

Je mehr meine Muskeln verkümmerten, desto größer wurden die Belastungen. Einfache Tätigkeiten wie Essen, Sichwaschen, der Gang zur Toilette oder das Zumachen eines Knopfes wurden zu einer anstrengenden und frustrierenden Prozedur. Inzwischen ist die Krankheit so weit fortgeschritten, dass ich ohne Hilfsmittel weder sprechen, essen, atmen noch mich bewegen kann. Über eine Magensonde werde ich künstlich ernährt. Mit einem weiteren Schlauch ist die Luftröhre an ein Beatmungsgerät angeschlossen.

Obwohl Amanda immer bereit war, mir zu helfen, wollte ich doch so lange wie möglich selbstständig bleiben. Dann wurde ich zunehmend abhängiger, aber sie gab mir nie das Gefühl, ich sei nicht vollwertig. Stets hat sie mich mit Würde behandelt. Was Amanda gegenwärtig für mich tut, ist mehr als bewundernswert. Und ich weiß, dass es sie viel Kraft kostet.

Amanda sagt über ihre Empfindungen: „Jasons Zustand verschlechterte sich allmählich, sodass ich mich nach und nach darauf einstellen konnte. Da er an ein Beatmungsgerät angeschlossen ist, muss er rund um die Uhr gepflegt werden. Schleim und Speichel sammelt sich in der Lunge und muss abgesaugt werden. Daher ist es für uns beide schwierig, genügend Schlaf zu bekommen. Manchmal bin ich deprimiert und fühle mich einsam. Wir sind zwar ständig zusammen, doch es ist schwierig mit der Verständigung. Er war so ein lebhafter Mensch und jetzt sind nur noch seine Augen mit Leben erfüllt. Jason ist immer noch sehr witzig und aufgeweckt. Aber ich vermisse seine Stimme und wünschte, er könnte mich umarmen oder einfach nur meine Hand halten.

Manchmal werde ich gefragt, wie ich das alles verkrafte. Dieses schwere Los hat mir klar vor Augen geführt, dass ich mich völlig auf Jehova verlassen muss. Wenn ich es aus eigener Kraft versuche, sehe ich nur meine eigene Situation und habe das Gefühl, dass ich kaum noch Luft bekomme. Das Gebet hilft natürlich, denn Jehova ist der Einzige, der mich wirklich versteht und weiß, was ich durchmache. Jasons Eltern sind eine große Stütze. Sie sind immer da, wenn ich eine Pause brauche oder in den Predigtdienst gehen möchte. Ich bin dankbar für die Hilfe und den Beistand, den wir von den Brüdern und Schwestern in der Versammlung erhalten. Außerdem denke ich daran, dass jedes Leid im gegenwärtigen System ‚von kurzer Dauer und leicht ist‘ (2. Korinther 4:17). Ich versuche mich auf die neue Welt zu konzentrieren, wo Jehova alles wiederherstellen wird. Wahrscheinlich werde ich zugleich lachen und weinen, wenn all die Belastungen vorbei sind und Jason wieder Jason ist.“

Depressionen bekämpfen

Ich muss zugeben, dass ich es als Mann manchmal sehr deprimierend finde, so völlig hilflos in einem Rollstuhl zu sitzen. Ich erinnere mich an eine Situation bei einem Familientreffen im Haus meiner Schwester. Ich hatte mein Essen noch nicht bekommen, war also hungrig. Alle ließen sich die Hamburger vom Grill und die Maiskolben schmecken. Als ich die anderen so essen und mit den Kleinen spielen sah, überfiel mich eine große Traurigkeit. „Es ist einfach ungerecht“, dachte ich. „Warum muss ich auf all das verzichten?“ Aber ich wollte den anderen den Abend nicht verderben und bat Jehova, mir zu helfen, nicht in Tränen auszubrechen.

Ich sagte mir, wenn ich treu bleibe, kann Jehova Satan, der ihn verhöhnt, eine Antwort geben (Sprüche 27:11). Das gab mir Kraft, denn mir wurde klar, dass es viel Wichtigeres gibt, als Maiskolben zu essen und mit Kindern zu spielen.

Mir ist bewusst, wie leicht es einem kranken Menschen wie mir passieren kann, dass man nur noch seine eigenen Probleme im Kopf hat. Ich habe festgestellt, dass es wirklich hilft, ‘im Werk des Herrn reichlich beschäftigt zu sein’ (1. Korinther 15:58). Im Predigtdienst bleibt mir keine Zeit, über meine Probleme nachzugrübeln. Mich darauf zu konzentrieren, anderen den Glauben an Jehova näher zu bringen, trägt entscheidend zu meiner Zufriedenheit bei.

Noch etwas anderes hat mir geholfen, gegen Depressionen anzukämpfen. Ich denke oft über die Erlebnisse treuer Diener Gottes nach, die im Gefängnis saßen. Manche waren sogar in Einzelhaft, weil sie nicht aufgehört haben, über Gottes Königreich zu sprechen. Ich stelle mir vor, mein Zimmer ist eine Gefängniszelle und ich bin aus Glaubensgründen eingesperrt. Dann denke ich an die Vorteile, die ich Inhaftierten gegenüber habe: Mir steht biblische Literatur zur Verfügung. Ich kann christliche Zusammenkünfte miterleben — entweder persönlich oder über eine Telefonleitung. Niemand hindert mich am Predigtdienst. Und ich habe eine wundervolle Frau, die für mich da ist. Über all das nachzudenken macht mir bewusst, wie gesegnet ich eigentlich bin.

Der Apostel Paulus spricht mir aus dem Herzen, wenn er sagt: ‘Wir lassen nicht nach, sondern wenn auch der Mensch, der wir äußerlich sind, verfällt, wird gewiss der Mensch, der wir innerlich sind, von Tag zu Tag erneuert.’ Ich bin zweifellos ein Mensch, der äußerlich verfällt. Aber ich möchte auf keinen Fall aufgeben. Was mich aufrecht hält, sind „die Dinge, die man nicht sieht“, und darauf ist mein Glaubensauge gerichtet. Ich freue mich auf die Segnungen in der neuen Welt, in der Jehova mich wieder gesund machen wird. Davon bin ich felsenfest überzeugt! (2. Korinther 4:16, 18).

[Fußnote]

^ Abs. 3 Zum besseren Verständnis der Schwere dieser Krankheit empfehlen wir, den Kasten „Fakten über ALS“ auf Seite 27 zu lesen.

[Kasten/Bild auf Seite 27]

Fakten über ALS

Was ist ALS? Bei ALS (amyotrophe Lateralsklerose) handelt es sich um eine schnell fortschreitende Krankheit, bei der die Motoneuronen (Nervenzellen) im Rückenmark und im Hirnstamm angegriffen werden. Die Motoneuronen übermitteln Signale vom Gehirn zu den Willkürmuskeln des ganzen Körpers. Bei der ALS degenerieren und verkümmern diese Neuronen, was zu einer fortschreitenden Lähmung führt. *

Warum nennt man ALS auch Lou-Gehrig-Krankheit? Lou Gehrig war ein bekannter Baseballspieler, der 1939 an ALS erkrankte und 1941 im Alter von 38 Jahren starb. In einigen Ländern spricht man einfach von motorischer Nervenerkrankung, ein Oberbegriff, worunter auch ALS fällt. Manchmal wird ALS als Charcot-Krankheit bezeichnet, nach dem französischen Neurologen Jean-Martin Charcot, der die Krankheit erstmals 1869 beschrieb.

Wodurch wird ALS ausgelöst? Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Gemäß klinischen Studien können zu den möglichen Auslösern Viren, Eiweißmangel, genetische Defekte (besonders bei der familiären Form), Schwermetalle, Neurotoxine (speziell bei der endemischen ALS), Immunschwäche oder Enzymstörungen gehören.

Wie ist die Prognose? Im Verlauf der Krankheit breitet sich Muskelschwäche und Muskelschwund über den ganzen Körper aus. Im späteren Stadium ist die Atemmuskulatur betroffen, sodass schließlich ein Beatmungsgerät nötig wird. Da bei der Krankheit nur die motorischen Nervenbahnen betroffen sind, bleiben das Denken, die Persönlichkeit, die Intelligenz und das Erinnerungsvermögen unverändert. Außerdem werden der Tastsinn sowie das Sehen, Riechen, Schmecken und Hören nicht beeinträchtigt. ALS-Patienten haben im Allgemeinen eine Lebenserwartung von drei bis fünf Jahren nach Erkrankungsbeginn. Zehn Prozent der Betroffenen leben noch länger als zehn Jahre.

Was wird zur Behandlung unternommen? Es ist kein Heilmittel für ALS bekannt. Der behandelnde Arzt verschreibt wahrscheinlich Medikamente zur Linderung der Beschwerden. Je nach Krankheitsstadium und Art der Symptome helfen dem Patienten vielleicht bestimmte Rehabilitationsmaßnahmen wie Bewegungs- und Beschäftigungstherapie, Sprachtherapie sowie verschiedene Hilfsmittel.

[Fußnote]

^ Abs. 48 Es gibt drei bekannte Formen der ALS: die sporadische (kommt am häufigsten vor), die erbliche oder familiäre (bei etwa 5 bis 10 Prozent der Fälle gibt es eine Krankengeschichte in der Familie) und die endemische (häufiges Vorkommen auf Guam und in den US-Territorien im Pazifik).

[Bildnachweis]

Lou Gehrig: Photo by Hulton Archive/Getty Images

[Bild auf Seite 25]

Bethelbesuch 1985

[Bild auf Seite 26, 27]

Amanda und ich an unserem Hochzeitstag

[Bild auf Seite 28]

Ein spezieller Computer hilft mir, mich mitzuteilen

[Bild auf Seite 28, 29]

Ich halte gern Vorträge in unserer Versammlung