20. JUNI 2018
RUSSLAND
Razzien in Russland: weitere Zeugen Jehovas inhaftiert
Im letzten Monat haben russische Behörden ihr aggressives Vorgehen gegen Jehovas Zeugen verstärkt: Unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung wurden weitere Zeugen Jehovas festgenommen und inhaftiert. Einsatzkräfte der Polizei stürmten Privatwohnungen in Birobidschan, Chabarowsk, Magadan, Orenburg, Nabereschnyje Tschelny, Perm, Pskow, Saratow und Tomsk und nahmen 15 Männer fest. Damit befinden sich nun insgesamt 20 Zeugen Jehovas in Untersuchungshaft. Zwei weitere stehen unter Hausarrest. Mindestens 15 Zeugen Jehovas – darunter einige, die über 70 oder 80 Jahre alt sind – mussten eine Erklärung unterschreiben, dass sie ihren Wohnort nicht verlassen. Nach Stand vom 14. Juni 2018 haben russische Behörden Strafanzeigen gegen mehr als 40 Zeugen Jehovas erstattet. Im Fall einer Verurteilung drohen ihnen Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren.
Die russische Regierung hatte vor Gericht zugesichert, das Verbot der Rechtskörperschaften von Jehovas Zeugen werde das Recht einzelner Zeugen Jehovas auf freie Glaubensausübung nicht beeinträchtigen. Russland missachtet diese Zusicherung bisher völlig und wendet Artikel 282 des Strafgesetzbuches missbräuchlich an, um Zeugen Jehovas zu beschuldigen, die Aktivitäten einer „extremistischen“ Organisation zu organisieren, zu finanzieren oder an ihnen beteiligt zu sein. Anstatt Extremismus zu bekämpfen, verfolgt Russland damit jedoch in Wirklichkeit seine eigenen Bürger, nur weil sie friedlich ihren Glauben ausüben.
Aktuelle Razzien, Festnahmen und Inhaftierungen
12. Juni 2018, Saratow: Die Polizei stürmte und durchsuchte mehrere Wohnungen von Zeugen Jehovas und nahm mindestens zehn von ihnen mit zur Polizeistation, um sie zu vernehmen. Bei einer Hausdurchsuchung platzierten die Beamten religiöse Literatur, die von russischen Gerichten verboten worden war. Fünf Zeugen Jehovas wurden in Polizeigewahrsam genommen. Zwei von ihnen wurden wieder freigelassen; die drei anderen kamen in Untersuchungshaft. Konstantin Baschenow und Felix Machammadiew wurden beschuldigt, „die Aktivitäten einer extremistischen Organisation zu organisieren“. Die Strafanzeige gegen den dritten Zeugen Jehovas, Aleksej Budenchuk, ist noch nicht bestätigt. Am 14. Juni 2018 ordnete das Frunzenskij-Bezirksgericht in Saratow an, dass alle drei – Baschenow und Machammadiew bis zum 12. August 2018, Budenchuk mit ungewissem Entlassungsdatum – in Untersuchungshaft bleiben. Außerdem forderte die Polizei einen anderen Zeugen Jehovas auf, eine Erklärung zu unterschreiben, dass er die Gegend nicht verlässt.
3. Juni 2018, Tomsk: Um 10 Uhr stürmten die Polizei und Mitglieder der Spezialeinheit des russischen Militärs (Speznas) zwei Wohnungen von Zeugen Jehovas in Tomsk (Sibirien). Etwa 30 Zeugen Jehovas wurden festgenommen, darunter auch eine 83-jährige Frau. Die Polizei beschlagnahmte persönliche Gegenstände aus den Wohnungen und Fahrzeugen und brachte die Zeugen Jehovas in Bussen zum Zentrum für Extremismusbekämpfung.
Dort fand bis 2 Uhr morgens eine aggressiv geführte Vernehmung durch die Ermittlungsbeamten Iwan Wedrentsew, Alexander Iwanow und Wjacheslaw Lebedew statt. Sie drohten einem Festgenommenen an, dafür zu sorgen, dass er seine Arbeit verlieren würde. Krankenwagen fuhren während der Vernehmung mehrmals zum Zentrum und mindestens ein Zeuge Jehovas kam ins Krankenhaus.
Sergej Klimow blieb in Polizeigewahrsam. Am 5. Juni 2018 ordnete das Oktjabrskij-Bezirksgericht in Tomsk an, dass er unter dem Vorwurf, „die Aktivitäten einer extremistischen Organisation zu organisieren“, bis zum 4. August 2018 in Untersuchungshaft bleibt. Der Richter lehnte Anträge auf Hausarrest oder Freilassung auf Kaution ab.
3. Juni 2018, Pskow: Polizeieinheiten stürmten mehrere Häuser von Zeugen Jehovas in Pskow. In einer Wohnung wurden alle Anwesenden festgenommen und verhört, einschließlich zwei Besuchern, die keine Zeugen Jehovas sind. Mehrere Zeugen Jehovas, darunter Gennadij Schpakowski, wurden zur Vernehmung in die Regionalzentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes (FSB) in Pskow gebracht. Einige, die man zur Polizeistation abgeführt hatte, wurden unter Druck gesetzt, gegen Gennadij Schpakowski auszusagen. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen des „Organisierens von Aktivitäten einer extremistischen Organisation“ eingeleitet. Zwar wurde er später entlassen, jedoch kann jederzeit erneut Anklage gegen ihn erhoben werden.
30. Mai 2018, Chabarowsk: Polizisten drangen in die Wohnung von Iwan Pujda ein, durchsuchten diese und nahmen ihn fest. Er wurde nach Magadan gebracht und in Gewahrsam genommen. Am 1. Juni 2018 ordnete das Schelesnodoroschny-Bezirksgericht an, dass er unter dem Vorwurf, „die Aktivitäten einer extremistischen Organisation zu organisieren“, bis zum 30. Juli 2018 in Untersuchungshaft bleibt.
30. Mai 2018, Magadan: Bewaffnete und maskierte Polizisten stürmten Privatgrundstücke in Magadan und nahmen Konstantin Petrow, Jewgenij Zjablow und Sergej Jerkin fest. Am 1. Juni 2018 ordnete das Stadtgericht Magadan an, dass sie unter dem Vorwurf, „die Aktivitäten einer extremistischen Organisation zu organisieren“, bis zum 29. Juli 2018 in Untersuchungshaft bleiben.
29. Mai 2018, Schuja, Oblast Iwanowo: Dmitri Michailow wurde zum zweiten Mal in Gewahrsam genommen. Nach einer Razzia am 20. April beschuldigte ihn die Polizei der „Beteiligung an den Aktivitäten einer extremistischen Organisation“. Am 29. Mai wurde er zudem der „Finanzierung extremistischer Aktivitäten“ beschuldigt. Das Stadtgericht Schuja ordnete am 3. Juni 2018 an, dass er bis zum 19. Juli 2018 in Untersuchungshaft bleibt.
27. Mai 2018, Nabereschnyje Tschelny, Republik Tatarstan: Nachts durchsuchten FSB-Agenten zehn Wohnungen und beschlagnahmten elektronische Geräte, Handys und Pässe. Ilcham Karimow, Konstantin Matraschow und Wladimir Mjakuschin wurden in Gewahrsam genommen. Am 29. Mai 2018 ordnete das Nabereschnochelninskij-Bezirksgericht an, dass sie unter dem Vorwurf, für eine „extremistische“ Organisation Mitglieder anzuwerben, an ihren Aktivitäten beteiligt zu sein und diese zu organisieren, bis zum 25. Juli 2018 in Untersuchungshaft bleiben. Später wurde auch Ajdar Julmetjew festgenommen und am 31. Mai 2018 entschied das Gericht, dass er ebenfalls in Untersuchungshaft bleibt.
22. Mai 2018, Perm: Als Alexander und Anna Solowjew nach einer Reise von Moldawien nach Perm zurückkamen, wurden sie am Bahnhof von Polizeibeamten empfangen, die Alexander Solowjew Handschellen anlegten, seinen persönlichen Besitz beschlagnahmten und das Ehepaar in separaten Fahrzeugen zur Polizeistation fuhren. Während er in Haft war, durchsuchte die Polizei seine Wohnung und vernahm seine Frau. Am 24. Mai 2018 wurde Alexander Solowjew vom Swerdlowskij-Bezirksgericht unter dem Vorwurf der „Beteiligung an den Aktivitäten einer extremistischen Organisation“ unter Hausarrest gestellt.
17. Mai 2018, Birobidschan: Im Rahmen einer sogenannten Sting-Operation unter dem Decknamen „Gerichtstag“ stürmten 150 Polizisten und Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes (FSB) 22 Wohnungen von Zeugen Jehovas. Dabei beschlagnahmten sie Tablets, Mobiltelefone und Geld. Die Polizei nahm Alam Aliew fest, einen der 34 Zeugen Jehovas, die bei den Razzien durchsucht wurden. Am 18. Mai 2018 ordnete das Bezirksgericht Birobidschan an, dass er unter dem Vorwurf, „die Aktivitäten einer extremistischen Organisation zu organisieren“, bis zum 13. Juli 2018 in Untersuchungshaft bleibt. Auf Alam Aliews Antrag hin hob Richter A. Sizowa vom Berufungsgericht der Jüdischen Autonomen Oblast am 25. Mai 2018 die Anordnung zur Untersuchungshaft auf.
16. Mai 2018, Orenburg: Polizisten führten Razzien und Hausdurchsuchungen in Privatwohnungen durch. Sie nahmen drei Zeugen Jehovas fest: Alexander Suworow, Wladimir Kochnew und Wladislaw Kolbanow. Am 18. Mai 2018 ordnete das Promyshlennyi-Bezirksgericht an, dass Wladislaw Kolbanow unter dem Vorwurf, „extremistische Aktivitäten zu finanzieren“, unter Hausarrest gestellt wird. Am nächsten Tag ordnete das Gericht an, dass Wladimir Kochnew und Alexander Suworow unter dem Vorwurf, „die Aktivitäten einer extremistischen Organisation zu organisieren“, bis zum 14. Juli 2018 in Untersuchungshaft bleiben. Sieben andere Zeugen Jehovas wurden verpflichtet, eine Erklärung zu unterschreiben, dass sie die Stadt während der Ermittlungen nicht verlassen.
Wird die internationale Kritik Wirkung zeigen?
Sowohl die Europäische Union (EU) als auch die Vereinigten Staaten haben offizielle Erklärungen abgegeben, in denen sie Russlands Missachtung von Grundfreiheiten scharf verurteilen. Die EU hat Russland aufgefordert, „seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen, das Recht auf Religions- bzw. Glaubensfreiheit sowie auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit zu respektieren“. Die Vereinigten Staaten haben Russland zusätzlich dazu angehalten, „unverzüglich alle freizulassen, die lediglich wegen Ausübung ihres Rechts auf Religions- bzw. Glaubensfreiheit inhaftiert sind“.
Philip Brumley, Justiziar von Jehovas Zeugen, sagte: „Überall auf der Welt sind Zeugen Jehovas sehr beunruhigt über die brutale Verfolgung ihrer Glaubensbrüder in Russland. Sie erleben dort heute die gleiche Art von Unterdrückung wie unter dem kommunistischen Regime. Damit setzt sich Russland offenkundig über seine eigene Zusicherung hinweg, die grundlegenden Menschenrechte zu achten.“
Zeugen Jehovas, die schon länger in Untersuchungshaft sind a
Dennis Christensen
45 Jahre alt, Orjol, inhaftiert seit dem 25. Mai 2017, mindestens bis zum 1. August 2018 in Haft
Valentin Osadchuk
42 Jahre alt, Wladiwostok, inhaftiert seit dem 19. April 2018, mindestens bis zum 20. Juni 2018 in Haft
Viktor Trofimow
61 Jahre alt, Poljarny, inhaftiert seit dem 18. April 2018, mindestens bis zum 11. Oktober 2018 in Haft
Roman Markin
44 Jahre alt, Poljarny, inhaftiert seit dem 18. April 2018, mindestens bis zum 11. Oktober 2018 in Haft
Anatolij Wilitkewitsch
31 Jahre alt, Ufa, inhaftiert seit dem 10. April 2018, mindestens bis zum 2. Juli 2018 in Haft
a Weitere Informationen enthält der Artikel „Russland beginnt systematisch gegen einzelne Zeugen Jehovas vorzugehen“ auf jw.org unter Presse > Nachrichten.