29. MAI 2017
RUSSLAND
Russische Polizei in Orjol führt in Gottesdienst eine Razzia durch und verhaftet dänischen Staatsbürger
Am 25. Mai 2017 störten in der russischen Stadt Orjol schwer bewaffnete Polizisten und Vertreter des Inlandsgeheimdienstes (FSB) einen friedlichen wöchentlichen Gottesdienst von Jehovas Zeugen. Die Beamten erklärten, dass sie gegen die Zeugen Strafanzeige erstatten wegen angeblicher Fortsetzung der Aktivität einer extremistischen Organisation. Die Regierung hatte die örtliche Rechtskörperschaft in Orjol am 14. Juni 2016 wegen Verstoßes gegen das Anti-Extremismus-Gesetz aufgelöst. Außerdem erhoben die Behörden die Personalien aller beim Gottesdienst Anwesenden, beschlagnahmten ihre elektronischen Geräte und durchsuchten später die Privatwohnungen der Zeugen in Orjol.
Die Beamten brachten die Männer der Versammlung Orjol zur FSB-Dienststelle und nahmen den dänischen Staatsbürger Dennis Christensen, der Versammlungsältester ist, in Haft. Die Staatsanwaltschaft stellte einen Eilantrag beim Sowietskij-Bezirksgericht, Herrn Christensen in Untersuchungshaft nehmen zu dürfen, damit der FSB Zeit für die Beweis- und Zeugenermittlung habe. Die Richterin Swetlana Naumowa gab dem Antrag statt und ordnete eine zweimonatige Untersuchungshaft für Herrn Christensen an. Eine Beschwerde gegen die Anordnung wird heute eingereicht. Bei einer Verurteilung droht Herrn Christensen gemäß Artikel 282.2, Teil 1 des Strafgesetzbuches eine Freiheitsstrafe von sechs bis zehn Jahren.
Die Versammlung der Zeugen Jehovas in Orjol hielt als Gruppe von Gläubigen einen Gottesdienst ab — sie ist keine Rechtskörperschaft. Dieses Vorgehen russischer Beamter verrät, dass sie es auf die Glaubensausübung der Zeugen Jehovas abgesehen haben, nicht bloß auf ihre Rechtskörperschaften. Das gleicht dem, was die Zeugen in Taganrog erlebten, wo man zuerst die Rechtskörperschaft auflöste und danach gegen 16 Zeugen Jehovas Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Anti-Extremismus-Gesetzes erstattete, weil sie sich weiterhin zu Gottesdiensten versammelten. Im November 2015 wurden alle 16 verurteilt, aber ihre Haft- und Geldstrafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Ihr Fall wird zurzeit beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geprüft.