1. APRIL 2019
RUSSLAND

Weiterer Zeuge Jehovas in Russland verurteilt

ABSPIELEN

Dasselbe Gericht, das Bruder Dennis Christensen zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt hatte, sprach am 1. April 2019 auch den 56-jährigen Sergej Skrynnikow wegen seiner Religionsausübung als Zeuge Jehovas schuldig. Er wurde zur Zahlung einer hohen Geldstrafe in Höhe von 350 000 Rubel (4 758,95 Euro) verurteilt. Eine Freiheitsstrafe wurde nicht verhängt, obwohl die Staatsanwaltschaft drei Jahre Haft gefordert hatte.

Sergej Skrynnikow und seine Ehefrau Nina unterstützen ihre Tochter und deren Ehemann bei der Betreuung ihrer fünf Kinder. Außerdem haben die Skrynnikows die Pflege von Ninas betagten Eltern übernommen.

Vor Gericht verteidigte Bruder Skrynnikow seinen Glauben in einer respektvollen und überzeugenden Rede. Er sagte zum Beispiel: „Wenn man meine aktuelle Lage vom Standpunkt eines Ungläubigen aus betrachten würde, könnte man verzweifeln. ... Aber als Zeuge Jehovas betrachte ich diese Situation mit Glauben. Wenn Gott meine Verurteilung zulässt, bedeutet das für mich, diese drei Jahre nicht als Strafe anzusehen, sondern als besondere neue Zuteilung! Also verzweifle ich nicht. ... Gott ist ein und derselbe, ob wir frei sind oder im Gefängnis. Wir werden nicht im Stich gelassen. Er ist überall an unserer Seite, solange wir ihm treu bleiben.“

Das große Gottvertrauen von Glaubensbrüdern wie Sergej Skrynnikow macht uns Mut. Wenn wir an die schweren Prüfungen denken, die sie durchmachen, schließen wir uns den Worten des Apostels Paulus an, der betete: „Der Gott, der Hoffnung gibt, erfülle euch dadurch, dass ihr auf ihn vertraut, mit aller Freude und mit Frieden, damit ihr durch die Kraft des heiligen Geistes an Hoffnung überströmt“ (Römer 15:13).

Bruder Skrynnikows Schlussbemerkungen

aus dem Russischen übersetzt

Zuerst möchte ich dem Vorsitzenden Richter Gleb Borisowitsch Noskow meinen Dank dafür aussprechen, dass er keine Untersuchungshaft für mich angeordnet hat, denn so konnte ich die ganze Zeit bis zur Gerichtsverhandlung bei meiner Familie bleiben. Ich möchte mich auch bei all den Justizangestellten für ihre Arbeit bedanken.

Mein besonderer Dank gilt der Staatsanwältin, Frau Nadeschda Gennadijewna Naumowa, weil ich nicht unangemessen unter Druck gesetzt wurde und die Befragung ordnungsgemäß verlief.

Danken möchte ich auch meinen Anwälten, Frau Irina Alexandrowna Krasnikowa und Herrn Anton Nikolajewitsch Bogdanow, für die außerordentliche Arbeit, die sie geleistet haben. Ich war zugegebenermaßen sehr überrascht, als sie es schafften, einen Experten aus Tscheljabinsk hinzuzuziehen.

Auch euch allen, liebe Freunde, danke ich dafür, dass ihr zu allen Gerichtsterminen gekommen seid, um mir Mut zu machen, obwohl bekannt war, dass die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden würde.

Ich danke auch meiner Mutter, die trotz gesundheitlicher Probleme zu den Gerichtsterminen kam, um mich zu unterstützen.

Danke an meine liebe Ehefrau, die mich während der letzten 37 Jahre unterstützt hat, sowohl in guten Zeiten als auch in jenen schwierigeren Momenten.

Natürlich gilt mein größter Dank meinem geliebten Gott Jehova, der mein Herz mit Frieden und Freude erfüllt hat. Es mag schwer zu glauben sein, aber in meinem Herzen ist kein Schatten von Unzufriedenheit oder Groll wegen dem, was mir widerfahren ist; da sind nur Freude und Frieden.

2. Korinther 4:8, 9 enthält eine biblische Prophezeiung, die sich in meinem Fall erfüllt: „Wir stehen in jeder Hinsicht unter großem Druck, doch wir sind nicht bewegungsunfähig. Wir sind ratlos, doch nicht völlig ohne Ausweg. Wir werden verfolgt, doch nicht im Stich gelassen. Wir werden niedergeschlagen, doch nicht vernichtet.“

Gottes Diener würden also unter großem Druck stehen und verfolgt werden, aber dennoch würde das ihnen vom Herrn Jesus anvertraute Werk weitergehen und sogar noch an Fahrt gewinnen und sich ausdehnen. Diese Worte betreffen alle, die sich als Nachfolger Christi sehen:

Matthäus 28:19, 20 fordert uns auf: „Darum geht und macht Menschen aus allen Völkern zu meinen Jüngern, tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehrt sie, sich an alles zu halten, was ich euch aufgetragen habe. Und denkt daran: Ich bin die ganze Zeit über bei euch bis zum Abschluss des Weltsystems.“

Jehovas Geist leitet Christen fortwährend. Er gibt ihnen Kraft, die über das Normale hinausgeht, und hilft ihnen, trotz aller Schwierigkeiten das zu tun, was Gott ihnen aufgetragen hat. Ein Blick in die Vergangenheit stärkt diese Überzeugung. In den 1930ern sahen Gottes Diener eine scheinbar unlösbare Aufgabe vor sich, nämlich die Botschaft von Gottes Königreich in der gesamten Sowjetunion zu predigen. Aber da das Predigtwerk von Christus geleitet wird, regelte er die Angelegenheit so, dass die sowjetische Regierung in den 1950ern selbst Tausende Familien von Zeugen Jehovas gratis nach Sibirien in die entlegensten Ecken des Landes beförderte. Seitdem sind mehr als 60 Jahre vergangen, und was konnten wir beobachten? Behördenvertreter in ganz Sibirien waren verblüfft zu sehen, wie sich das Predigtwerk ausgedehnt hat. Ein Fachkundiger, der sich mit der Geschichte von Jehovas Zeugen in der UdSSR befasst hat, drückte es so aus: „Gegen Jehovas Zeugen zu kämpfen ist wie auf Pusteblumen zu blasen. Je stärker man gegen sie vorgeht, desto mehr Samen fliegen und desto weiter kommen sie.“

Heute wiederholt sich das Ganze. Wen treffen wir denn an, wenn wir von Haus zu Haus predigen? Hausfrauen und Rentner. Es ist schwer, Berufstätige zu Hause anzutreffen. Genauso schwer, manchmal unmöglich, ist es auch, in Hochsicherheitsgebäude, Gefängnisse, Gerichte und Straflager hineinzukommen. Aber das Predigtwerk wird von Christus geleitet und er [Jehova] hat es dem Justizministerium in den Sinn und ins Herz gegeben, seinen Willen auszuführen. Letztlich haben das Justizministerium, der Untersuchungsausschuss der Russischen Föderation, die Staatsanwaltschaften und andere Vollzugsbehörden dafür gesorgt, dass der Name des universellen Souveräns, Jehova Gott, von Kaliningrad bis Sachalin, auf den Kurilen, von Archangelsk bis zur Krim, in Jalta, in Familien und an Arbeitsplätzen, in Gefängnissen, Gerichten und Straflagern verkündet wird. Und so sind sie direkt und aktiv am Predigtwerk von Jehovas Zeugen beteiligt gewesen. Wir Zeugen Jehovas hätten uns nie träumen lassen, dass dieses Werk ein so gewaltiges Ausmaß erreichen würde. Gewissermaßen hat sich eine Tür zu einem neuen Predigtdienstgebiet mit neuen Rahmenbedingungen geöffnet. Für Zeugen Jehovas ist es eine Ehre, die gute Botschaft in bisher unbearbeiteten Gebieten zu predigen. Und die Staatsanwaltschaft macht dies möglich.

Und wie könnte es in Zukunft aussehen? Wenn die Regierung etwa über die nächsten zehn Jahre weiterhin Zeugen Jehovas in Gefängnisse und Straflager steckt, wird es ungefähr 200 von ihnen in jeder Strafvollzugsanstalt geben. Man stelle sich das vor: vier Versammlungen von Jehovas Zeugen in einem Gefängnis! Die Gefängnisverwaltungen werden das Justizministerium anflehen, Zeugen Jehovas freizulassen. Worum wird die Mehrheit der Zeugen Jehovas wohl beten? „Herr, bitte erweiche nicht das Herz der Verwaltungsbeamten, sie sollen mich nicht freilassen. Ich habe so viele Bibelschüler und es gibt hier so viele aufrichtige Menschen, mit denen ich sprechen will.“

Wenn man meine aktuelle Lage vom Standpunkt eines Ungläubigen aus betrachten würde, könnte man verzweifeln. Man könnte sagen: „Ich habe niemanden umgebracht, niemanden ausgeraubt, niemanden bestohlen. Ich habe nicht einmal mit jemandem gestritten. Die Beweise dafür sind in den Berichten der Landesverwaltungsbehörden und des Rayonsinspektors zu finden. Dennoch fordert die Staatsanwaltschaft für mich eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren.“ In dieser Lage wäre Verzweiflung verständlich. Aber als Zeuge Jehovas betrachte ich diese Situation mit Glauben. Wenn Gott meine Verurteilung zulässt, bedeutet das für mich, diese drei Jahre nicht als Strafe anzusehen, sondern als besondere neue Zuteilung! Also verzweifle ich nicht. Stattdessen sehe ich es als ein großes Vorrecht; das Vorrecht, Gott dort zu dienen, wo es noch keine anderen Zeugen Jehovas gibt. Die Massenmedien haben das Feld bereits gepflügt, es ist jetzt bereit für die Aussaat.

Gott ist ein und derselbe, ob wir frei sind oder im Gefängnis. Wir werden nicht im Stich gelassen. Er ist überall an unserer Seite, solange wir ihm treu bleiben. In meinem Fall bin ich zuversichtlich, dass Gott meine körperliche Gesundheit und mein geistiges Wohl berücksichtigt, und wenn es ihm gefällt, wird er es dem Vorsitzenden Richter in den Sinn und ins Herz geben, Ihrem Antrag in Bezug auf meine Freiheitsstrafe stattzugeben, Frau Naumowa. Ich freue mich auf den 1. April. Hebräer 13:6 versichert mir: „Jehova ist mein Helfer, ich werde mich nicht fürchten. Was kann ein Mensch mir antun?“. Jehova Gott selbst wird mir helfen. Vor wem sollte ich mich fürchten?

Sergej Skrynnikow