Warum akzeptieren Jehovas Zeugen keine Bluttransfusionen?
Häufige Missverständnisse
Was viele sagen: Jehovas Zeugen lassen sich nicht medizinisch behandeln.
Fakt ist: Wir bemühen uns um die bestmögliche medizinische Behandlung für uns selbst und unsere Familien. Haben wir gesundheitliche Probleme, gehen wir zu kompetenten Fachärzten oder Chirurgen, die uns ohne die Verwendung von Blut behandeln können. Wir verfolgen mit großem Interesse die Fortschritte in der Medizin. Fremdblutfreie Behandlungsmethoden, die für Patienten von Jehovas Zeugen entwickelt wurden, kommen jetzt sogar der Allgemeinheit zugute. In vielen Ländern haben Patienten nun die Möglichkeit, Behandlungsmethoden zu wählen, die nicht Transfusionsrisiken mit sich bringen, wie Übertragungen von Krankheiten, Immunreaktionen oder menschliches Versagen.
Was viele sagen: Jehovas Zeugen denken, man wird durch Glauben geheilt.
Fakt ist: Wir praktizieren weder Wunder- oder Geistheilungen noch Gesundbeten.
Was viele sagen: Transfusionsalternativen sind sehr kostspielig.
Fakt ist: Medizinische Maßnahmen, die Blut einsparen, sind kosteneffektiv. a
Was viele sagen: Jedes Jahr sterben viele Zeugen Jehovas (darunter auch Kinder), weil sie Bluttransfusionen ablehnen.
Fakt ist: Das ist eine völlig haltlose Behauptung. Es werden regelmäßig komplizierte Operationen wie Herzoperationen, orthopädische Eingriffe und Organtransplantationen ohne Bluttransfusionen durchgeführt. „Eine kaum noch überschaubare Zahl seriöser Publikationen belegt, dass Zeugen Jehovas operativ und konservativ von keiner Behandlungsmethode ausgeschlossen werden“, heißt es in der Fachzeitschrift Der Anaesthesist. „Dabei stehen die Behandlungsergebnisse hinter denen von ‚konventionell‘ behandelten Patienten nicht zurück. ... Ob geplanter Großeingriff, Transplantation, dramatischer Notfall, Chemotherapie oder langwieriger Intensivverlauf: Die Morbiditäts- und die Mortalitätsdaten der Zeugen Jehovas sind mit denen der anderen (transfundierten) Patienten vergleichbar.“ b Patienten – auch Kinder –, die keine Bluttransfusionen erhalten, erholen sich demnach in der Regel mindestens genauso gut oder sogar schneller als Patienten, denen Blut übertragen wurde. So las man in der Onlinezeitschrift aerzteblatt.de: „Obwohl Zeugen Jehovas Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ablehnen, war das postoperative Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko nach herzchirurgischen Eingriffen an einer renommierten US-Klinik niedriger als bei anderen Patienten.“ c Eins steht fest: Niemand kann mit Sicherheit sagen, dass ein Patient sterben wird, weil er eine Bluttransfusion ablehnt – oder dass er überleben wird, weil er sie akzeptiert.
Warum akzeptieren Jehovas Zeugen keine Bluttransfusionen?
Das hat vielmehr religiöse als medizinische Gründe. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament wird klar geboten, sich von Blut zu enthalten (1. Mose 9:4; 3. Mose 17:10; 5. Mose 12:23; Apostelgeschichte 15:28, 29). Außerdem: Bei Gott steht Blut für Leben (3. Mose 17:14). Wir haben also zwei Gründe dafür, dass wir Blut ablehnen: Gehorsam gegenüber Gott und Respekt vor ihm als Lebengeber.
Umdenken in der Medizin
Früher hielt man es für unverantwortlich, ja fahrlässig, nicht mit Bluttransfusionen zu behandeln und stattdessen Transfusionsalternativen anzuwenden. Doch in den letzten Jahren hat in der Medizin ein Umdenken stattgefunden. Bereits 1994 konnte man in einem Interview mit einem renommierten Herzchirurgen aus Deutschland lesen: „Zeugen Jehovas wiesen den Weg zum Einsparen von Blut. ... Man hat dabei gelernt, was man alles tun kann, um den Einsatz von Fremdblut zu verhindern. Diese Methoden wurden dann zunehmend auch bei allen übrigen Patienten angewendet.“ d In einem Fachmagazin für Herz-, Lungen- und Kreislauferkrankungen stand 2010: „Die fremdblutfreie Chirurgie sollte nicht auf JZ [Jehovas Zeugen] beschränkt bleiben, sondern zum ganz normalen OP-Standard werden“ (Heart, Lung and Circulation). Und 2011 hieß es in einem Fachartikel aus der Schweiz zum Thema Patient Blood Management (Ziel des Patient Blood Management ist, sowohl Bluttransfusionen als auch das Risiko einer Anämie zu vermindern): „Die Frage, die gestellt werden muss, ist, warum Patient Blood Management nicht für alle Patienten zur Anwendung kommt, da bekannt ist, dass die Ergebnisse und das Überleben ohne Verwendung von Blut wesentlich besser sind. Patienten, die keine ZJ [Zeugen Jehovas] sind, ... erhalten immer noch zu viele Blutprodukte. ... Diese Probleme sollten schnell behoben werden, da alle Patienten Nutzen von Patient Blood Management haben sollten“. e
Mittlerweile wenden Tausende von Ärzten weltweit bei den kompliziertesten Operationen statt Bluttransfusionen blutsparende und fremdblutfreie Behandlungsmethoden an. Solche Transfusionsalternativen werden inzwischen von vielen Patienten in Anspruch genommen, die keine Zeugen Jehovas sind, und sie sind sogar in Entwicklungsländern möglich.
a Transfusion and Apheresis Science, Volume 33, No. 3, p. 349.
b Anaesthesist 2007; 56:380-384. „... ‚Lessons learned‘ von den Zeugen Jehovahs?“.
c aerzteblatt.de, 3. Juli 2012. „Zeugen Jehovas überleben Herzchirurgie häufiger“.
d Münchner Medizinische Wochenschrift (Extrablatt), 19. Oktober 1994; 122:1-3, 5, 6.
e Interactive CardioVascular and Thoracic Surgery 2011; 12:133-188.