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Am Freitag, dem 24. August 2017, störten Antiterroreinheiten zusammen mit Soldaten und der Polizei wegen einer angeblichen Bombendrohung die Gottesdienste von Jehovas Zeugen in Altschewsk und Lugansk.

13. DEZEMBER 2017
UKRAINE

Religionsfreiheit in östlichen Regionen der Ukraine bedroht

Religionsfreiheit in östlichen Regionen der Ukraine bedroht

Durch den seit über drei Jahren anhaltenden Konflikt in einigen Gegenden der Regionen Lugansk und Donezk im Osten der Ukraine haben sich die Lebensbedingungen für die meisten Einwohner drastisch verschlechtert. Jehovas Zeugen in diesen Gebieten leiden noch dazu unter wachsender religiöser Intoleranz. Die Behörden sind offensichtlich durch die jüngsten Gerichtsurteile in Russland beeinflusst, nach denen die Religionsausübung von Jehovas Zeugen dort verboten ist. Einige Beamte wenden nach russischem Muster illegale Methoden an, um Jehovas Zeugen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs etwas zur Last zu legen, und bedrohen damit ihre Religionsfreiheit.

Fingierte Beweise

Entsprechend der Vorgehensweise der russischen Staatsanwaltschaft ließen Behörden in diesen Regionen Beweise fingieren, um gegen Jehovas Zeugen Anklagen erheben zu können.

  • Im Juli 2017 setzte das Oberste Gericht der Volksrepublik Donezk zwei Artikel aus älteren Ausgaben der religiösen Zeitschriften von Jehovas Zeugen auf die offizielle Liste extremistischer Veröffentlichungen. Jehovas Zeugen wurden weder über den Gerichtsprozess informiert, noch konnten sie eine Ausfertigung des sofort durchsetzbaren Beschlusses erhalten, um dagegen Rechtsmittel einzulegen.

  • Im August 2017 wurden Jehovas Zeugen von Büros der Staatsanwaltschaft in Nowoasowsk und Debalzewo schriftlich verwarnt und angewiesen, ihre religiösen Zeitschriften Der Wachtturm und Erwachet! nicht ohne vorherige Genehmigung zu verbreiten. Auf diese Weise behindern Behörden sogar die Verbreitung religiöser Veröffentlichungen, die nicht als extremistisch eingestuft wurden, und drohen damit, Versammlungsälteste für die Verbreitung jeglicher Literatur von Jehovas Zeugen zur Verantwortung zu ziehen. Eine ähnliche Warnung erhielten später Jehovas Zeugen in Makejewka.

  • Am 4. August 2017 störten Antiterroreinheiten zusammen mit Soldaten und Polizisten die religiösen Zusammenkünfte von Jehovas Zeugen in Altschewsk und Lugansk wegen einer angeblichen Bombendrohung. Nach der Evakuierung der Gebäude überprüften die Beamten die Papiere aller Anwesenden. a

Razzia bei religiöser Zusammenkunft in Altschewsk

In Altschewsk wurde die Durchsuchung des Gebäudes durch die Beamten – vorgeblich nach einer Bombe – per Video aufgezeichnet. Dabei wurden neben einer kleinen Menge religiöser Literatur von Jehovas Zeugen schließlich Flugblätter mit Anti-VRL-Propaganda b „gefunden“, die die Beamten selbst eingeschmuggelt und dort versteckt hatten.

Haltlose Anschuldigungen als Vorwand für Behinderung religiöser Aktivität

Einige Wochen nach den Razzien in den Königreichssälen stellten Behörden in Lugansk Jehovas Zeugen zu Unrecht als Staatsfeinde dar. Am 28. August 2017 gab der Vizeminister für Staatssicherheit der VRL, Alexander Bassow, eine offizielle Erklärung ab, in der er Jehovas Zeugen verleumdete. Er führte das Propagandamaterial, das im Königreichssaal von Altschewsk versteckt und „gefunden“ worden war, als Beweis für seine Behauptung an, Jehovas Zeugen würden Gruppen unterstützen, die in der Republik Lugansk als terroristisch gelten.

Iwan Riher, Sprecher von Jehovas Zeugen in der Ukraine, sagte: „Jegliches derartige Material, das laut Vizeminister Bassow angeblich im Königreichssaal ,gefunden‘ wurde, war sehr wahrscheinlich von derselben Gruppe dort versteckt worden, die es auch entdeckte. Es mag sein, dass Literatur dieser Art in Altschewsk verbreitet wurde – aber ganz sicher nicht von Jehovas Zeugen. Sie sind neutral, was Hunderte von Zeugen Jehovas beweisen, die momentan weltweit wegen Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen inhaftiert sind. Kein einziger Zeuge Jehovas hat bei dem Konflikt in der Ukraine gekämpft – weder auf der einen noch auf der anderen Seite.“ c

Druck auf Jehovas Zeugen nimmt zu

Zwar wurde noch kein Zeuge Jehovas in dieser Region polizeilich belangt, doch wie einige berichten, wurden sie von Amtspersonen bei ihrer Missionstätigkeit behindert und davor gewarnt, diese fortzusetzen. Viele berichten außerdem über Vorladungen von Beamten des Sicherheitsdienstes. Dabei werden die Zeugen Jehovas verhört, bedroht und unter Druck gesetzt, die Namen derer zu nennen, die ihre religiöse Tätigkeit organisieren. Behördenvertreter haben außerdem ihre Gottesdienste gestört und Razzien durchgeführt.

Die sich ausweitende religiöse Diskriminierung und der Druck auf Jehovas Zeugen in einigen Gebieten der Regionen Lugansk und Donezk sind nicht lediglich Schikane, sondern religiöse Verfolgung und eine Bedrohung der Religionsfreiheit. Jehovas Zeugen sind deshalb zunehmend vorsichtig und legen Rechtsmittel ein, um ihre friedliche religiöse Tätigkeit fortsetzen zu können.

a In Altschewsk wurden zwei Älteste den ganzen Tag lang verhört. Sie erklärten, die Versammlung habe unweit der Kommandantur während des gesamten Konflikts ungestört ihre Gottesdienste im Königreichssaal abgehalten. Dennoch verurteilte man einen Ältesten zu einer Geldstrafe von 5 000 Rubel (83 US-Dollar) wegen des Organisierens einer Massenversammlung in Kriegszeiten sowie zu einer Geldstrafe von 3 000 Rubel (48 US-Dollar) für Verstöße gegen Brandschutzvorschriften im Königreichssaal.

b Die VRL (Volksrepublik Lugansk) übt die Kontrolle über einige Gebiete der Region Lugansk aus.

c Als Reaktion auf die Konflikte in den Regionen Donezk und Lugansk ordnete der Präsident der Ukraine im Sommer 2014 eine Teilmobilmachung an. Vitali Schalaiko, ehemaliger Soldat der ukrainischen Armee und heute ein Zeuge Jehovas, erklärte daraufhin, den Militärdienst aus Gewissensgründen zu verweigern. Am 23. Juni 2015 bestätigte das Oberste Sondergericht der Ukraine für Zivil- und Strafsachen sein Recht auf Militärdienstverweigerung auch bei einer Mobilmachung. Tausende anderer Zeugen Jehovas in der Ukraine haben dieselbe Haltung eingenommen.