1. MAI 2020
RUSSLAND
Europäische Institutionen verurteilen Verfolgung von Zeugen Jehovas in Russland
Am 12. März 2020 wurde die Verfolgung und Folter unserer Brüder in Russland von mehr als 30 europäischen Staaten scharf verurteilt. Diese internationale Kritik an Russland erfolgte während einer Sitzung des Ständigen Rates der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die OSZE hat unter anderem den Auftrag, die Menschenrechte zu schützen.
Die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sowie 6 Nichtmitgliedstaaten gaben vor dem Ständigen Rat der OSZE folgende gemeinsame Erklärung ab: „Die Europäische Union ist nach wie vor sehr besorgt wegen der Situation der Zeugen Jehovas in Russland, die weiterhin groß angelegte Verfolgung erleben, unter anderem in Form von Hausdurchsuchungen, willkürlichen Inhaftierungen, Ermittlungsverfahren und Freiheitsstrafen von bis zu sieben Jahren. Zudem sind wir äußerst beunruhigt darüber, dass nach aktuellen Berichten mehrere Zeugen Jehovas von Gefängniswärtern oder Polizisten gefoltert oder auf andere Weise misshandelt wurden, bevor sie in Gewahrsam genommen wurden oder während sie sich in Haft befanden.“
Der OSZE-Botschafter des Vereinigten Königreiches, Neil Bush, sagte in seiner Rede vor dem Ständigen Rat: „Das Urteil des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom Juli 2017, das die Einstufung von Jehovas Zeugen als ‚extremistisch‘ bestätigte, kriminalisierte die friedliche Religionsausübung von 175 000 russischen Bürgern und verletzte das Recht auf Religionsfreiheit, das in der russischen Verfassung und in zahlreichen OSZE-Beschlüssen verankert ist.“ Weiter sagte er: „Seit diesem Urteil beobachten wir, dass immer mehr Zeugen Jehovas in ganz Russland von Inhaftierungen, Ermittlungsverfahren und Strafverfolgung betroffen sind. Wir teilen die große Besorgnis angesichts der Vorwürfe der Folter und Misshandlung von Zeugen Jehovas.“
Die europäischen Amtsträger bezogen sich unter anderem auf den Vorfall vom 6. Februar 2020, als in Russlands Straflager Nr. 1 fünf Zeugen Jehovas geschlagen wurden. Gefängniswärter wendeten dort Gewalt gegen die Brüder Aleksei Budentschuk, Gennadi German, Roman Gridasow, Felix Machammadijew und Alexei Miretski an. „Alle erlitten schwere Verletzungen und einer [Felix Machammadijew] musste im Krankenhaus behandelt werden“, berichtete die Delegation der EU. „Außerdem wurde berichtet, Wadim Kuzenko sei am 10. Februar 2020 gefoltert worden, bevor man ihn in Gewahrsam nahm. Wiederholt schlugen Polizisten auf ihn ein, würgten ihn, versetzten ihm Stromschläge und verlangten Informationen über andere Zeugen Jehovas.“
Die Delegation der EU wies darauf hin, dass „Folter und andere Formen der Misshandlung zu den abscheulichsten Verletzungen der Menschenrechte, der körperlichen Unversehrtheit und der Menschenwürde zählen. Folter verstößt gegen internationale Menschenrechtsnormen, insbesondere gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die Europäische Menschenrechtskonvention und die UN-Antifolterkonvention; alle diese Abkommen hat die Russische Föderation als Vertragsstaat unterzeichnet.“
Außerdem merkten führende europäische Politiker an, dass das Vorgehen gegen Zeugen Jehovas in Russland den Zusicherungen der Russischen Föderation gegenüber dem Ständigen Rat direkt widerspricht, nach denen unsere Brüder und Schwestern im Land die Freiheit hätten, ihre Religion auszuüben.
Die Delegation der EU erklärte: „Am 20. April 2017 stellte das Oberste Gericht Russlands die Zentrale von Jehovas Zeugen in Russland und alle örtlichen Rechtskörperschaften aufgrund von ‚Extremismus‘ unter Verbot. Danach haben wir mehr als einmal gehört, wie die russische Delegation im Ständigen Rat behauptete, Zeugen Jehovas könnten derzeit und auch in Zukunft ihre Religion frei ausüben und die Religions- oder Glaubensfreiheit sei garantiert. Und doch erreichen uns zahlreiche Berichte über Hausdurchsuchungen, willkürliche Inhaftierungen und strafrechtliche Ermittlungen gegen Zeugen Jehovas.“
Führende EU-Politiker bemerkten, dass „seit der Auflösung aller örtlichen religiösen Organisationen von Jehovas Zeugen in Russland von 869 Hausdurchsuchungen, 26 Personen in Untersuchungshaft, 23 Personen unter Hausarrest, 316 laufenden Strafverfahren und 29 bereits erfolgten Verurteilungen berichtet wird“.
„Die oben genannten Zahlen zeigen ganz deutlich, dass jegliche Glaubensbekundung für Zeugen Jehovas zu Hausdurchsuchungen, langer Haft, Strafverfolgung und Freiheitsstrafen führen kann. Die Zahl und Art der Durchführung dieser Razzien, wie zum Beispiel mehrere Durchsuchungen in derselben Stadt innerhalb eines Tages, vermitteln den Eindruck einer organisierten Verfolgungsaktion gegen Zeugen Jehovas“, sagte Botschafter Bush.
Sachverständige auf dem Gebiet der Religionsfreiheit haben ebenfalls scharf verurteilt, wie unsere Brüder in Russland behandelt werden. In einem Kommentar zur Erklärung der Delegation der EU äußerte sich die österreichische Anwältin, Politikerin und römisch-katholische Theologin Dr. Gudrun Kugler: „Seit die Zeugen Jehovas im April 2017 in Russland verboten wurden, hat sich die Situation drastisch verschlechtert. ... Sämtliche Verurteilungen von Zeugen Jehovas in Russland basieren auf dem von Menschenrechtsorganisationen als ‚vage und übermäßig breit‘ kritisierten Anti-Extremismus-Gesetz. Allein die Tatsache, als Mitglied der Zeugen Jehovas identifiziert zu werden und seine Religion privat zu praktizieren, reicht aus, um unter Artikel 282.2. zu einer Gefängnisstrafe verurteilt zu werden. ... Die brutale Verfolgung der Zeugen Jehovas und anderer religiöser Minderheiten in Russland muss ein Ende nehmen!“
Russland und alle Mitgliedstaaten der OSZE „haben die Verpflichtung, wirksame Maßnahmen zur Verhinderung von Folter zu ergreifen, die Täter strafrechtlich zu verfolgen, Opfer von Folter zu ermitteln und diesen eine angemessene Entschädigung zu gewährleisten“, merkte die Delegation der EU an. „Wir fordern daher die Russische Föderation auf, sämtliche Berichte über Folter umgehend wirksam und gründlich zu untersuchen, um sicherzustellen, dass alle Täter oder Mitschuldigen rechtlich zur Verantwortung gezogen werden. ... Wir fordern die Behörden auf, alle Anklagen gegen Personen fallen zu lassen, die wegen Ausübung ihrer Menschenrechte unrechtmäßig verfolgt oder inhaftiert worden sind. Wir fordern die Russische Föderation auf, sich an ihre internationale Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte zu halten und die Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sowie die Rechte Angehöriger von Minderheiten zu achten und ein faires Verfahren zu garantieren.“
Ganz gleich, ob Russland auf die internationale Kritik reagieren und die Religionsfreiheit achten wird oder nicht, wissen wir, dass Jehova unseren Brüdern und Schwestern in Russland weiterhin helfen wird, mit Geduld und Mut auszuharren, bis wahre Gerechtigkeit siegt (Psalm 10:18).