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Habe ich eine Essstörung?

Habe ich eine Essstörung?

Junge Leute fragen sich:

Habe ich eine Essstörung?

„Am Esstisch werd ich manchmal nervös und fang an zu zittern. Ich hab unheimlich Angst, dass ich zunehme. Ich sitze da und denke: ‚Ich muss unbedingt noch zwei Kilo loswerden‘ “ (Melissa). *

„Mein Aussehen ist mir wichtig und ich hab Panik davor, dick zu werden. Aber niemand darf wissen, dass ich nach dem Essen alles wieder rausbreche. Ich schäme mich so dafür“ (Amber).

„Ich sag mir immer: ‚. . . Heute mach ich’s besser . . .‘ Aber dann kommt irgendwann der Punkt, wo ich nicht anders kann und alles in mich reinstopfe. Hinterher fühle ich mich schuldig und möchte am liebsten sterben“ (Jennifer).

DASS du gut aussehen möchtest, ist ganz normal. Auch dass du dir Trost wünschst, wenn du Ängste hast oder deprimiert bist. Doch falls die Aussagen dieser Mädchen auch auf dich zutreffen, kann es sein, dass du ein Problem hast. Wenn ja, stehst du nicht allein da. Millionen von Jugendlichen — meistens Mädchen — haben eine Essstörung. *

Sehen wir uns Magersucht, Bulimie und Binge Eating einmal genauer an. Jede dieser Essstörungen hat andere Symptome, aber allen ist ein gestörtes Verhältnis zum Essen gemeinsam. Falls du dich in einer der nachfolgenden Beschreibungen wiedererkennst, möchten wir dir versichern, dass es Hilfe gibt. Eine Heilung ist möglich!

Ein Überblick

MAGERSUCHT. Und wenn sie noch so schlank ist, vor dem Spiegel empfindet sie sich als dick. Sie greift zu extremen Maßnahmen, um abzunehmen. „Ich zählte zwanghaft Kalorien“, sagt eine Betroffene. „Ich plante ganz genau, was ich die Woche über essen wollte, und sobald ich der Meinung war, ich hätte zu viele Kalorien zu mir genommen, ließ ich Mahlzeiten aus und trieb wie eine Wilde Sport. Ich nahm bis zu sechs Abführmittel am Tag.“

Die Symptome der Magersucht lassen nicht lange auf sich warten. Abgesehen von der Abmagerung kann es zu Haarausfall, Hauttrockenheit, Erschöpfung und Abnahme der Knochendichte kommen. Oft wird die Menstruation unregelmäßig oder bleibt sogar länger aus.

Diese Symptome hören sich vielleicht nicht direkt schlimm an, aber man sollte sich nichts vormachen — Magersucht ist lebensbedrohlich. Wie eine Studie ergab, sterben bis zu 10 Prozent der Magersüchtigen an ihrer Erkrankung, meistens an Organversagen oder anderen Folgen der Fehlernährung.

BULIMIE. Sie verzichtet nicht auf Essen, sondern hat Essanfälle, bei denen sie ohne weiteres auf 15 000 Kalorien in nur zwei Stunden kommt. Danach versucht sie, das Essen wieder loszuwerden — in der Regel durch Erbrechen oder durch Einnahme von abführenden oder harntreibenden Mitteln.

Die Essanfälle finden fast immer heimlich statt. „Wenn ich vor den andern von der Schule heimkam, stopfte ich mich meistens voll“, erzählt ein Mädchen. „Ich passte unheimlich auf, dass niemand etwas merkte.“ Nach der Heißhungerattacke meldeten sich Schuldgefühle. „Ich konnte mich selbst nicht ausstehen“, sagt sie, „aber ich wusste ja, wie ich die Sache ungeschehen machen konnte. Ich ging hoch ins Bad, um zu brechen. Danach fühlte ich mich immer erleichtert und irgendwie sogar stark.“

Das kompensatorische Verhalten sieht vielleicht nach einer Lösung aus, aber es ist gefährlich. Der Missbrauch von Abführmitteln schädigt die Darmwände und kann Entzündungen oder Infektionen hervorrufen. Häufiges Erbrechen kann den Körper austrocknen, Zähne und Speiseröhre angreifen und sogar Herzversagen nach sich ziehen.

BINGE EATING. Ähnlich wie bei der Bulimie werden beim Binge Eating enorme Nahrungsmengen verschlungen. Doch das Erbrechen oder Abführen unterbleibt. Die Folge ist oft Übergewicht. Manche hungern allerdings nach einem Essanfall oder treiben exzessiv Sport. Wenn sie dadurch ihr Gewicht halten, kann es sein, dass Familie und Freunde überhaupt nichts von ihrer verzweifelten Lage merken.

Wie Magersucht und Bulimie ist auch Binge Eating von einem gestörten Verhältnis zum Essen gekennzeichnet. Ein Mädchen sagt von sich und ihren Leidensgenossinnen: „Essen ist unser ganz persönlicher, heimlicher Freund — vielleicht der einzige, den wir haben.“ Eine andere Betroffene sagt: „Wenn ich Essen in mich reinschlinge, ist mir alles andere egal. Nur das Essen zählt. Es gibt mir Trost. Hinterher kommen dann die Schuldgefühle und Depressionen.“

Auch ohne anschließendes Erbrechen oder Abführen sind Essanfälle nicht unbedenklich. Man kann davon Diabetes, Bluthochdruck, Herzkrankheiten und etliche andere Leiden bekommen. Auch die psychischen Folgen können gravierend sein.

Kann mir das auch passieren?

Natürlich haben die meisten, die gerne abnehmen und etwas für ihre Figur tun möchten, keine Essstörung. Doch nachdem du jetzt alle diese Informationen gelesen hast, fragst du dich womöglich, ob du dich auch in diese Richtung bewegst. Hier ein paar Fragen, die du dir stellen könntest:

▪ Schäme ich mich für mein Essverhalten oder meine Essrituale?

▪ Verberge ich mein Essverhalten vor anderen?

▪ Denke ich ständig nur noch an Essen?

▪ Wiege ich mich öfter als ein Mal am Tag?

▪ Würde ich Risiken eingehen, um abzunehmen?

▪ Habe ich schon mit selbst herbeigeführtem Erbrechen, Abführmitteln oder Entwässerungstabletten herumexperimentiert?

▪ Wirkt sich mein Essverhalten auf meine sozialen Kontakte aus? Ziehe ich mich zum Beispiel lieber von anderen zurück, damit ich heimlich essen oder brechen kann?

Falls deine Antworten darauf hindeuten, dass du ein Problem hast, frage dich:

▪ Bin ich so, wie ich lebe, wirklich glücklich?

Was kannst du an deiner Situation ändern?

Unternimm sofort etwas!

Der erste Schritt ist, dir selber einzugestehen, dass du ein Problem hast. „Nachdem ich darüber nachgedacht hatte, wurde mir klar“, sagt Danielle, „dass ich mich genauso fühlte und dieselben Angewohnheiten hatte wie eine Magersüchtige. Es machte mir Angst, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass ich mich genauso verhielt.“

Vertraue deine Verzweiflung als Nächstes Jehova im Gebet an. * Bitte ihn flehentlich, dir die Ursachen deiner Essstörung erkennen zu helfen, damit du sie überwinden kannst. Wie David kannst du beten: „Durchforsche mich, o Gott, und erkenne mein Herz. Prüfe mich, und erkenne meine beunruhigenden Gedanken, und sieh, ob in mir irgendein Weg des Schmerzes ist, und führe mich auf dem Weg der unabsehbaren Zeit“ (Psalm 139:23, 24).

Oder bist du dir gar nicht so sicher, dass du von deiner Essstörung loskommen willst? Vielleicht ist sie schon zur Sucht geworden. Auch das kannst du Jehova im Gebet sagen. Danielle schildert, wie es bei ihr war: „Am Anfang wollte ich eigentlich gar nicht gesund werden. Ich musste darum beten, dass ich mir überhaupt wünschte, geheilt zu werden.“

Der dritte Schritt ist, mit deiner Mutter, deinem Vater oder einem anderen Erwachsenen zu reden, der in der Lage ist, dir zu helfen. Mitfühlende Erwachsene werden dir nicht das Gefühl geben, du müsstest dich schämen. Sie werden sich bemühen, Jehova nachzuahmen, von dem die Bibel sagt: „Er hat weder verachtet noch verabscheut die Trübsal des Niedergedrückten; und er hat sein Angesicht nicht vor ihm verborgen, und als er zu ihm um Hilfe rief, hörte er“ (Psalm 22:24).

Der Weg zur Heilung ist allerdings ziemlich mühsam. In manchen Fällen ist professionelle Hilfe notwendig. * Wichtig ist auf jeden Fall, etwas zu unternehmen. Ein Mädchen mit Bulimie, das sich dazu durchgerungen hat, erzählt: „Irgendwann wurde mir bewusst, dass mich dieses Fressen und Brechen voll im Griff hat. Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt damit aufhören könnte. Deshalb entschied ich mich für den schwersten Schritt meines Lebens. Ich bat um Hilfe.“

Das kannst du auch!

Weitere Artikel aus der Reihe „Junge Leute fragen sich“ findest du auf der Website www.watchtower.org/ypx

[Fußnoten]

^ Abs. 3 In diesem Artikel wurden einige Namen geändert.

^ Abs. 6 Da überwiegend Mädchen und Frauen an Essstörungen leiden, nehmen wir in diesem Artikel die weibliche Form. Doch vieles gilt vom Prinzip her auch für Jungen und Männer.

^ Abs. 32 Wenn du dich schlecht fühlst, wird es dir gut tun, über Bibelstellen nachzudenken, die dich spüren lassen, dass Jehova persönlich an dir interessiert ist. Hier eine Auswahl: 2. Mose 3:7; Psalm 9:9; 34:18; 51:17; 55:22; Jesaja 57:15; 2. Korinther 4:7; Philipper 4:6, 7; 1. Petrus 5:7; 1. Johannes 5:14.

^ Abs. 35 Christen sollten darauf achten, dass sie durch eine Therapie nicht mit biblischen Grundsätzen in Konflikt geraten.

ETWAS ZUM NACHDENKEN:

▪ Glaubst du, du könntest eine Essstörung haben? Wenn ja, wen könntest du um Hilfe bitten?

▪ Wie könntest du einer Freundin helfen, die eine Essstörung hat?

[Kasten auf Seite 19]

„Ich glaube, du hast ein Problem . . .“

Wenn ein Familienangehöriger oder eine Freundin so etwas zu dir sagt, würdest du am liebsten alles abstreiten. Kämpfe gegen diesen Impuls! Angenommen, einer Freundin fällt auf, dass an deinem Rocksaum ein Faden herunterhängt. Bist du nicht froh, wenn sie dich darauf aufmerksam macht, bevor der Saum ganz aufgeht? In der Bibel steht: „Da ist ein Freund, der anhänglicher ist als ein Bruder“ (Sprüche 18:24). Genau so ein Freund oder eine Freundin ist jemand, der sich Sorgen um dich macht und dich deswegen anspricht.

[Kasten/Bild auf Seite 19]

„Ich wollte unbedingt schlank sein“

„Es fing mit einer Diät an. Dann wurden mir die Weisheitszähne gezogen und ich konnte nichts essen. Das war der Auslöser für die Magersucht. Ich war total auf mein Aussehen, meine Figur fixiert. Ich fand mich nie dünn genug. Es war erschreckend, wie wenig ich zum Schluss wog. Was ich meinem Körper angetan hab! Jetzt wachsen meine Fingernägel nicht mehr richtig. Meine innere Uhr ist durcheinander. Ich hatte vier Fehlgeburten. Ich bin zu früh in die Wechseljahre gekommen und mein Stoffwechsel funktioniert kaum noch. Eine Darmentzündung hab ich auch. Alles nur, weil ich unbedingt schlank sein wollte“ (Nicole).

[Kasten auf Seite 20]

Wenn es zu einem Rückfall kommt

Es kann sein, dass du die Essstörung überwindest, dann aber nach Wochen oder sogar Monaten einen Rückfall hast. Gib nicht auf, falls dir das passiert. Schon in der Bibel steht: „Der Gerechte mag sogar siebenmal fallen“ (Sprüche 24:16). Deshalb bist du noch lange keine Versagerin. Du siehst daran nur, dass du umso entschlossener auf die ersten Warnsignale eines Rückfalls achten musst und dass es eventuell wieder mal an der Zeit ist, dich einer kompetenten Vertrauensperson zu öffnen.

[Kasten/Bild auf Seite 20]

Lies noch mehr darüber

Wenn du an einer Essstörung leidest, solltest du dich gut über dieses Thema informieren. Je mehr du über das Problem weißt, umso besser kannst du es angehen. Die Informationen im Erwachet! vom 22. Januar 1999, Seite 3 bis 12 und vom 22. April 1999, Seite 13 bis 15 sind dir bestimmt eine Hilfe.

[Kasten auf Seite 21]

EIN WORT AN DIE ELTERN

Was könnt ihr tun, wenn eure Tochter an einer Essstörung leidet? Lest euch als Erstes gründlich diesen Artikel durch und die auf Seite 20 angegebenen Quellen. Versucht zu verstehen, warum sich eure Tochter in dieses Verhalten geflüchtet hat.

Man hat festgestellt, dass viele Essgestörte ein geringes Selbstwertgefühl haben und zum Perfektionismus neigen, das heißt zu hohe Erwartungen an sich stellen. Achtet darauf, diese Haltung nicht noch zu verstärken. Baut eure Tochter auf (Jesaja 50:4). Und um dem Perfektionismus gegenzusteuern, „lasst eure Vernünftigkeit . . . bekannt werden“ (Philipper 4:5).

Werft außerdem einen kritischen Blick auf euer eigenes Verhältnis zum Essen. Messt ihr dem Essen oder dem Gewicht durch eure Äußerungen oder euer Beispiel unbewusst zu große Bedeutung bei? Ihr dürft nicht vergessen, dass Jugendliche, wenn es um ihr Aussehen geht, extrem leicht zu verunsichern sind. Selbst humorvolle Anspielungen auf „Babyspeck“ oder die normale körperliche Entwicklung können bei verletzlichen Jugendlichen verzerrte Vorstellungen auslösen.

Nachdem ihr die Sache unter Gebet gut durchdacht habt, wäre es Zeit für ein intensives Gespräch mit eurer Tochter.

Passt den richtigen Zeitpunkt ab und legt euch eure Worte gut zurecht.

Bringt eure Sorge und den Wunsch zu helfen deutlich zum Ausdruck.

Rechnet damit, dass sie zunächst einmal in die Defensive geht.

Hört geduldig zu.

Was am wichtigsten ist: Unterstützt eure Tochter aktiv auf dem Weg zur Heilung. Macht ein Familienprojekt daraus!

[Bild auf Seite 21]

Vielleicht musst du darum beten, dass du dir überhaupt wünschst, geheilt zu werden