Kinder online: Was Eltern wissen sollten
Kinder online: Was Eltern wissen sollten
EINE Zeit lang meinte man, es hinge vor allem vom Standort des Computers ab, wie sicher die Internetnutzung sei. In einem für alle zugänglichen Bereich würde ein Kind wohl kaum mit der dunklen Seite des Cyberspace in Berührung kommen. Diese Ansicht ist zwar immer noch gültig, denn schon der gesunde Menschenverstand verbietet es, Kinder in der Privatsphäre ihres Zimmers ins Internet gehen zu lassen. Der Schutz der Kinder ist aber auch dann nicht völlig gewährleistet. Heute können junge Leute durch drahtlose Verbindungen praktisch überall online gehen. Außerdem gibt es Internetcafés, Internetkioske und Bibliotheken mit Internetzugang — und zur Not ist da noch der Computer eines Freundes. Bei diesen vielen Möglichkeiten kann Eltern offensichtlich leicht die Kontrolle über die Online-Eskapaden ihrer Sprösslinge entgleiten.
Betrachten wir einige beliebte Onlineaktivitäten von Jugendlichen und die Gefahren dabei.
E-MAILS
Definition: Schriftliche Mitteilungen, die elektronisch verschickt werden.
Warum so beliebt? E-Mails sind eine schnelle, kostengünstige Möglichkeit, mit Freunden oder Verwandten zu korrespondieren.
Was man wissen sollte: Unerwünscht zugesandte E-Mails, meist als Spam bezeichnet, sind eine Plage, manchmal aber sogar noch mehr. Nicht selten haben sie schmutzige oder sogar eindeutig pornografische Inhalte. In Spams enthaltene Links können den Internetnutzer — auch ein argloses Kind — veranlassen, bereitwillig Informationen über sich preiszugeben, die einem Identitätsdiebstahl Tür und Tor öffnen. Wer auf solche E-Mails antwortet, selbst wenn er nachdrücklich verlangt, ihre Zusendung einzustellen, bestätigt lediglich, dass er eine aktive E-Mail-Adresse hat, und das kann weitere unerwünschte E-Mails nach sich ziehen.
WEBSITES
Definition: Zusammenstellungen von Webseiten, die von Organisationen, Bildungseinrichtungen, Firmen oder Einzelpersonen gestaltet und betrieben werden.
Warum so beliebt? Es gibt Millionen von Websites, die jungen Leuten endlose Möglichkeiten bieten, einzukaufen, sich zu informieren, Freunde zu kontaktieren sowie Musik und Spiele herunterzuladen oder zu spielen.
Was man wissen sollte: Das Internet wird von allen möglichen skrupellosen Personen missbraucht. Viele Websites haben pornografische Inhalte und jeder Unvorsichtige kann unvermittelt darauf geraten. Bei einer Umfrage unter amerikanischen Jugendlichen zwischen 8 und 16 Jahren gaben 90 Prozent an, bereits unabsichtlich auf Pornografie-Sites gestoßen zu sein — meistens bei den Hausaufgaben!
Das Internet bietet auch leichten Zugang zu Sites mit Glücksspielen für Minderjährige. Bei einer Umfrage unter kanadischen Schülern der 10. und 11. Klasse gab jeder vierte Junge zu, solche Sites besucht zu haben. Fachleute sind verständlicherweise besorgt wegen der höchst suchterzeugenden Natur des Online-Glücksspiels. Außerdem gibt es sogenannte Pro-Ana-Websites, die das „anorektische Leben“ propagieren. * Man findet auch Websites, auf denen gegen religiöse und ethnische Minderheiten gehetzt wird. Auf einigen Sites kann man sogar lernen, wie man Bomben bastelt, Gifte zusammenbraut oder terroristische Operationen durchführt. In Onlinespielen werden oft extreme Gewalt und wahre Blutorgien dargestellt.
CHATROOMS
Definition: Ein virtueller Ort für schriftliche Live-Konversation, oft über ein spezielles Thema oder Interessengebiet.
Warum so beliebt? Das Kind kann mit verschiedenen Personen kommunizieren, die es nicht unbedingt persönlich kennt, mit denen es aber ein gemeinsames Interesse verbindet.
Was man wissen sollte: Chatrooms werden häufig von Pädophilen aufgesucht, die Kinder online oder vielleicht sogar bei einem persönlichen Treffen zu sexuellen Handlungen verführen wollen. Beachtenswert ist, was die Mitverfasserin eines Buches über Internetsicherheit erlebte. Für ihre Nachforschungen gab sie sich online als 12-Jährige aus. „Es dauerte nicht lange und sie wurde in einen privaten Chatroom eingeladen. Sie behauptete, nicht zu wissen, wie man dort hinkomme, und ihr hilfsbereiter neuer Freund zeigte ihr gern, was sie tun musste. Dann fragte er, ob sie [Online-]Sex haben wolle“, heißt es in dem Buch.
INSTANT MESSAGING
Definition: Schriftliche Live-Konversation zwischen zwei oder mehr Personen.
Warum so beliebt? Beim Instant Messaging kann der Nutzer eine Kontaktliste seiner Freunde erstellen und jeweils entscheiden, mit wem er kommunizieren will. Tatsächlich sollen gemäß einer Studie 84 Prozent der 16- und 17-jährigen Kanadier mindestens eine Stunde pro Tag mit ihren Freunden per Instant Messaging kommunizieren.
Was man wissen sollte: Ein Kind, das gerade lernen oder etwas anderes tun sollte, was Konzentration erfordert, kann durch Instant Messaging ständig abgelenkt werden. Außerdem bleibt die Frage, mit wem der Sohn oder die Tochter kommuniziert, denn schließlich kann man nicht mithören.
BLOGS
Definition: Internet-Tagebücher
Warum so beliebt? Bloggen ermöglicht es jungen Leuten, über ihre Gedanken, Interessen und Aktivitäten zu schreiben. In den meisten Blogs können die Leser Kommentare anfügen, und viele Kinder finden es einfach toll, wenn jemand auf ihre Einträge reagiert.
Was man wissen sollte: Blogs sind für jeden zugänglich. Manche junge Leute geben unbedarft Informationen preis, durch die sich ihr Familienname, ihre Schule oder ihre Adresse herausfinden lässt. Außerdem wird in Blogs manches geschrieben, was eigentlich rufschädigend ist, teilweise auch für einen selbst. Manche Arbeitgeber wollen sich nämlich das Blog eines Bewerbers ansehen, wenn sie überlegen, ob sie den Betreffenden einstellen sollen.
ONLINE-KONTAKTNETZWERKE
Definition: Sites, auf denen junge Leute eine eigene Webseite gestalten und mit Bildern, Videos und Blogs ausstatten können.
Warum so beliebt? Junge Leute können sich auf ihrer eigenen Webseite selbst darstellen. Online-Kontaktnetzwerke ermöglichen es ihnen, viele neue „Freunde“ kennenzulernen.
Was man wissen sollte: „Ein Kontaktnetzwerk ist wie eine Onlineparty“, meinte ein Mädchen namens Joanna. „Da tauchen manchmal ziemlich seltsame Typen auf.“ Persönliche Informationen in den Kontaktnetzwerken können von skrupellosen Jugendlichen und Erwachsenen missbraucht werden. Parry Aftab, die sich für ein kindersicheres Internet engagiert, bezeichnet solche Sites als „Supermarkt für Pädophile“.
Internetfreundschaften sind meistens ziemlich oberflächlich. Manche junge Leute geben auf ihren Webseiten viele Onlinekontakte an, die sie aber nie persönlich kennengelernt haben, um bei Besuchern ihrer Seite den Eindruck zu erwecken, beliebt zu sein. Candice Kelsey schreibt in ihrem Buch Generation MySpace, dass das Ganze darauf hinausläuft, „den gesellschaftlichen Marktwert einer Person lediglich danach zu beurteilen, ob viele andere sie sympathisch finden“. Weiter sagt sie: „Eine solche an eine Warenbörse erinnernde Einschätzung reduziert unsere Kinder auf reine Objekte und setzt sie unter enormen Druck, sich um jeden Preis so darzustellen, dass man mehr Freunde gewinnt.“ Deshalb wird in einem Buch die berechtigte Frage gestellt: „Wie soll man den Leuten klarmachen, dass ihre Kinder Einfühlungsvermögen und Mitgefühl entwickeln müssen, wenn es in der Onlinewelt möglich ist, heute jemand kennenzulernen und ihn gleich morgen wieder fallen zu lassen?“ (What in the World Are Your Kids Doing Online?)
Das sind nur sechs der Internetaktivitäten, die bei jungen Leuten heute beliebt sind. Wie können Eltern ihr Kind vor den Gefahren im Internet schützen?
[Fußnote]
^ Abs. 12 Viele Pro-Ana-Websites und -Organisationen behaupten, Anorexie (Magersucht) nicht zu propagieren. Manche stellen Magersucht weniger als eine Krankheit dar, sondern eher als bewusst gewählten „Lifestyle“. In den Foren auf solchen Sites werden Tipps gegeben, wie man sein tatsächliches Körpergewicht verbergen und seine abnormen Essgewohnheiten vor den Eltern geheim halten kann.
[Herausgestellter Text auf Seite 4]
Der rapide Anstieg der Internetnutzer in Indien — um etwa 54 Prozent in nur einem Jahr — ist weitgehend Jugendlichen zuzuschreiben
[Herausgestellter Text auf Seite 7]
„Eltern betrachten eine Webcam vielleicht als einfache, preiswerte Möglichkeit für ihr Kind, um mit Freunden oder Verwandten zu kommunizieren; für einen Pädophilen ist sie jedoch ein offenes Fenster ins Kinderzimmer“ (Robert S. Mueller, Direktor des FBI)