SCHLÜSSEL ZUM FAMILIENGLÜCK
Strategien und Tipps für die zweite Ehe
HERMANN *: „Meine erste Frau ist an Krebs gestorben. Wir waren 34 Jahre verheiratet. Dann habe ich Linda geheiratet, und sie hatte das Gefühl, ich würde sie ständig mit meiner ersten Frau vergleichen. Zu allem Übel haben alte Freunde oft davon geredet, wie toll meine verstorbene Frau war. Das hat Linda belastet.“
LINDA: „Nach unserer Heirat kam es mir vor, als würde ich immer im Schatten von Hermanns erster Frau stehen. Sie war so beliebt, sanft und freundlich, ein richtig feiner Mensch. Manchmal frage ich mich, ob ich mit Hermann jemals ein so enges Verhältnis haben werde, wie er es mit ihr hatte.“
Hermann und Linda sind glücklich, dass sie sich gefunden haben. Linda, die von ihrem ersten Mann geschieden ist, nennt Hermann den Helden ihrer Träume. Doch wie die beiden bestätigen, bringt eine Zweitehe oft Herausforderungen mit sich, die es in der ersten Ehe nicht gab. *
Wie ist es, wenn man zum zweiten Mal verheiratet ist? Tamara, die drei Jahre nach ihrer Scheidung wieder geheiratet hat, meint: „Das erste Mal hat man noch dieses besondere Gefühl, dass die Beziehung ewig hält. In der zweiten Ehe ist dieses Gefühl dann nicht mehr so da, weil einem ständig bewusst ist, dass es das erste Mal nicht geklappt hat.“
Trotzdem sind viele mit ihrem zweiten Ehepartner auf Dauer sehr glücklich geworden und in ihrer Ehe läuft es richtig gut. Wie kann man das ebenfalls schaffen? Hier sind drei häufige Herausforderungen und dazu einige wertvolle Grundsätze aus der Bibel. *
HERAUSFORDERUNG 1: MAN STEHT NOCH SEHR STARK UNTER DEM EINDRUCK DER ERSTEN EHE
„Ich kann die Erinnerung an meine erste Ehe nicht einfach ausblenden, besonders wenn wir an Orten Urlaub machen, wo ich schon mit meinem Exmann war“, sagt Ellen aus Südafrika. „Manchmal passiert es mir, dass ich meinen jetzigen Mann mit meinem früheren vergleiche.“ Wenn man selbst oder der Ehepartner oft von seiner vorherigen Ehe spricht, kann das negative Gefühle auslösen.
STRATEGIEN: Es ist unrealistisch, zu erwarten, dass man selbst oder der Ehepartner seine frühere Ehe einfach vergisst — vor allem wenn sie mehrere Jahre gedauert hat. Manchmal passiert es sogar, dass jemand aus Versehen die Vornamen seines jetzigen und seines früheren Partners verwechselt hat. Wie geht man mit solchen Situationen um? Die Bibel rät zu gegenseitigem Verständnis (1. Petrus 3:8).
Es wäre nicht gut, aus Eifersucht Bemerkungen über die erste Ehe kategorisch zu verbieten. Hat der andere das Bedürfnis, über das Leben mit dem vorherigen Ehepartner zu reden, sollte man verständnisvoll und einfühlsam zuhören und auch nicht gleich denken, dass man verglichen wird. „Für meine Frau Kaitlyn war meine verstorbene Frau nie ein Tabuthema“, meint Ian, der vor zehn Jahren wieder geheiratet hat. „Sie fand vielmehr, dass sie dadurch besser versteht, warum ich heute so bin, wie ich bin.“ Vielleicht stellt man ja fest, dass sich durch solche Gespräche die Freundschaft zum neuen Ehepartner vertieft.
Im Mittelpunkt sollten Eigenschaften stehen, die den jetzigen Partner auszeichnen. Kann sein, dass er dem früheren Ehepartner in manchem nachsteht, aber wahrscheinlich liegen seine starken Seiten einfach woanders. Deshalb die Beziehung zum jetzigen Partner auf eine feste Grundlage stellen, indem man mit Wertschätzung über das nachdenkt, was man liebenswert an ihm findet, statt ihn „mit anderen [zu] vergleichen“ (Galater 6:4, Neue Genfer Übersetzung). Edmond, der zweimal geheiratet hat, formuliert es so: „Mit Ehen ist es wie mit Freundschaften: Sie sind nie genau gleich.“
Wie kann man lieb gewonnenen Erinnerungen aus der ersten Ehe in der neuen Beziehung den richtigen Stellenwert geben? „Ich habe meiner Frau einmal erklärt, dass meine erste Ehe wie ein schönes Buch ist, das ich mit meiner damaligen Frau geschrieben habe“, berichtet Jared. „Ab und zu schlage ich das Buch wieder auf und denke über schöne Erlebnisse von früher nach. Aber ich lebe nicht in dieser Zeit. Meine Frau und ich schreiben jetzt ein neues Buch, in dem ich als glücklicher Ehemann meinen Platz habe.“
TIPPS FÜR DIE PRAXIS: Den anderen fragen, ob es ihm irgendwie unangenehm ist, wenn das Gespräch auf die erste Ehe kommt. Überlegen, wann man besser nicht über die frühere Beziehung spricht.
HERAUSFORDERUNG 2: DER UMGANG MIT FREUNDEN, DIE DEN NEUEN EHEPARTNER NICHT KENNEN, GESTALTET SICH SCHWIERIG
„Meine Frau hatte nach der Hochzeit eine Zeit lang das Gefühl, ein paar von meinen Freunden würden sie ständig unter die Lupe nehmen“, erklärt Javier, der sechs Jahre nach seiner Scheidung erneut geheiratet hat. Leo hat etwas anderes erlebt. Er berichtet: „Manche haben meiner Frau erzählt, wie sehr sie ihren früheren Mann geliebt haben und wie sie ihn vermissen — und das direkt in meiner Gegenwart!“
STRATEGIEN: Es hilft viel, sich in die Lage der Freunde zu versetzen. Ian, der bereits zu Wort kam, meint: „Alten Freunden tut es manchmal richtig weh und es ist für sie ein seltsames Gefühl, wenn das Paar, das sie von früher her kannten, nicht mehr komplett ist.“ Deshalb „vernünftig“ sein und allen mit „Milde“ begegnen (Titus 3:2). Am besten Freunden und Verwandten Zeit geben, sich auf die neue Situation einzustellen. Durch die Veränderungen in der Ehe verändern sich vielleicht auch Freundschaften. Javier, der schon zitiert wurde, erzählt, dass er und seine Frau mit der Zeit alte Freundschaften wieder auffrischen konnten. „Aber wir versuchen auch, zusammen neue Freunde zu finden“, bemerkt er, „und das tut uns ebenfalls gut.“
Ist man mit früheren Freunden zusammen, sollte man darauf achten, wie das den Ehepartner berührt. Kommt beispielsweise das Gespräch auf den früheren Partner, ist Takt und ein gutes Urteilsvermögen gefragt, damit sich der jetzige Partner nicht ausgegrenzt fühlt. Ein Bibelspruch lautet: „Wer unbedacht schwatzt, der verletzt wie ein durchbohrendes Schwert; die Zunge der Weisen aber ist heilsam“ (Sprüche 12:18, Schlachter).
TIPPS FÜR DIE PRAXIS: Vorher überlegen, bei welchen Anlässen man selbst oder der Partner sich unwohl fühlen könnte. Im Voraus besprechen, wie man am besten auf Fragen und Bemerkungen von Freunden über die vorherige Ehe reagiert.
HERAUSFORDERUNG 3: MAN TUT SICH SCHWER, DEM NEUEN PARTNER ZU VERTRAUEN, WEIL DER EXPARTNER UNTREU WAR
Andrew, der von seiner ersten Frau verlassen wurde, erinnert sich: „Ich hatte panische Angst, wieder betrogen zu werden.“ Jetzt ist er mit Riley verheiratet. „Mich hat oft die Frage beschäftigt, ob ich Riley jemals ein so guter Partner sein kann wie ihr erster Mann. Ich befürchtete sogar, sie würde irgendwann denken, ich bin nicht gut genug, und mich dann wegen eines anderen verlassen.“
STRATEGIEN: Das offene Gespräch mit dem Partner ist sehr wichtig. In der Bibel heißt es: „Pläne scheitern, wo es kein vertrauliches Gespräch gibt“ (Sprüche 15:22). Der echte Austausch von Gedanken und Gefühlen hat Andrew und Riley schließlich geholfen, einander zu vertrauen. „Ich habe zu Riley gesagt, dass ich mich nie einfach scheiden lassen würde, um Problemen zu entgehen“, erklärt Andrew, „und Riley hat mir dasselbe versichert. Nach und nach habe ich volles Vertrauen zu ihr gewonnen.“
Wenn der Partner in einer früheren Beziehung betrogen wurde, sollte man gezielt darauf hinarbeiten, eine gute Vertrauensbasis zu schaffen. Michel und Sabine zum Beispiel — sie haben beide eine Scheidung hinter sich — sind übereingekommen, dass sie dem anderen immer Bescheid sagen, wenn sie mit dem Expartner Kontakt hatten. „Diese Abmachung hat uns viel Sicherheit gegeben“, meint Sabine (Epheser 4:25).
TIPPS FÜR DIE PRAXIS: Grenzen festlegen, was private Kommunikation mit jemandem vom anderen Geschlecht betrifft — ob unter vier Augen, am Telefon oder per Internet.
Viele Zweitehen sind sehr glücklich geworden und das macht Mut. Immerhin ist man nach der ersten Ehe um einige Erfahrungen reicher und kennt sich selbst besser. „Ich fühle mich mit Riley unheimlich wohl“, sagt Andrew. „Die dreizehn gemeinsamen Ehejahre haben uns fest zusammengeschweißt und das möchte ich nicht mehr missen.“
^ Abs. 3 Namen wurden geändert.
^ Abs. 5 Wenn ein Ehepartner stirbt, ist das natürlich etwas ganz anderes, als wenn eine Ehe geschieden wird. Dieser Artikel kann in beiden Fällen helfen, die zweite Ehe erfolgreich zu meistern.
^ Abs. 7 Informationen zur Erziehung von Stiefkindern enthält die Artikelserie „Balanceakt — Patchworkfamilie“ im Erwachet! von April 2012 (herausgegeben von Jehovas Zeugen).
ZUM NACHDENKEN
Welche Eigenschaften schätze ich an meinem Partner besonders?
Wie reagiere ich am besten, damit sich mein Partner nicht unsicher oder unwürdig behandelt fühlt, falls das Gespräch auf meine erste Ehe kommt?