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Ain Djalut: Ein Ort von welthistorischer Bedeutung

Ain Djalut: Ein Ort von welthistorischer Bedeutung

 Ain Djalut: Ein Ort von welthistorischer Bedeutung

WIE ein verheerender Sturm fegen grausame mongolische Reiterhorden über das Land und legen alle Städte in Schutt und Asche, die sich ihnen nicht ergeben. Im Februar 1258 erreicht der Mongolensturm Bagdad und die Stadt fällt den unbarmherzigen Angreifern in die Hände. Sie plündern und morden eine ganze Woche lang. Die Mongolen versetzen die gesamte islamische Welt in Angst und Schrecken. *

Im Januar 1260 rücken die Mongolen weiter westwärts vor: In Syrien ereilt Aleppo das gleiche Schicksal wie zuvor Bagdad. Im März ergibt sich Damaskus und öffnet seine Tore. Kurz darauf fallen auch die palästinensischen Städte Nablus (nahe der alten Stadt Sichem) und Gaza.

Dann nimmt der Mongolengeneral Hülägü Ägypten ins Visier. Er verlangt von Sultan al-Muzaffar Saif ad-Din Qutuz, dem muslimischen Herrscher von Ägypten, sich zu unterwerfen. Sollte er sich weigern, werde er das bitter bereuen und sein Land werde untergehen. Auf ägyptischer Seite stehen 20 000 Soldaten, doch Hülägüs Armee ist etwa 15-mal so groß. „Die muslimische Welt stand am Abgrund“, so der Islamwissenschaftler Professor Nazeer Ahmed. Wie würde Sultan Qutuz reagieren?

Qutuz und die Mamluken

Qutuz war ein Mamluk, ein Sklave mit türkischen Wurzeln. Die Mamluken hatten unter den Sultanen der Aijubiden in Kairo (Ägypten) als Militärsklaven gedient. Doch 1250 stürzten sie ihre Herren und begannen, selbst über Ägypten  zu herrschen. Etwas später übernahm der ehemalige Militärsklave Qutuz die Macht und rief sich 1259 zum Sultan aus. Für diesen erfahrenen Krieger kam es nicht infrage, sich kampflos zu ergeben. Die Aussichten auf einen Sieg über die Mongolen standen allerdings mehr als schlecht. Doch dann traten Ereignisse ein, die das Weltgeschehen entscheidend beeinflussten.

Hülägü ereilte eine Nachricht aus der fernen Mongolei: Der Großkhan Möngke war gestorben. Da Hülägü einen Machtkampf in der Heimat kommen sah, zog er sich mit einem Großteil seines Heeres zurück. Er meinte, die verbleibenden zehn- bis zwanzigtausend Mann hätten mit Ägypten leichtes Spiel. Qutuz wurde klar, dass sich das Blatt zu seinen Gunsten gewendet hatte. Wollte er die Invasoren zurückschlagen, war jetzt die Gelegenheit zu handeln.

Die Mongolen waren allerdings nicht das einzige Problem der Muslime. Zwischen Ägypten und den Mongolen lag ein weiterer Feind — das Heer der Kreuzfahrer, die nach Palästina gekommen waren und das „Heilige Land“ für die Christenheit beanspruchten. Qutuz verhandelte mit ihnen, und sie gewährten ihm, durch Palästina zu marschieren sowie Vorräte zu kaufen, um dort gegen die Mongolen kämpfen zu können. Immerhin war Qutuz die einzige Hoffnung der Kreuzfahrer, die Mongolen loszuwerden, die für sie genauso eine Bedrohung waren wie für die Muslime.

Damit war die Bühne frei für die entscheidende Schlacht zwischen den Mamluken und den Mongolen.

Ain Djalut in Palästina

Im September 1260 trafen die Heere der Mamluken und der Mongolen bei Ain Djalut in der Ebene Esdrelon aufeinander. Ain Djalut lag vermutlich nahe der alten Stadt Megiddo. *

 Wie der Historiker Rashid ad-Din erklärte, lockten die Mamluken die Mongolen bei Megiddo in einen Hinterhalt. Qutuz hatte den Großteil seiner Reiter in den Bergen am Rand der Ebene verborgen und ließ eine kleine Einheit vorpreschen, um die Mongolen zum Angriff zu provozieren. Überzeugt, das gesamte Mamlukenheer vor sich zu haben, stürmten die Mongolen los. Dann ließ Qutuz die Falle zuschnappen. Im vollen Galopp drängten seine Reserveeinheiten aus den Verstecken und griffen die Mongolen an den Flanken an. Die Eindringlinge wurden zurückgeschlagen.

Das war die erste Niederlage der Mongolen, seit sie 43 Jahre zuvor ihren Sturm auf den Westen begonnen hatten. Obwohl bei Ain Djalut relativ kleine Streitkräfte aufeinandertrafen, gilt diese Schlacht als eine der wichtigsten der Geschichte. Sie bewahrte die Muslime vor dem Untergang, brach den Nimbus der mongolischen Unbesiegbarkeit und ermöglichte es dem mamlukischen Heer, verlorene Gebiete zurückzuerobern.

Die Folgen

Die Mongolen fielen zwar noch mehrmals in das Gebiet von Syrien und Palästina ein, aber Ägypten konnten sie nie mehr gefährlich werden. Hülägüs Nachkommen ließen sich in Persien nieder, konvertierten zum Islam und wurden mit der Zeit zu Förderern der islamischen Kultur. Ihr Gebiet wurde als persisches Ilkhanat bekannt, was so viel heißt wie „untergeordnetes Khanat“.

Qutuz konnte seinen Sieg nicht lange genießen, denn er wurde schon bald von seinen Rivalen ermordet. Einer seiner Neider war Baibars I., erster Sultan des wiedervereinigten Ägypten und Syrien. Vielen galt er als der wahre Begründer der Mamlukenherrschaft. Sein neuer Staat, bestens organisiert und wohlhabend, bestand etwa zweieinhalb Jahrhunderte, bis 1517.

Während dieser Zeit trieben die Mamluken die Kreuzfahrer aus dem Heiligen Land, brachten die Wirtschaft in Schwung, förderten die Künste und errichteten Krankenhäuser, Moscheen und Schulen. Unter ihrer Herrschaft stieg Ägypten zum unangefochtenen Zentrum der muslimischen Welt auf.

Die Schlacht von Ain Djalut berührte nicht nur das Geschick des Nahen Ostens. Sie stellte auch eine entscheidende Weiche für die westliche Zivilisation. In der Zeitschrift Saudi Aramco World heißt es dazu: „Wäre es den Mongolen gelungen, Ägypten zu erobern, hätten sie unter der Führung Hülägüs quer durch Nordafrika bis zur Meerenge von Gibraltar vorstoßen können.“ Da mongolische Heere damals schon bis Polen vorgedrungen waren, hätten sie Europa somit in der Zange gehabt.

„Ob es in Europa unter diesen Umständen überhaupt eine Renaissance gegeben hätte?“, fragt dieselbe Zeitschrift. „Die Welt, wie wir sie heute kennen, würde womöglich ganz anders aussehen.“

[Fußnoten]

^ Abs. 2 Mehr Informationen über die Mongolen und ihre Eroberungen in der Erwachet!-Ausgabe vom Mai 2008.

^ Abs. 11 Der bekannte Begriff „Harmagedon“ wird vom hebräischen „Megiddo“ abgeleitet, in dessen Nähe viele wichtige Schlachten ausgetragen wurden. In der Bibel steht Harmagedon für den „Krieg des großen Tages Gottes, des Allmächtigen“ (Offenbarung 16:14, 16).

[Karte auf Seite 12]

(Genaue Textanordnung in der gedruckten Ausgabe)

Damaskus

SYRIEN

Tabor

Ebene Esdrelon

Ain Djalut (nahe Megiddo)

Nablus (Sichem)

Jerusalem

Gaza

ÄGYPTEN

[Bild auf Seite 12]

Hier lag das alte Megiddo

[Bild auf Seite 13]

Im September 1260 trafen die Heere der Mamluken und der Mongolen bei Ain Djalut in der Ebene Esdrelon aufeinander

[Bildnachweis]

Pictorial Archive (Near Eastern History) Est.

[Bild auf Seite 14]

Die Ruinen der antiken Stadt Sichem; im Hintergrund ein Teil des heutigen Nablus