Sie befreiten sich von der falschen Religion
„Geht aus ihr hinaus, mein Volk“ (OFFB. 18:4)
LIEDER: 101, 93
1. Warum konnte das Volk Gottes darauf hoffen, aus Groß-Babylon befreit zu werden, und mit welchen Fragen werden wir uns beschäftigen?
IM VORIGEN Artikel haben wir erfahren, wie Christen in die Gefangenschaft Groß-Babylons kamen. Erfreulicherweise würde dieser Zustand ein Ende haben. Gottes Gebot „Geht aus ihr hinaus, mein Volk“ wäre sinnlos, wenn es unmöglich wäre, sich vom Einfluss des Weltimperiums der falschen Religion zu befreien. (Lies Offenbarung 18:4.) Aber wann wurde Gottes Volk vollständig aus den Fängen Babylons befreit? Bevor wir darauf eingehen, müssen wir folgende Fragen klären: Wie standen die Bibelforscher vor 1914 zu Babylon der Großen? Wie aktiv waren unsere Brüder während des Ersten Weltkriegs im Predigtwerk? Hat die babylonische Gefangenschaft etwas mit den nötigen Korrekturen und der Zurechtweisung des Volkes Gottes während dieser Zeit zu tun?
„DER FALL BABYLONS“
2. Welchen Standpunkt nahmen die frühen Bibelforscher gegenüber der falschen Religion ein?
2 In den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg erkannten Charles Taze Russell und seine Gefährten, dass die Organisationen der Christenheit nicht die biblische Wahrheit lehrten. Daraufhin entschlossen sie sich, mit allem zu brechen, was gemäß ihrem Verständnis mit der falschen Religion in Verbindung stand. Schon im November 1879 legten sie in Zion’s Watch Tower ihre biblisch begründete Position offen dar: „Jede Kirche, die behauptet, eine dem Christus versprochene keusche Jungfrau zu sein, aber in Wirklichkeit mit der Welt (dem wilden Tier) vereint ist und von ihr unterstützt wird, müssen wir in der Sprache der Bibel als Hurenkirche verurteilen“, was eine Bezugnahme auf Babylon die Große war. (Lies Offenbarung 17:1, 2.)
3. Welche entschiedenen Schritte der Bibelforscher zeigen, dass sie erkannten, wie wichtig eine Trennung von der falschen Religion ist? (Siehe Anfangsbild.)
3 Gottesfürchtige Männer und Frauen wussten, was zu tun ist. Sie konnten nicht auf Gottes Segen hoffen, wenn sie weiter Organisationen der falschen Religion unterstützten. Viele Bibelforscher erklärten deshalb schriftlich ihren Kirchenaustritt. Teilweise lasen sie diese Schreiben beim Gottesdienst vor. Wo das verboten war, ließen einige jedem Gemeindemitglied eine Ausfertigung ihrer Austrittserklärung zukommen. Sie wollten alle Verbindungen zur falschen Religion abbrechen! So ein mutiges Vorgehen wäre ihnen zu anderen Zeiten teuer zu stehen gekommen. Doch ab dem späten 19. Jahrhundert verlor die Kirche in vielen Ländern mehr und mehr den staatlichen Rückhalt. Ohne Angst vor Repressalien fühlten sich Bürger in diesen Ländern frei, religiöse Themen anzusprechen und offen zu sagen, dass sie mit den etablierten Kirchen nicht einiggingen.
4. Wie stand Gottes Volk während des Ersten Weltkriegs zu Babylon der Großen?
4 Die Bibelforscher verstanden, dass es nicht genügte, lediglich Verwandten, engen Freunden und Kirchenmitgliedern ihren Standpunkt zur falschen Religion mitzuteilen. Die ganze Welt sollte erkennen, was Babylon die Große wirklich ist: eine religiöse Hure! Daraufhin verbreiteten die wenigen Tausend Bibelforscher eifrig 10 Millionen Traktate mit dem Titel „Der Fall Babylons“ — eine schonungslose Anklage gegen die Christenheit. Man kann sich gut vorstellen, wie die Geistlichkeit vor Wut kochte. Doch die Bibelforscher setzten ihr wichtiges Werk unbeirrt fort. Sie waren entschlossen, „Gott, dem Herrscher, mehr zu gehorchen“ (Apg. 5:29). Statt also während des Krieges von Babylon der Großen versklavt zu werden, befreiten sich diese christlichen Männer und Frauen immer mehr von ihrem Einfluss und halfen auch anderen dabei.
EIFRIGE PREDIGER WÄHREND DES ERSTEN WELTKRIEGS
5. Woher wissen wir, dass die Brüder während des Ersten Weltkriegs sehr eifrig waren?
5 In den vergangenen Jahren dachten wir, Jehova sei mit seinem Volk unzufrieden gewesen, weil es sich während des Ersten Weltkriegs nicht eifrig am Predigtwerk beteiligt habe. Daher schlussfolgerten wir, Jehova habe Babylon der Großen gestattet, sein Volk für eine kurze Zeit gefangen zu nehmen. Wie treue Diener Gottes, die die Zeit zwischen 1914 und 1918 miterlebt hatten, später jedoch klarstellten, hatte das Volk des Herrn als Ganzes alles ihm Mögliche getan, das Predigtwerk in Gang zu halten. Für diese Berichte gibt es gut belegte Hinweise. Ein genaueres Bild unserer theokratischen Geschichte hat zu einem klareren Verständnis bestimmter Bibelpassagen geführt.
6, 7. (a) Welchen Schwierigkeiten mussten sich die Bibelforscher während des Ersten Weltkriegs stellen? (b) Führe Beispiele für den Eifer der Bibelforscher an.
6 In Wirklichkeit legten die Bibelforscher, die während des Ersten Weltkriegs (1914—1918) predigen konnten, ein gewaltiges Zeugnis ab. Aus verschiedenen Gründen war das nicht leicht für sie. Hier nur zwei davon. Zum einen verbreitete man in jenen Tagen vor allem biblische Veröffentlichungen. Als man das Buch Das vollendete Geheimnis Anfang 1918 von staatlicher Seite verbot, wurde das Predigen für viele Brüder schwieriger. Sie hatten noch nicht gelernt, nur mit der Bibel zu predigen, sondern sich darauf verlassen, dass das Buch Das vollendete Geheimnis „das Reden“ für sie übernahm. Zum anderen brach 1918 die verheerende Spanische Grippe aus. Die Ausbreitung dieser entsetzlichen Seuche erschwerte es den Verkündigern, sich frei zu bewegen. Trotz dieser und anderer Schwierigkeiten gaben die Bibelforscher als Ganzes jedoch ihr Bestes, das Werk am Laufen zu halten.
7 Allein im Jahr 1914 führte diese kleine Gruppe Bibelforscher das „Photo-Drama der Schöpfung“ mehr als 9 Millionen Zuschauern vor. Das Drama, wie es genannt wurde, war eine Kombination aus Filmsequenzen und Lichtbildern, die mit Musik und Ton synchronisiert waren. Es beschrieb die Geschichte der Menschheit von der Schöpfung bis zum Millennium. Für die damalige Zeit war das eine außergewöhnliche Leistung! Stellen wir uns das einmal vor: Die Anzahl der Menschen, die allein 1914 die Vorstellung sahen, war größer als die Gesamtzahl der Verkündiger, die heute weltweit tätig sind! Wie Berichte außerdem erkennen lassen, besuchten 1916 insgesamt 809 393 Personen in den Vereinigten Staaten Zusammenkünfte; diese Zahl stieg 1918 auf 949 444 an. Die Bibelforscher waren wirklich eifrig!
8. Wie stillte man während des Ersten Weltkriegs die geistigen Bedürfnisse der Brüder?
8 Während des Ersten Weltkriegs wurden keine Mühen gescheut, die zerstreut lebenden Bibelforscher weiter mit geistiger Speise zu versorgen und zu ermuntern. Das gab den Brüdern die Kraft, weiterzupredigen. Richard H. Barber, der diese Zeit miterlebte, erinnerte sich: „Wir konnten dafür sorgen, dass nach wie vor ein paar Brüder als reisende Aufseher dienten und der Wacht-Turm weiter in Umlauf blieb und auch nach Kanada geschickt wurde, wo er verboten war. Es war mir vergönnt, Exemplare des Buches Das vollendete Geheimnis im Taschenformat an einige Brüder zu schicken, deren Exemplar beschlagnahmt worden war. Bruder Rutherford bat uns, in verschiedenen Städten im Westen der USA Kongresse zu organisieren und Redner dorthin zu schicken, um die Brüder so gut es ging zu ermuntern.“
LÄUTERUNG WAR NÖTIG
9. (a) Warum benötigte Gottes Volk zwischen 1914 und 1919 Korrektur und Zurechtweisung? (b) Welche Schlussfolgerung wäre verkehrt?
9 Nicht alles, was die Bibelforscher zwischen 1914 und 1919 taten, entsprach biblischen Grundsätzen. Obwohl die Brüder aufrichtig waren, verstanden sie nicht immer völlig, was es bedeutet, Regierungen untertan zu sein (Röm. 13:1). Deshalb verhielten sie sich als Gruppe in Bezug auf den Krieg nicht immer neutral. Der Präsident der Vereinigten Staaten rief beispielsweise den 30. Mai 1918 zu einem Tag des gemeinsamen Gebets und Flehens aus, und im Wacht-Turm wurden die Bibelforscher zur Teilnahme aufgefordert. Brüder kauften Kriegsanleihen, um den Krieg finanziell zu unterstützen, und einige wenige gingen sogar mit Gewehren und Bajonetten in die Schützengräben. Obwohl die Bibelforscher Korrektur und Zurechtweisung benötigten, wäre es verkehrt zu schlussfolgern, sie wären aus diesem Grund in die Gefangenschaft von Babylon der Großen gekommen. Vielmehr hatten sie verstanden, dass sie sich von der falschen Religion trennen mussten. Und während des Ersten Weltkriegs gelang ihnen der Bruch mit diesem Weltreich fast vollständig. (Lies Lukas 12:47, 48.)
10. Welche Haltung hatten die Bibelforscher in Bezug auf die Heiligkeit des Lebens?
10 Auch wenn die Brüder die christliche Neutralität noch nicht so deutlich verstanden wie heute, war ihnen doch eines klar: Die Bibel verbietet, Menschen das Leben zu nehmen. Selbst die wenigen Brüder, die im Ersten Weltkrieg mit Waffen in die Schützengräben gingen, weigerten sich eisern, jemand zu töten. Einige, die es ablehnten zu töten, wurden an die Front geschickt — in der Hoffnung, sie würden dort sterben.
11. Wie reagierte der Staat auf den Standpunkt der Bibelforscher zu bewaffneten Konflikten?
11 Der Teufel war über die Einstellung der Brüder offensichtlich verärgert, auch wenn ihre Haltung noch fehlerhaft war. Durch Gesetz schmiedete er deshalb Unheil (Ps. 94:20). Generalmajor James Franklin Bell von der US-Armee teilte J. F. Rutherford und W. E. Van Amburgh in einem Gespräch mit, das US-Justizministerium hätte versucht, dem Kongress einen Gesetzentwurf vorzulegen. Dadurch sollte es möglich werden, Personen zum Tode zu verurteilen, die sich weigerten, im Krieg zu den Waffen zu greifen. Dabei hatte er vor allem die Bibelforscher im Sinn. Völlig aufgebracht sagte General Bell zu Bruder Rutherford: „Der Gesetzentwurf ist nicht verabschiedet worden, weil [US-Präsident] Wilson es verhindert hat; aber wir wissen, wie wir euch fassen können, und wir werden euch fassen!“
12, 13. (a) Warum wurden acht verantwortliche Brüder zu langen Haftstrafen verurteilt? (b) Konnte die Haft den festen Willen der Brüder brechen, Jehova zu gehorchen? Erkläre es.
12 Die Drohung wurde wahr gemacht. Die Brüder Rutherford, Van Amburgh und sechs weitere Vertreter der Watch Tower Society wurden verhaftet. Als das Urteil verkündet wurde, erklärte der zuständige Richter: „Die religiöse Propaganda dieser Männer ist gefährlicher als eine Division deutscher Soldaten . . . Sie haben nicht nur die Tätigkeit des Staatsanwalts und des Geheimdienstes der Armee infrage gestellt, sondern auch die Geistlichkeit aller Konfessionen öffentlich angeprangert. Dafür sollten sie schwer bestraft werden“ (Faith on the March von A. H. Macmillan, S. 99). So kam es auch. Man verurteilte die acht Bibelforscher zu langen Haftstrafen und überführte sie in die Bundesstrafanstalt in Atlanta (Georgia). Nach Kriegsende kamen sie jedoch wieder frei und die Anklagen gegen sie wurden aufgehoben.
13 Selbst im Gefängnis rückten die acht Männer nicht von ihrer biblischen Überzeugung ab, die sie aufgrund ihres Verständnisses hatten. In einem Gnadengesuch an den Präsidenten der Vereinigten Staaten schrieben sie: „Der Wille des Herrn, wie ihn die Schriften verkünden, ist: ‚Du sollst nicht töten‘, und deshalb würde jedes dem Herrn geweihte Mitglied der [Internationalen Bibelforscher-]Vereinigung, das willentlich sein Weihegelübde brechen würde, Gottes Gnade für sich verwirken, selbst bis hin zur ewigen Vernichtung. Folglich könnten solche Mitglieder es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, dass sie willentlich daran teilnehmen, Menschen das Leben zu nehmen.“ Mutige Worte! Zugeständnisse kamen für unsere Brüder also nicht infrage!
ENDLICH BEFREIT!
14. Beschreibe anhand der Bibel, was in der Zeit von 1914 bis 1919 geschah.
14 In Maleachi 3:1-3 (lies) wird die Zeit von 1914 bis in die erste Hälfte des Jahres 1919 beschrieben, in der die gesalbten „Söhne Levis“ eine Läuterungsphase erleben würden. Damals kam Jehova, „der wahre Herr“, begleitet von Jesus Christus, dem „Boten des Bundes“, zum geistigen Tempel, um die dort Dienenden zu inspizieren. Nachdem sie die nötige Korrektur erhalten hatten, war Jehovas gereinigtes Volk geeignet, eine weitere Dienstzuteilung anzunehmen. 1919 wurde ein „treuer und verständiger Sklave“ über den Haushalt des Glaubens gesetzt, um für geistige Speise zu sorgen (Mat. 24:45). Jetzt war Gottes Volk vom Einfluss Babylons der Großen befreit. Seither ist dank der unverdienten Güte Jehovas ihre Erkenntnis des Willens Gottes und die Liebe zu ihrem himmlischen Vater stets gewachsen. Wie dankbar sie für seinen Segen sind! [1]
15. Was sollte die Befreiung aus Groß-Babylon in uns bewirken?
15 Es ist begeisternd, aus der Gefangenschaft Babylons der Großen befreit worden zu sein. Satans Bemühungen, das wahre Christentum auszurotten, sind kläglich gescheitert. Verfehlen wir aber nicht den Zweck, warum Jehova uns befreit hat (2. Kor. 6:1). Viele aufrichtige Menschen sind immer noch in der falschen Religion gefangen. Ihnen muss gezeigt werden, wie sie sich daraus befreien können. Dabei können wir sie anleiten. Ahmen wir daher unsere Brüder des letzten Jahrhunderts nach und tun wir alles uns Mögliche, um Menschen zu helfen, befreit zu werden!
^ [1] (Absatz 14) Zwischen der 70-jährigen Gefangenschaft der Juden in Babylon und dem, was Christen nach Beginn des Abfalls widerfuhr, gibt es viele Ähnlichkeiten. Dennoch scheint die Gefangenschaft der Juden kein prophetisches Vorbild für das zu sein, was Christen erlebten. Ein Unterschied besteht zum Beispiel in der Länge der Gefangenschaft. Wir sollten also nicht in jeder Einzelheit der Gefangenschaft der Juden prophetische Parallelen suchen, so als würden diese irgendwie auf das hinweisen, was gesalbte Christen in den Jahren vor 1919 erlebten.
Mehr entdecken
DOKUMENTATIONEN
Jehovas Zeugen — Glaube in Aktion, Teil 2: Lasst das Licht leuchten
Jesus gab seinen Nachfolgern die Aufgabe, „Jünger aus Menschen aller Nationen“ zu machen. Viel Widerstand und große Herausforderungen machten den Bibelforschern bewusst, was es wirklich bedeutet, das Licht leuchten zu lassen.
DER WACHTTURM (STUDIENAUSGABE)